Berlin. Hohe Kosten für Gas und Fleisch stellen die Futterproduktion für Heimtiere vor ein Problem. Nestlé prüft Fleischalternativen für Hunde.

Die drohende Energiekrise und der Ukraine-Krieg treiben bereits jetzt die Preise für Gas und Lebensmittel in die Höhe. Doch die Krise betrifft nicht nur uns Menschen: Hohe Fleisch- und Produktionskosten stellen auch die Futterherstellung für Haustiere vor ein Problem. Ein Hersteller arbeitet bereits an fleischlosen Alternativen für Hunde.

Wie Hubert Wieser, Geschäftsführer des deutschen Ablegers des Tiernahrungsherstellers Nestlé Purina, dem Brancheblatt "Lebensmittel-Zeitung" erklärte, bereitet der Konzern einen Produktionswechsel vor. "Die Zusammensetzung der Tiernahrung wird sich in Zukunft deutlich ändern", so Wieser. Damit spielt er auch auf die Nutzung von Alternativproteinen an.

Wegen der hohen Fleischpreise und des sinkenden Angebots an Nebenprodukten aus der herkömmlichen Fleischproduktion arbeite Nestlé bereits seit Monaten an neuen Zusammensetzungen, so Wieser. Die Sicherstellung der Rohstoffversorgung sei "zu einer riesigen Aufgabe geworden".

Gaskrise: Geht Millionen Haustieren das Futter aus?

Für 35 Millionen Heimtiere in deutschen Haushalten könnte das zum Problem werden. Allein die rund 16 Millionen Katzen und zehn Millionen Hunde in Deutschland fressen größtenteils Fleisch aus Produktionsresten. Alternative Futtermodelle sind schwer oder je nach Tierart sogar gar nicht umsetzbar.

Dass die Fleischnebenprodukte nun knapp werden, liegt aber nicht ausschließlich an den Energiepreisen, sondern zu einem Teil auch am Konsum der Menschen: Durch den niedrigeren Fleischkonsum in der Gesellschaft fielen auch weniger Nebenprodukte aus der Industrie ab, erklärt Wieser.

Ausschließlich fleischlos soll das Tierfutter aber nicht werden: Nestlé selbst arbeite bisher mit Insekten- und fermentierten Proteinen, kooperiere aber auch mit Start-Ups, die etwa zellkultivierten Fisch ins Futter mischen. Mit den Überlegungen reagiert der Konzern gleich auf mehrere Krisen – egal ob logistisch, wirtschaftlich oder im Zusammenhang mit dem Klima.

Der geringere Fleischanteil oder die fleischlosen Alternativen senken auch den CO2-Abdruck der Konzerne, hebt Wieser im Gespräch mit der "Lebensmittel-Zeitung" hervor. Die Fleischalternativen seien auch Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. Doch vor der drohenden Energiekrise dürften die neuen Alternativen der Futterindustrie auch aus anderen Gründen zugute kommen.

Gaskrise macht Futterproduktion finanziell extrem aufwändig

Denn neben den Kosten für die Beschaffung des Fleisches steigen auch jene für seine Verarbeitung: Die Produktion von Haustierfutter sei energieintensiv, erklärt Johannes Steegmann, Geschäftsführer der Fressnapf-Gruppe, im "Zeit Magazin". Außerdem sei sie fast vollständig von Erdgas abhängig.

Tatsächlich erfordern gesetzliche Verordnungen, dass Fleisch und Gemüse zur Konservierung auf hohe Temperaturen erhitzt werden. Dafür braucht es Gas, das sich so einfach nicht einsparen oder ersetzen lässt.

Was würde also passieren, sollte im Winter tatsächlich das Gas knapp werden? Im schlimmsten Fall könnte bei Energieengpässen und einer Priorisierung, wie sie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angedacht hat, die Produktion stillgelegt werden. Und das bereitet der Heimtierindustrie große Sorgen.

Die Heimtierindustrie sorgt sich um Engpässe beim Tierfutter
Die Heimtierindustrie sorgt sich um Engpässe beim Tierfutter © dpa

Gaskrise: 70 Prozent der Futtermittel könnten bei Engpässen fehlen

"Sollte es durch die Einstellung von Gaslieferungen zu einer Einschränkung oder gar Stilllegung der Futtermittelproduktion in Deutschland kommen, fehlen hierdurch knapp 70 Prozent der Futtermittel im Markt", schrieben Vertretende der Heimtierindustrie Mitte Juli in einem Brief an die Bundesregierung. Die Preissteigerungen stellten die Branche jetzt schon vor enorme Herausforderungen.

Das könnte am Ende sogar Folgen für die deutsche Bevölkerung haben: Wenn Heimtierhalter und -halterinnen bei Futtermangel auf Fleisch aus der Lebensmittelindustrie zurückgreifen würden, drohe ein Engpass bei der Fleischversorgung für die Bevölkerung.

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Dass in einem solchen Fall Menschen den Vorschuss erhalten, hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bereits demonstriert: Er hatte zuletzt bemängelt, dass 60 Prozent der Getreideproduktion in Deutschland an Tiere verfüttert werde. "Wenn man einen Teil davon nutzen könnte für menschliche Ernährung, hätten wir schon Flächen gewonnen", sagte Özdemir den Fernsehsendern RTL und ntv.

Heimtierbranche will bei kritischer Infrastruktur dazuzählen

Auch vor solchen politischen Überlegungen fordert die Heimtierindustrie nun, im Falle von Engpässen bei der Energieverteilung priorisiert behandelt zu werden: "Wir bitten Sie […] die Heimtierbranche (Fachhandel und Industrie) […] als kritische Infrastruktur zu berücksichtigen", fordern die Verbände in ihrem Schreiben.

Die Bundesregierung soll inzwischen darauf reagiert haben. In einer Antwort des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die "Zeit Online" vorliegt, hieße es, dass sich das Ministerium mit dem Sachverhalt und den Vorgaben des Tierschutzgesetzes auseinandersetze. Zudem stehe das BMEL mit des Bundesnetzagentur in Kontakt.

Wie so vieles sind demnach auch die Versorgung und die Preisentwicklung beim Haustierfutter vorerst ungewiss, ein akuter Mangel besteht derzeit aber noch nicht. Wer sich dennoch Sorgen macht, kann beim Einkauf zwei Dosen Futter mehr in den Einkaufswagen legen. Hund und Katze freut das Extra-Futter sicher auch bei ausbleibender Krise. (reba mit dpa)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.