Baltimore. Ein US-Amerikaner hat als erster Mensch der Welt ein genetisch modifiziertes Schweineherz erhalten. Wie die Transplantation gelangt.

Als David Bennett von seinem Operateur im Dezember eröffnet wurde, dass seiner Erkrankung im Endstadium nur durch die Transplantation eines Schweineherzens beizukommen sei, reagierte der Handwerker aus dem US-Bundesstaat Maryland mit Galgenhumor: „Werde ich dann grunzen?”.

Seit wenigen Tagen kann der 57-Jährige beruhigt sagen: Nein.

Bennett hat als erster Mensch auf der Welt die Transplantation eines gentechnisch modifizierten Schweineherzens erfolgreich überstanden.

Mann bekommt Schweineherz – Hoffnung für herzkranke Patienten

Fünf Tage nach dem neunstündigen Eingriff des Chirurgen-Teams um Dr. Bartley Griffith und Dr. Muhammad Mohiuddin an der Universitätsklinik in Baltimore geht es dem mehrfachen Großvater nach Angaben der Mediziner „gut”. Die Aufsichtsbehörde FDA hatte zuvor eine Sondergenehmigung für die Operation erteilt.

Die Pioniertat nährt für Zigtausende final herzkranker Patienten die Hoffnung auf eine neue Lebensperspektive.

In den USA stehen rund 110.000 Menschen auf Wartelisten für Spenderorgane. Rund 6000 sterben pro Jahr, weil ihn nicht rechtzeitig geholfen werden. Passende Spenderherzen, knapp 3800 wurden zuletzt im Jahr verpflanzt, sind rar. Lesen Sie auch: Demenz: Studie erwartet drastischen Anstieg bis 2050

Können Menschen bis an Lebensende mit Schweineorganen leben?

Applaus für die Ärzte in Baltimore kam von vielen Kollegen. Darunter Robert Montgomery. Der Arzt aus New York, selber Träger eines (menschlichen) Spenderherzens, hatte im Herbst geschafft, dass der Körper einer hirntoten Frau über 50 Stunden erfolgreich mit einer externen Schweineniere verbunden werden konnte. Dr. Griffith habe die Sache „auf eine ganze neue Ebene” gebracht, sagte Montgomery.

Bruno Reichart, emeritierter Professor aus München, Chef der Firma Xtransplant, die Schweineorgane perspektivisch häufig einsetzen will, schließt nicht aus, dass David Bennett bis ans natürliche Lebensende mit der Tierspende existieren kann.

Reichart gelang 1983 die erste Herz-Lungentransplantation in Deutschland. 2018 transplantierte er gentechnisch veränderte Schweineherzen in Paviane. Einige Tiere lebten eine halbes Jahr mit den neuen Organen. Auch interessant: Provinz in Kanada: Mysteriöse Nervenkrankheit häuft sich

Wie wird verhindert, dass Schweineorgane abgestoßen werden?

Transplantation-Experten wie Dr. Konrad Fischer (München) und Dr. Joachim Denner (Berlin) sprachen ebenfalls von einem „großartigen Erfolg” und einem „Riesenfortschritt”. Für eine abschließende Bewertung sei es jedoch noch zu früh. Ob ein langfristiges Überleben des Transplantats im Körper des Empfängers gewährleistet werden kann, müsse sich noch zeigen. „Es ist zu hoffen, dass das Überleben nicht nur für wenige Tage oder Wochen, sondern sogar für mehrere Monate bis Jahre ermöglicht wird”, sagte Fischer.

Das Schwein, das David Bennett das Leben gerettet hat, kommt von der Biotech-Firma Revivicor in Blacksburg/Virginia. Es wurde bewusst klein gezüchtet (110 kg), damit das Herz nicht zu groß werden kann.

Um das Tierorgan mit dem menschlichen Organismus kompatibel zu machen und Abstoßungsreaktionen zu vermeiden, kam die 2020 mit dem Nobelpreis belohnte Präzisionstechnik der Gen-Schere Crispr/Cas9 zum Einsatz. Im Falle David Bennetts wurden vier Gene im Zuchtschwein neutralisiert und sechs menschliche Gene eingebaut. Lesen Sie auch: Gesetzliche Krankenkassen: Für wen die Beiträge 2022 steigen

Werden Schweine zu "Ersatzteillagern" für Menschen?

Ethiker haben Probleme damit, dass Schweine zu Ersatzteillagern für den Menschen werden könnten. Praktiker halten dem entgegen, dass etwa in Deutschland pro Jahr um die 50 Millionen Schweine zum Verzehr geschlachtet werden. Die Züchtung von einigen tausend Spezialschweinen zum Transplantationszweck sei vertretbar.

David Bennett freut sich nach Abschaltung der Herz-Lungen-Maschine darauf, sein Krankenbett für einen ersten Spaziergang verlassen zu können. Vielleicht ist auch eine Portion seiner Lieblingsspeise drin: Schinkenspeck.