Berlin. Das US-Seuchenkontrollzentrum schlägt Alarm. Eine Pilzinfektion breitet sich unter Schwerkranken aus – und hat oft tödliche Folgen.

Gesundheitsexperten in den USA schlagen Alarm. Eine Pilzerkrankung breitet sich in rasantem Tempo im Land aus. Betroffen sind vor allem Menschen mit schweren Vorerkrankungen. Experten rechnen mit extrem hohen Sterblichkeitsraten bei Vorgeschädigten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einer "ernsthaften globalen Bedrohung", denn der Pilz besitzt Eigenschaften, die ihn zu einem unberechenbaren Gesundheitsrisiko machen. Im Kielwasser der Corona-Pandemie entwickelte der Hefeabkömmling offenbar eine ungeahnte Wucht.

Krankenhauskeim Candida breitet sich schnell aus und tötet Vorerkrankte

Die oberste Gesundheitsbehörde der Vereinigten Staaten, das Center for Disease Control Prevention (CDC), hat am Montag Erkenntnisse zu einem neuen Abkömmling des Hefepilzes bekannt gegeben. Die erst 2009 in Japan als Erreger von Ohrenentzündungen identifizierte Art mit dem Namen Candida auris verbreitet sich in den Vereinigten Staaten laut einer Mitteilung der Behörde in einer "alarmierenden Geschwindigkeit".

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Zwischen 2020 und 2021, also zur Anfangszeit der weltweiten Covid-Pandemie, verdreifachte sich nach Beobachtungen der Behörde die Zahl der Infektionen von knapp 500 auf rund 1500 Fälle. Die Zahl der Überträger, bei denen der Pilz keinen Schaden anrichtete, vervierfachte sich. Erstmal wurde eine Infektion 2016 in den USA diagnostiziert, mittlerweile wurden Fälle in mindestens der Hälfte aller Bundesstaaten nachgewiesen. Wie das CDC mitteilte, sei mit einer deutlich höheren Dunkelziffer zu rechnen, da die meisten Todesopfer ohnehin an schweren Vorerkrankungen litten. Zudem erfordere der Nachweis von Candida auris hohes technisches Knowhow.

Neue Resistenzen: Hartnäckig gegen Medikamente, Wärme und Desinfektionsmittel

Einfallstor für die Pilzerkrankung ist in den meisten Fällen der Mund- und Rachenraum. Wie eine brasilianische Forschergruppe bereits 2021 im Rahmen einer Studie feststellte, sind vor allem Träger von Zahnprotesen anfällig. Vor allem dort, wo Reibung für offene Mikrowunden sorgen, trete Candida auris am häufigsten auf. Besonders verheerend: Viele Covid-Intensivpatienten, die künstlich beatmet wurden, erkrankten zusätzlich am Pilz. Die eigentlich lebenserhaltenden Beatmungsgeräte wurden zu einem zusätzlichen Gesundheitsrisiko. In der Folge stieg die Verweildauer inturbierter Patienten, genauso wie das Risiko auf eine Lungenentzündung.

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© dpa | Nicolas Armer

Der neuartige Krankenhauskeim löst nach aktuellem Kenntnisstand vor allem Entzündungen im Herz-Kreislauf-System und im Gehirn aus. Pilzerkrankungen gelten allgemein als weniger gefährlich für den Menschen als Krankheiten, die von Bakterien oder Viren hervorgerufen werden. Ein Grund dafür ist die üblicherweise kurze Überlebensdauer. Genau das unterscheidet Candida auris allerdings von anderen Pilzen. Sie übersteht ungewöhnlich hohe Temperaturen und überlebt im Gegensatz zu den meisten anderen Sorten das warme Milieu im menschlichen Blut. Besorgniserrend ist vor allem seine Resistenz gegen den antimykotischen Wirkstoff Echinocandine, der zu den effektivsten Pilzmedikamenten gehört. Außerhalb des Menschen beweist der neue Superpilz auf allen möglichen Oberflächen nie gekannte Hartnäckigkeit.

Deutschland: Bisher nur vier isolierte Fälle registriert

Zwar stellt der Pilz für gesunde Organismen keine Bedrohung dar. In Krankenhäusern, Krebszentren und Langzeit-Pflegeeinrichtungen wütete er dagegen umso mehr. Zwischen 30 und 70 Prozent liegt laut einer Ersteinschätzung von Experten die Sterblichkeitsrate bei Infizierten. Der Pilz könne "schwelen und Infektionen für eine beträchtliche Zeit auslösen, trotz intensivster Bemühungen" von ärztlicher Seite, erklärte William Schaffner von der Uniklinik der Vanderbilt Universität dem "Washington Post".

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Dabei stellt der Pilz Ärzte und Krankenhäuser vor neue Herausforderungen. Denn sowohl gegen diverse Medikamente, als auch gegen Desinfektionsmittel verfüge Candida auris über eine für Pilze ungewöhnliche Resistenz. Der Hefepilz kann demnach stundenlang auf glatten Oberflächen überleben und selbst diverse Reinigungslösungen überstehen. Wie das "Deutsche Ärzteblatt" zudem schreibt, ist Candida die erste Hefepilzsorte, die von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. In Deutschland sind demzufolge bisher aber nur Einzelfälle bekannt, laut dem Leibniz-Institut für Infektionsbiologie wurden bislang vier Fälle unabhängig von einander identifiziert.