Berlin. Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrer kehren in den Präsenzunterricht zurück. Wie der Lockdown das Verhältnis verändert hat.

Unser Teenagerkind hüpft morgens so früh aus dem Bett, da drehen wir uns noch mal um. "Ich brauche keine Brote", ruft es und lässt die Wohnungstür knallen. Das Kind hat das, was ich Vor-Ferien nenne. Kurzstunden, in denen die Lehrerinnen mit ihren Schülern frühstücken. Oder Eis essen gehen.

Die Laber-Stunden mit den Lehrern findet die Teenie-Tochter großartig. Sie weiß nun, welcher Lehrer sich in diesem Jahr in die Kollegin verliebt hat. Wer ein Ferienhaus an der Ostsee besitzt, kein Fleisch isst oder gern beim Feiern versackt ("Kinder, passt auf, wenn ihr euch abends trefft, trinkt nicht so viel, ich weiß, wovon ich spreche!").

Es ist die pure Lust am Zusammensein nach den verkrampften Monaten mit Arbeitsanweisungen per Mail, Abgabefristen, Digitalvorträgen, Ausarbeitungen. Und – zumindest bei unserem Teenie – zeigt sich: Das Verhältnis der Lehrkräfte zu ihren Schülerinnen und Schülern ist gar nicht so schlecht.

Corona ist, wenn der Deutschlehrer in der Badewanne ein Bücherbad nimmt

Vielleicht liegt es daran, dass sich beide Seiten ziemlich viel Mühe gegeben haben, die Pandemie-Monate zu überstehen. Die Kinder mit Fleiß, die Lehrer mit Kreativität. Ich erinnere mich noch an den Deutschlehrer in der Badewanne, der sich für ein Video mit Büchern zugedeckt hatte und über Comics redete.

Ziel: Die Kinder sollen lesen, wenn es sonst nichts zu tun gibt. Oder die Lehrer-Gruppe, die Sportvideos drehte. Motto: So bleiben wir fit. Toll, wenn die Französisch-Lehrerin plötzlich den perfekten Spagat zeigt.

Es ist tatsächlich mal an der Zeit, zu loben, was in den vergangenen eineinhalb Schuljahren passiert ist. Womöglich hat unser Teenie ein Jahr vor dem Abitur sogar das ein oder andere Sinnvolle mitbekommen. Ich übrigens auch, etwa beim Probedurchlauf vor den Vorträgen zum Thema Gangster-Rap. Oder zur Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA seit 1945 (Englisch).

Eine Kollegin hat lange über die Grundschullehrerinnen ihrer Tochter geschimpft. Sie hätten keine E-Mail-Adresse. Schickten den Schülern die Aufgaben per Post! Manche seien völlig abgetaucht. Unterricht per Video? Fehlanzeige.

Corona ist, wenn die Lehrerin die Aufgaben per Post verschickt

Doch dann gab es Zeugnisse. Verpackt in selbstgebastelte Wundertüten mit aufgemalten Sternchen und verschnörkelter Schönschrift. Die Kollegin ist seitdem gnädiger in der Bewertung der Lehrerinnen; die liebevolle Fleißarbeit hat sie mit der analogen Welt der Grundschule versöhnt.

Ich will mehr positive Schulgeschichten hören und frage meine Bekannten. Die Antworten sind vage, unkonkret. Eine Mutter ist erstaunt, wie strukturiert Lehrer sein können, wie sie Aufgaben verteilen, Fristen setzen, Feedback geben, Kontakt halten. Viel ist von Videos die Rede, die waren offenbar der Hit in der Pandemie.

Ein Vater sagt, ihm falle da gar nichts ein. Wobei er sich nicht näher dazu ausließ, ob er nicht zuständig sei oder nichts Positives zu berichten habe. Wäre ja beides erschreckend.

Dann ist da noch der 13-Jährige, der, wie die Mutter sagt, mit dem Internet alles mache, "nur keine Aufgaben". Der darauf angesprochene Mathelehrer habe nur die Schultern gezuckt. "Hätte ich auch so gemacht".

Corona ist, wenn am Vormittag Zeit für Fortnite und FIFA bleibt

Die Antwort zeugt durchaus von Empathie, aber das reicht natürlich nicht, um vorpubertäre Jungs, die sich selbst organisieren sollen, von Minecraft, Fortnite und FIFA wegzubekommen.

Apropos Selbstorganisation. Das ist wohl der Schlüsselbegriff für die Corona-Schule. Ich rede mal mit den Worten der Oberschülerinnen und -schüler: Wer sich nicht organisieren kann, hat verkackt. Da der Großteil sich irgendwie arrangiert hat, werden viele an sich gearbeitet haben. Das gilt auch für Lehrer. Für den künftigen Unterricht kann das ja nur nützlich sein.

Wär doch lustig: Den Schulstoff erarbeiten sich die Kinder und Jugendlichen wie gewohnt selbst. Dann ist genügend Zeit, um ab August in die Nach-Ferien überzugehen. Mit Laber-Stunden und Eisdiele. Die haben schließlich lang genug auf Kundschaft gewartet.

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