Madrid. Spanien galt in der Pandemie als Impfmusterland. Doch mit Omikron explodieren die Infektionszahlen – auch auf Mallorca und den Kanaren.

Zwei Wochen lang feierten die Menschen ausgelassen in Spanien: erst die Weihnachtstage, dann den Jahreswechsel. Und schließlich das Dreikönigsfest, das am 5. Januar vielerorts mit karnevalsähnlichen Straßenumzügen eingeleitet wurde und am 6. Januar mit dem Überreichen von Geschenken im großen Familienkreis endet.

Doch mit dem Fiesta-Marathon explodieren nun auch im Impfmusterland die Corona-Infektionen, die mit jedem Tag neue Rekordhöhen erreichen. Kippt die Lage in Spanien?

Spanien war das Corona-Musterland in Europa

Vor zwei Monaten wies das Land noch eine der niedrigsten Ansteckungsraten Europas auf mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 20 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Ganz Europa schaute neidisch auf das südeuropäische Land, das mit einer bewundernswerten Impfquote von 80 Prozent der Bevölkerung glänzte.

Doch nun zeigt sich, dass auch dieser erste Impferfolg für sich allein nicht die Omikron-Welle aufhalten kann. Und es rächt sich vermutlich, dass sich Spanien auf dem Erreichten zu lange ausruhte: Mit der Booster-Kampagne hinkt das Land hinterher, bisher erhielten erst 30 Prozent der impffähigen Bevölkerung den dritten Piks in den Arm. Corona-Beschränkungen wie etwa 3G-Regeln wurden bisher nur sehr zögerlich oder gar nicht verhängt.

Vor einem Impfzentrum in Barcelona: Auch Anfang 2022 stehen noch Menschen Schlange, um eine Dosis eines Corona-Impfstoffs zu erhalten. In Spanien sind mittlerweile mehr als 80 Prozent der Bevölkerung über zwölf Jahren doppelt geimpft.
Vor einem Impfzentrum in Barcelona: Auch Anfang 2022 stehen noch Menschen Schlange, um eine Dosis eines Corona-Impfstoffs zu erhalten. In Spanien sind mittlerweile mehr als 80 Prozent der Bevölkerung über zwölf Jahren doppelt geimpft. © dpa | Jordi Boixareu

Die Sieben-Tage-Inzidenz erreicht fast 1600

Nach Berechnungen der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität beträgt die nationale Sieben-Tage-Inzidenz in Spanien inzwischen annähernd 1600 ­­– mit weiter steil ansteigender Tendenz. Diese offiziell gemeldete Fallzahl dürfte nur ein Teil der Wahrheit sein.

Denn Spaniens Gesundheitsbehörden kommen schon seit Tagen nicht mehr mit dem Zählen von Neuansteckungen hinterher. Weil die staatlichen Gesundheitszentren völlig überlastet sind, werden viele Verdachtsfälle ohne Symptome oder mit leichten Krankheitszeichen weder getestet noch mitgezählt.

Der Norden Spaniens leidet am schlimmsten

Am schlimmsten sieht es momentan in der nördlichen und kühleren Hälfte Spaniens aus. Dort strebt die offizielle wöchentliche Fallhäufigkeit rund um die feierfreudige Stadt Pamplona, wo jedes Jahr die weltberühmten Stierrennen stattfinden, bereits auf den Rekordwert von 4000 zu.

Auch im benachbarten Baskenland, wo sich das abendliche Leben vielfach in Tavernen und Tapasbars abspielt, liegt die Sieben-Tage-Inzidenz schon bei über 3000. Omikron ist inzwischen in ganz Spanien der vorherrschende Virustyp – in der Millionenstadt Madrid verursacht dieser bereits 90 Prozent aller Infektionen. Lesen Sie mehr:Corona: Omikron laut Studie resistenter gegen Antikörper

Auch Mallorca bleibt von Omikron nicht verschont

Die Omikron-Welle verschont auch nicht Mallorca, die meistbesuchte europäische Ferieninsel, wo die Wocheninzidenz bereits die Marke von 1000 übersprang. Ähnlich sieht es auf den Kanaren aus mit den Inseln Teneriffa und Gran Canaria, die im Winter zu den populärsten Reisezielen der sonnenhungrigen Nordeuropäer gehören.

Die Tatsache, dass die Corona-Lage in den spanischen Feriengebieten mittlerweile deutlich schlechter ist als in vielen Herkunftsländern der Urlauber, sorgte über die Festtage für eine Flut von Stornierungen.

Hohe Inzidenzen, aber weniger schwere Erkrankungen?

Spaniens Gesundheitsministerin Carolina Darias versucht die Spanier wie die ausländischen Touristen zu beruhigen: „Es stimmt, dass wir die höchsten Inzidenzen seit Pandemiebeginn verzeichnen“, sagt Darias. „Aber wir beobachten zugleich weniger schwere Erkrankungen. Und das hat viel mit der hohen Impfquote in unserem Land zu tun.“

Immerhin seien inzwischen 90 Prozent der Menschen über zwölf Jahren doppelt geimpft, betont die Ministerin. Und sie versichert: Die Krankenhäuser seien bisher nicht überlastet.

In einem Krankenhaus in Madrid erhält ein Mädchen eine Dosis eines Corona-Impfstoffs. Seit Mitte Dezember werden in ganz Spanien auch Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren gegen Covid-19 geimpft.
In einem Krankenhaus in Madrid erhält ein Mädchen eine Dosis eines Corona-Impfstoffs. Seit Mitte Dezember werden in ganz Spanien auch Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren gegen Covid-19 geimpft. © dpa | Jesús Hellín

Vor den Ambulanzen werden die Schlangen immer länger

Doch von Entspannung im spanischen Gesundheitswesen kann keine Rede sein. Lange Schlangen vor den staatlichen Ambulanzen, die für die Erstversorgung der Corona-Infizierten zuständig sind, signalisieren, dass der Druck steigt. Vor allem durch die bisher nicht gekannte Masse an Neuinfektionen.

Das bekommen, mit einigen Tagen Verzögerung, zunehmend die Hospitäler zu spüren, in denen in manchen Hotspotregionen wie Katalonien bereits nahezu die Hälfte der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass wegen Omikron immer mehr medizinisches Personal ausfällt.

Die Zahl der Intensivpatienten ist geringer als vor einem Jahr

In ganz Spanien liegen derzeit mehr als 13.000 Covid-19-Patienten im Hospital. Davon befinden sich etwa 2000 auf der Intensivstation. Aber das ist immerhin drei Mal weniger als während der winterlichen Corona-Welle vor einem Jahr.

Nach spanischen Medizinerangaben müssen jetzt nur etwa ein bis zwei Prozent der Infizierten mit Komplikationen im Krankenhaus behandelt werden. Es gibt also deutlich weniger schwere Fälle und damit auch weniger Todesopfer: Doch trotzdem werden in Spanien derzeit immer noch täglich 60 bis 70 Covid-19-Tote gemeldet.

Die Regierung hat die Quarantänezeit verringert

Zu einem wachsenden Problem werden, wie in anderen Ländern, die vielen Personalausfälle. Die Zahl der Krankschreibungen verdreifachte sich in den letzten Wochen. Deswegen beschloss Spaniens Regierung, die Quarantänezeit von Infizierten ohne Symptome oder mit einem leichten Krankheitsbild generell von zehn auf sieben Tage zu verkürzen. Die Rückkehr an den Arbeitsplatz kann dann ohne abschließenden negativen Test erfolgen.