Die amerikanische Rockband “30 Seconds to Mars“ kommt mit ganz großer Geste daher. Ansonsten versucht die Gruppe um Jared Leto noch, die Welt zu retten. Dienstag sind sie im Docks.

Superhelden wissen: "Große Macht bringt große Verantwortung." Spider-, Super- oder Ironman nutzen ihre Superkräfte deswegen gern, um täglich die Welt zu retten. Nun wollen wir keine absurden Ähnlichkeiten zwischen den Comictypen und großen Popstars unserer Zeit herstellen. Aber: Millionen Teenager unisono seine Songs singen zu lassen und von ihnen bewundert zu werden, trägt zumindest ein Moment von Heldentum in sich - die Verantwortung darüber nachzudenken, was die Fans da eigentlich singen und sich zum Vorbild machen.

Die amerikanische Spacerock-Band "30 Seconds to Mars" um die Brüder Jared und Shannon Leto tut genau das, in besonderer Weise. Ihr Engagement für die Umwelt macht die Band zu Helden der Wirklichkeit, nicht nur der der Jugend.

Das Musikvideo zu "A Beautiful Lie" beginnt mit einer Ansage Jared Letos - auch bekannt als Schauspieler in Filmen wie "Panic Room", "Chapter 27" oder "Requiem For A Dream". Er versucht, vor wirklich beeindruckender arktischer Kulisse auf die Schönheit Grönlands hinzuweisen. Im nächsten Bild erzählt ein alter Grönländer mit zerfurchtem Gesicht von der Zeit, als er mit seiner Familie früher in Hundeschlitten über das Eis fahren konnte, um zu jagen. Heute bricht das Eis, es schmilzt und trägt nicht mehr. Flutwellen schwemmen geschmolzene Gletscherriesen in unsere Gewässer und bedrohen unsere Welt. In Grönland stirbt eine ganze Kultur. Die Auswirkungen der Erderwärmung sind jedoch überall zu spüren.

30 Seconds to Mars spielt ihren großformatigen Rock zu beeindruckenden Bildern. Die Kamera jagt durch riesige Eisschluchten, hält in einen Sonnenuntergang, der in seiner glänzenden Schönheit nur durch die Reflexion eines schnee-eisigen Spiegels entstehen kann. Damit die Schönheit dieser Natur bewahrt wird, gibt die Band auf ihrer Website www.abeautifullie.org praktische Umwelttipps für den täglichen Gebrauch: Wir sollten Recyclingpapier benutzen, keine Plastiktüten in Supermärkten kaufen, sondern eigene mitbringen oder gar keine verwenden und abends alle elektrischen Geräte vom Netz nehmen. Letzteres nehme täglich nur etwa 30 Sekunden in Anspruch. 30 Sekunden? Da war doch was ...

Frontmann Jared Leto beschreibt die Texte auf "A Beautiful Lie", dem aktuellen, zweiten Album der Band so: "Dieses Album ist voller philosophischer Elemente und Motive. Es geht um gnadenlose Ehrlichkeit, Wachstum und Veränderung, um Leben und Liebe, um Tod, Schmerz, Freude und Leidenschaft. Um das, was uns zu Menschen macht." Das sind natürlich große Worte, und es wirkt, als liege in diesen ein bedeutender Unterschied zwischen cineastisch-übersinnlichem Heldentum und der Verehrung eines Rockstars, der die eigene Menschlichkeit zur Schau stellt.

Rockstars sind für viele Jugendliche Identifikationsfiguren, mit denen sie auch Gefühle verbinden. Natürlich hat Jared Leto, der als Schauspieler Erfolge feiert und zugleich mit seiner Rockband mehr als eine Million Alben verkauft, nicht dieselben Probleme wie die Fans. Dennoch gibt er sich als Außenseiter des Starzirkus und vermittelt in Interviews das Bild des unangepassten Künstlertyps. Die Texte von 30 Seconds to Mars sind vielen Jugendlichen Projektionsfläche in ihrem persönlichen Kampf um Anerkennung, in ihrer Einsamkeit - irgendwo zwischen Teenagerangst und Hoffnung. Und natürlich geht es auch um den Kampf mit sich selbst, darum, nie aufzugeben. So heißt es zum Beispiel in "Attack", dem euphorischen Opener des Albums:

"I won't suffer, be broken, get tired, or wasted / Surrender to nothing, or give up what I started" (Ich werde nicht leiden, zerbrechen und ermüden / Vor nichts weglaufen oder aufgeben was ich begann).

Dieses Prinzip des Weitermachens, dieses "Alles-ist-möglich-Credo" zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit der Band, deren Philosophie das lateinische Sprichwort provehito in altum ausmacht. Das bedeutet so viel wie "Immer voran ins Ungewisse" und meint in diesem Falle, seine Träume zu leben und Chancen zu nutzen. Ein anderer Leitspruch schmückt ein Projekt, das dem Quartett sehr am Herzen liegt: subsisto procul nusquam , "vor nichts haltmachen".

Der Bandname 30 Seconds to Mars fügt sich schlüssig in die Message der Band, denn die Forderung "30 Sekunden bis zum Mars" verweist auf eine Utopie, in der alles möglich ist, eben auch einen Lichtjahre entfernten Planeten in kürzester Zeit zu erreichen. Der Planet Mars dient in dieser Konstellation als Platzhalter, als Symbol für Ersehntes. Im Falle der Rockband um die Brüder Leto ist das der Wunsch, die Natur vor einer Katastrophe zu bewahren. Das klingt schon ein bisschen nach den Motiven der Superhelden. Und alle 30-Seconds-to-Mars-Fans sollen dabei mithelfen.

Davon gibt es viele. Vor allem in den sozialen Netzwerken des Internets werden die enormen Verbreitungsmöglichkeiten der Band deutlich. Die Myspace-Seite der Band sowie das Video zu "A Beautiful Lie" wurden bereits mehrere Millionen Male angesehen. Auf Youtube, kann man ebenso Videos von Fans einsehen, die sich die lateinischen Credos der Band tätowieren lassen oder Kommentare lesen, in denen Fans ihren Stolz äußern, Teil einer "Mars-Army" zu sein, die sich für den Umweltschutz einsetzt. Der Einfluss der Band auf ihre Fans wird auch beim ausverkauften Konzert im Docks am Dienstag zu sehen sein. In der pompösen Rockshow stilisiert sich die Band selbst zu Helden. Natürlich melden sich bei einer Band wie 30 Seconds to Mars, die sich in ihrer Ästhetik gerne eines uniformierten Kitsches bedient, mal wieder die ewigen Nörgler zu Wort. Man wirft Jared Leto, wie vielen Stars, vor, sich aus kommerziellen Gründen mit einem gekauften grünen Daumen zu schmücken. Doch vielleicht lässt sich Energie ja auch anders einsetzen, etwas positiver. Einige Möglichkeiten zeigt diese Band auf. Und: Unmöglich ist ja nichts.