Berlin. Jährlich wandern tausende Deutsche nach Spanien aus, besonders in den Süden. Doch vor Ort ist nicht alles so perfekt wie gedacht.

Blauer Himmel, 300 Sonnentage, auch in der kühleren Zeit noch angenehme Temperaturen: Das meist schöne Wetter lockt Zehntausende Pensionäre aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nach Spanien, das in den vergangenen Jahren zum beliebtesten Rentnerparadies Südeuropas wurde. Besonders beliebt: die Costa Blanca.

Doch wie leben die Ruheständler dort? Warum zogen sie in den Süden? Haben sie dort ihr Glück gefunden? Diese Zeitung besuchte ältere Auswanderer an der Costa Blanca nördlich von Alicante – eine der wichtigsten Hochburgen für deutschsprachige Senioren in Spanien.

Die Vorteile des spanischen Südens

Schon die kleine Villensiedlung im Ort Pedreguer an der Costa Blanca wirkt so, wie man sich einen Ort für die ewigen Ferien vorstellt: schmucke, weiß getünchte Häuschen, umgeben von hübschen Gärten. Palmen zieren den Straßenrand. Der Duft von Orangenblüten liegt in der Luft. Gleich um die Ecke liegt ein blau glitzernder Swimmingpool, den sich die Siedlungsbewohner teilen. Das Mittelmeer ist ebenfalls nicht weit entfernt.

In diesem Paradies wohnen Gisela Glaser und Joachim Grünert, ein deutsches Rentnerpaar. Zuvor lebten die beiden in der baden-württembergischen Kleinstadt Korntal-Münchingen bei Stuttgart. „Wir haben schon immer gesagt, wir wollen als Rentner nach Südeuropa gehen“, erzählt Joachim Grünert, „weil wir beide die Sonne lieben.“ Er war in seinem Berufsleben Programmierer und EDV-Lehrer. Sie arbeitete als Kinderfrau in gehobenen Familien.

Joachim Grünert und Gisela Glaser sind vor zwei Jahren nach Spanien ausgewandert.
Joachim Grünert und Gisela Glaser sind vor zwei Jahren nach Spanien ausgewandert. © Ralph Schulze | Ralph Schulze

Vor zwei Jahren erfüllten sich der 68-Jährige und seine ein Jahr ältere Ehefrau den Traum, nach Spanien umzuziehen. Allerdings verlief der Start im neuen Land holpriger als gedacht. Vor allem der Kampf mit der Bürokratie dauerte monatelang. „Das war nervig“, erinnert sich Gisela Glaser.

Auswandern nach Spanien: holpriger Start

Etwa die Beantragung der Steuer- und Identifizierungsnummer (NIE), ohne die in Spanien nichts läuft. Oder die Anmeldung im nationalen Gesundheitssystem. Und die . Oft war es schon schwierig, überhaupt einen Termin bei den Behörden zu bekommen.

„Die machen einem das Leben am Anfang schon ein bisschen schwer“, sagt Glaser rückblickend. Doch inzwischen sind diese Hürden überwunden. Das Rentnerpaar ist heimisch geworden. Und es hat gelernt, dass man in Spanien viele Dinge mit Gelassenheit hinnehmen muss.

„Egal wo man hinkommt, da ist nirgends Hektik“, berichtet Glaser. „Deshalb muss man vielleicht auch mal länger warten. Da musst du halt Geduld haben.“ Das gelte auch für den Supermarkt, wo an der Kasse viel geplaudert werde. „Die Leute sind hier entspannter als in Deutschland.“ Zweimal die Woche besuchen sie eine Sprachschule, um Spanisch zu lernen. „Wir wollen nicht nur in der deutschen Blase leben, sondern uns auch mit Spaniern verständigen können.“

Deutschland in Spanien: Auswanderer finden leicht Anschluss

Dabei kann man an der Costa Blanca zur Not auch ohne Spanisch überleben. Es gibt deutschsprachige Ärzte, Handwerker, Bäcker, Feinkostläden, Restaurants und Rechtsanwälte. Auch die Supermärkte Aldi und Lidl sind vor Ort. Eine weitere Anlaufstelle ist der Euroclub Dénia, der sich zum gesellschaftlichen Treffpunkt für deutschsprachige Senioren entwickelt hat. „Wir haben eine Wandergruppe, Sportaktivitäten, Tanzveranstaltungen und eine Reisegruppe“, erzählt Grünert, der Vize-Vereinspräsident ist.

Zudem gibt es im Klub, der fast 500 Mitglieder hat, Infoabende – etwa zum Thema Altersvorsorge, Erbrecht oder Pflegeversicherung. „Anschluss findet man hier problemlos“, ergänzt Glaser. Sie ist die Pressesprecherin des Euroclubs.

Auswanderer sehen sich nach Ruhe und Gelassenheit

Das Klima, die Freundlichkeit und die Gelassenheit der Menschen: Es sei ihr nicht schwergefallen, sich schnell wohlzufühlen, sagt auch die deutsche Auswanderin Sabine Radermacher. Die 65-Jährige ist vor fünf Jahren aus der süddeutschen Kleinstadt Markdorf am Bodensee, wo sie als Heilpraktikerin arbeitete, in das spanische Dorf Beniarbeig gezogen.

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Dort wohnt sie nun in der Finca „Suerte de Campo“, was man mit „Glück auf dem Land“ übersetzen könnte. Zur ländlichen Finca-Idylle gehören ein Hund, vier Katzen und zwei Pferde. Zudem steht eine Kutsche im Garten, mit der sie Fahrten für Jung und Alt durch die herrlichen Orangenhaine in der Umgebung anbietet.

Sabine Radermacher hat ihre Auswanderung nicht bereut.
Sabine Radermacher hat ihre Auswanderung nicht bereut. © Ralph Schulze | Ralph Schulze

Warum nicht noch mal ein neues Leben starten? Sicher gibt es auch in Spanien Menschen, die sich naturheilkundlich behandeln lassen wollen, sagte sich Radermacher. Damals war die Mutter von zwei erwachsenen Kindern 60. Und ohne Partner – so konnte sie schnell eine Entscheidung treffen. Heute sagt sie zu ihrer Auswanderung: „Das war eine gute Idee.“

Umzug ins Ausland sollte gut geplant sein

Allerdings rät sie, den Schritt ins Ausland nicht blauäugig zu machen: „Man sollte zunächst ein paar Mal Urlaub im Land verbringen, Leute treffen, sich orientieren und den Immobilienmarkt anschauen.“ Und ganz wichtig: Man müsse genügend finanzielle Reserven besitzen. Denn oft laufe nicht alles so glatt wie geplant.

Dies erlebte Sabine Radermacher am eigenen Leib. Ihre Idee, in Spanien als Heilpraktikerin Geld zu verdienen, wurde 2020 zunächst durch die Corona-Pandemie vereitelt. „Meine Lehre daraus war: Man muss einen Puffer haben, damit man wenigstens ein Jahr überleben kann.“

Radermacher überstand diese Krise, konnte schließlich doch noch ihre Heilkundepraxis eröffnen. Inzwischen ist sie 65 und hat trotzdem nicht vor, kürzerzutreten. „Ich liebe meinen Beruf. Wenn es geht, will ich noch bis 80 als Heilpraktikerin arbeiten.“ Nach fünf Jahren in Spanien warnt sie aber Auswanderungswillige vor dem Glauben, dass das Leben unter der südlichen Sonne leichter und billiger als im nördlichen Europa sei: „Auch in Spanien ist alles teurer geworden. Man kann nicht mehr wie früher für acht oder zehn Euro im Restaurant ein Mittagsmenü essen.“

Auch die Suche nach einer Unterkunft sei schwierig. Es gebe heute wenig bezahlbare Mietobjekte. Die Kaufpreise für Wohneigentum seien hoch. Ihr Fazit: „Für Leute, die wenig Geld haben, ist es auch in Spanien schwierig, klarzukommen.“ Aber was, wenn die Rentner in Spanien hilfs- oder pflegebedürftig werden? Auch dafür gibt es Lösungen. Deutschsprachige Senioreneinrichtungen etwa, wie im Costa-Blanca-Ort Pego, wo ein Schweizer Investor eine kleine Reihenhaussiedlung in eine Anlage für Betreutes Wohnen verwandelte. Trotz einiger Schwierigkeiten ist an der Costa Blanca also für das meiste gesorgt.