Berlin. Bis Weihnachten will die neue Regierung 30 Millionen Impfungen mehr erreichen. Doch Fachleute zweifeln, ob dieses Ziel realistisch ist.

Die Absage kommt per E-Mail, am Tag vor dem Termin zur Corona-Impfung. Betreff: "Impftermin storniert". Die mobile Impfstation in Hamburg müsse die geplante Impfung gegen Corona "leider absagen". Aufgrund der neuen Impfverordnung komme es "derzeit zu Lieferengpässen bei Impfstoffen", schreibt das Unternehmen Ende der Woche. Neue Termine seien in der kommenden Woche möglich. Die Firma rate jedoch, nicht gleich am Montag zu kommen, da es "sehr voll" sein werde.

So geht es vielen Menschen derzeit: Lange Schlangen vor den Impfstationen, Wartelisten bei Hausärzten. Oftmals sind in den kommenden Wochen keine Impftermine zu haben. Alles ausgebucht. Alles leergeimpft. Der angehende Kanzler Olaf Scholz (SPD) will nun eine Impfpflicht für alle. Zudem: Die Impfzertifikate sollen schneller ablaufen. Und Scholz peilt an: 30 Millionen Impfungen bis Weihnachten. Ein Ziel, an dem schon jetzt Fachleute zweifeln und Skepsis äußern. Wie es um die Impfkampagne steht - die wichtigsten Antworten.

Corona: Wie schnell impft Deutschland im Moment?

Seit Mitte November werden wieder täglich mehrere Hunderttausend Dosen verimpft, zuletzt über am 2. Dezember etwa rund 967.000 Impfungen am. 804.000 davon waren Auffrischungsimpfungen. 79.000 der verabreichten Dosen führten zu einer vollständigen Impfung.

Neues Impfziel: Wie schnell müssten wir impfen?

Um bis zum 24. Dezember 30 Millionen Impfdosen zu verteilen, müssten im Schnitt jeden Tag 1,3 Millionen Dosen verimpft werden. Diese Zahl wurde das letzte Mal am 23. Juni erreicht. Um das Ziel bis Weihnachten zu schaffen, müssten also die Rekordzahlen aus dem Sommer erreicht werden - und das jeden Tag. Bislang wurde aber besonders an Wochenenden und Feiertagen deutlich weniger geimpft, oft nur wenige Tausend Dosen. Die Impfungen an Wochentagen müssten das also ausgleichen und die bisherigen Tagesrekorde deutlich brechen, oder die Kapazitäten müssten an Wochenenden aufrechterhalten werden.

Der Hausärzteverband hält 800.000 bis 1,2 Millionen Impfungen am Tag für realistisch - wenn genug Impfstoff in den Praxen ankommt. Die 30-Millionen-Marke würde man damit nicht knacken.

Gibt es genug Corona-Impfstoff?

Laut Bundesgesundheitsministerium ist genug Impfstoff verfügbar. Mehr als 13 Millionen Impfdosen stünden in dieser Woche bereits zur Verfügung. Ausgeliefert werden können demnach bis Jahresende noch 25 Millionen weitere Impfdosen fürs Boostern, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion. Der Bund bemühe sich darum, "zusätzliche Mengen für Dezember verfügbar zu machen". Hinzu kämen "noch 2,4 Millionen Dosen für Kinderimpfungen, die noch an den Bund ausgeliefert werden".

Warum kommt der Impfstoff nicht an?

Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung sind das Problem die Lieferungen: Die seien gerade für Hausarztpraxen momentan "überhaupt nicht" verlässlich, sagt der stellvertretende Vorsitzende Stephan Hofmeister. Der Impfstoff komme nicht dort an, wo er verimpft werden solle, Bestellungen würden nicht vollständig bedient.

Markus Beier, stellvertretender Vorsitzender des Hausärzteverbands, sieht das Problem in der Verteilung des Impfstoffs "mit der Gießkanne". "Jeder, der eine Arztnummer hat, kann gleich viel Impfstoff bestellen", sagt er unserer Redaktion, "die Hausärztin auf dem Land, die Tausend Menschen versorgt, genauso wie der Radiologe in der Stadt." Wo viele Ärztinnen und Ärzte angestellt seien, gebe es viel Impfstoff, wo die Anzahl geringer sei, wenig. "Der ländliche Raum wird so strukturell benachteiligt."

Impfen: Geht es schneller, wenn Zahnärzte und Apotheker mit einsteigen?

Um die Kampagne zu beschleunigen, sollen bald auch Zahnmediziner und Apothekerinnen impfen können. Die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen will der Bund schnell schaffen. Grundsätzlich stehen die Zahnärzte nach Aussage der Bundeszahnärztekammer bereit, einzusteigen. Allerdings nicht unbedingt in den eigenen Praxen: "Die organisatorischen und räumlichen Voraussetzungen wären kaum zu stemmen", sagt Joachim Hüttmann, Sprecher des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte.