Wiesbaden. In der Pandemie sind in Deutschland deutlich mehr Menschen gestorben als in Vorjahren. Wie Experten die Übersterblichkeit erklären.
Die Corona-Pandemie hat in Deutschland zu einer Übersterblichkeit geführt. Das teilte das Statistische Bundesamt bei einer Pressekonferenz am Donnerstag mit. Übersterblichkeit beschreibt eine erhöhte Sterberate. Es sind also in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie mehr Menschen gestorben, als erwartet. Das gelte laut Statistischem Bundesamt sowohl für das Kalenderjahr 2020 als auch für die ersten zwölf Monate der Pandemie.
Erwartet wurde für das Jahr 2020 ein Anstieg der Sterblichkeit um zwei Prozent, Grund dafür ist die Alterung der Bevölkerung. Gestiegen ist sie letztendlich aber um fünf Prozent. Das heißt, es sind 46.000 Menschen mehr sind gestorben als noch 2019. Erst ab März 2020, als in Deutschland die ersten Corona-Fälle und -Todesfälle in größerer Zahl auftraten, sei eine unerwartete Veränderung in der Sterbestatistik zu bemerken gewesen, so Christoph Unger, Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes.
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Übersterblichkeit nicht durch demografischen Wandel erklärbar
Noch aussagekräfter sei der Blick auf die ersten zwölf Monaten der Pandemie, also von März 2020 bis Februar 2021. In dieser Zeit starben in Deutschland fast 71.000 Menschen mehr als in den zwölf Monaten davor. Das ist ein Anstieg um 7,5 Prozent im Vergleich zu den zwölf Monaten davor.
Auch für den gesamten bisherigen Zeitraum der Pandemie von März 2020 bis November 2021 sieht das Bundesamt eine Übersterblichkeit. Es seien in dieser Zeit mehr Menschen verstorben, als unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre. "Der Anstieg der Sterbefallzahlen ist nicht allein durch die Alterung der Bevölkerung erklärbar, sondern maßgeblich durch die Pandemie beeinflusst", sagte Christoph Unger, Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes.
Am höchsten sei die Abweichung von den Vorjahren im Dezember 2020 und Januar 2021 zu beobachten gewesen. In dieser Zeit seien die zusätzlichen Todesfälle fast deckungsgleich gewesen mit den beim Robert Koch-Institut (RKI) gemeldeten Corona-Todesfällen.
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Corona meist Hauptursache für den Tod
Bei den meisten Menschen, die im Jahr 2020 im Zusammenhang mit Corona verstorben sind, sei die Infektion die Hauptursache für den Tod gewesen, so Karin Böhm, Leiterin der Gruppe "Gesundheit und Soziales". Bei fast 40.000 Menschen sei Corona das Grundleiden gewesen, bei knapp über 8000 eine Begleiterkrankung, die zum Tod beigetragen habe.
Das Bundesamt bestätigte auch, dass die an Corona Verstorbenen häufig an Vorerkrankungen litten. Besonders ältere Verstorbene seien häufig multimorbide gewesen, sie hätten also mehrere Vorerkrankungen gehabt. Bei den Menschen, die wegen Corona als Grundleiden gestorben sind, seien Herzkrankheiten wie Bluthochdruck am häufigsten gewesen, gefolgt von Demenz, Niereninsuffizienz und Diabetes.
Nur rund drei Prozent der 2020 Verstorbenen war unter 60 Jahre alt. Die Hauptursache für den Tod war Corona vor allem bei älteren Menschen, hier lag der Altersdurchschnitt bei 82 Jahren. Wie die Todesstatistik und die Übersterblichkeit ohne die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie aussehen würden, lasse sich nicht ermessen.
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Krankenhäuser: Deutlicher Rückgang bei anderen Behandlungen
Das Statistische Bundesamt wirft außerdem einen Blick auf die Auslastung und Behandlungen in Krankenhäusern und auf Intensivstationen. Dort gab es teils drastische sinkende Behandlungszahlen. In fast allen Fachgebieten außer Kardiologie, Gastroenterologie und Geburtshilfe habe es Rückgänge gegeben, die deutlichsten in der Rheumatologie um 21,5 Prozent. Die Hypothese, dass Notfälle nicht behandelt werden konnten, lasse sich jedoch ausschließen, so Referent Felix zur Nieden.
Auch Infektionskrankheiten wurden weniger behandelt. Hier sieht das Bundesamt einen Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Dadurch sei zum Beispiel die Grippewelle im Winter 2020/2021 fast ausgefallen.
Kein Anstieg der Suizide wegen Corona
Psychische Erkrankungen wurden im Jahr 2020 ebenfalls deutlich weniger stationär behandelt, fast 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Referatsleiter Torsten Schelhase sagte, diese Zahlen spiegelten die Inanspruchnahme der Behandlung wieder, nicht den Bedarf. Psychische Einrichtungen hätten wegen der Hygienemaßnahmen oft weniger Patienten aufnehmen können als sonst. Allerdings sei auch ein Anstieg der ambulanten Versorgung zu beobachten.
Mit einer Vermutung räumt das statistische Bundesamt außerdem auf: Die Corona-Pandemie hat nicht zu einem Anstieg der Suizidfälle in Deutschland geführt. Tatsächlich sei die Zahl an Selbstmorden im Jahr 2020 der zweitniedrigste Wert seit 1980 gewesen. Es sei seit Jahrzehnten ein rückläufiger Trend zu beobachten. Der habe sich auch 2020 fortgesetzt.
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