Berlin. Ein gigantisches Ozonloch soll über dem Äquator entstanden sein, schreiben die Wissenschaftler. Doch mehrere Kollegen haben Zweifel.

In der Stratosphäre, über dem Äquator, klafft neuen Hinweisen zufolge ein gewaltiges Loch. Es soll siebenmal größer sein als das in der Antarktis und könnte schon seit den 1980er-Jahren bestehen. Ein Team um den kanadischen Wissenschaftler Qing-Bin Lu von der Universität Waterloo in Ontario will das neue Ozonloch entdeckt haben. Dafür werteten die Forschenden umfangreiche Daten von Satelliten und Bodenmessstationen aus. Die Ergebnisse veröffentlichten Sie am Dienstag im Fachjournal „AIP Advances“.

Die Auswirkungen der offenbar ausgedünnten Stratosphäre über dem Äquator respektive den Tropen sind nach Ansicht der Wissenschaftler alarmierend: „Die Tropen machen die Hälfte der Oberfläche des Planeten aus und beherbergen etwa die Hälfte der Weltbevölkerung“, sagte Lu. „Allein die Existenz dieses tropischen Ozonlochs ist besorgniserregend.“

Ozonloch: Ohne Ozonschicht größere Gefahr durch UV-Strahlen

Die Ozonschicht ist ein Teil der Stratosphäre. In einer Höhe von 15 bis 50 Kilometern befinden sich 90 Prozent des atmosphärischen Ozons – ein gasförmiges Molekül, das vor allem in der Stratosphäre vorkommt und dort die ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) aus dem Sonnenlicht filtert. Ohne Ozonschicht treffen die UV-Strahlen auf den Erdboden und können Hautkrebs, grauer Star und zahlreiche Umweltprobleme verursachen.

Bereits Mitte der 1980er-Jahren stellten Forschende zum ersten Mal eine Schädigung der Ozonschicht über den beiden Polen fest. Als Ursache wurden Industriechemikalien ausgemacht, allen voran Flur-Chlor-Kohlen-Wasserstoffe (FCKW), die damals als Kühlmittel für Kühlschränke und in Spraydosen üblich war und teilweise noch immer verwendet wird.

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Ozonlöcher: Bedeutung für den Klimawandel

Wissenschaftler Qing-Bin Lu geht davon aus, dass das tropische Ozonloch durch die gleichen Mechanismen wie das arktische entstanden ist: durch freigesetztes FCKW. Allerdings können auch große Waldbrände die Ozonschicht angreifen.

Die tropischen und polaren Ozonlöcher spielten eine wichtige Rolle bei der Temperaturregulierung in der Stratosphäre, so Lu. Diese drei „Temperaturlöcher“ könnten demnach eine entscheidende Bedeutung beim Verständnis des globalen Klimawandels haben.

Fachleute zweifeln Untersuchung zum Ozonloch über den Tropen an

Mehrere nicht an der Untersuchung beteiligte Fachleute zweifeln aber an der Existenz des angeblich neuen Ozonlochs. „Ich bin überrascht, dass die Studie in ihrer aktuellen Fassung überhaupt veröffentlicht wurde“, sagte Martyn Chipperfield, Professor für Atmosphärische Chemie an der Universität Leeds. Ihn mache es misstrauisch, dass die Behauptungen in keiner anderen Untersuchung festgestellt wurden. Chipperfield: „Ich bin nicht davon überzeugt, dass sie korrekt sind.“

Für Marta Abalos Alvarez, Forscherin für Astrophysik an der Complutense Universität in Madrid, steht die Untersuchung im Widerspruch zu vorigen Ergebnissen, die als erwiesen gelten. Der Abbau der Ozonschicht in den Tropen sei nichts Neues und lege an einer Beschleunigung der sogenannten Brewer-Dobson-Zirkulation – ein Zirkulationsmuster, in der tropische Luft in die Stratosphäre aufsteigt und sich beim Abstieg polwärts bewegt. (lgr)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.