Los Angeles. Fehlende Diversität und Intransparenz: Der Druck auf die Verleiher der Golden Globes wächst. Auch Filmstar Cruise zieht Konsequenzen.

Es mutet an wie die legendär scheinheilige Szene im Hollywood-Klassiker Casablanca. "Ich bin schockiert – schockiert, dass hier geheimes Glücksspiel betrieben wird!", sagt der korrupte Polizeipräfekt Louis Renault zu "Rick’ Café Américain"-Betreiber Humphrey Bogart. Zeitgleich schiebt ihm der Croupier seinen Bakschisch zu.

78 Jahre nach Gründung der für die Verleihung der nach "Oscar" und "Emmy" wichtigsten Film- und Fernsehpreise in Amerika – den "Golden Globes" – geht es einer kleinen, obskuren Vereinigung an den Kragen.

Tom Cruise gibt Preise aus Protest gegen Rassismus und Korruption zurück

Die kaum 90 Mitglieder starke "Hollywood Foreign Press Association", kurz HFPA, die die Weltkugeln vergibt und mit der Traumfabrik in einer dubiosen Parasit-Wirtstier-Beziehung lebt, sieht sich einem Sturm ausgesetzt, gegen den "Vom Winde verweht" ein laues Lüftchen war.

Aus Protest gegen rassistische Personalpolitik – es gibt keinen einzigen Schwarzen in dem einer Geheim-Loge ähnelnden Klub – und diversen Mauschelei-Vorwürfen hat Groß-Schauspieler Tom Cruise drei "Globes", die er für "Geboren am 4. Juli" (1990), "Jerry Maguire - Spiel des Lebens" (1997) und "Magnolia" (2000) gewonnen hatte, nach Medienberichten zurückgegeben.

Die Verleiher der Golden Globes stehen massiv in der Kritik.
Die Verleiher der Golden Globes stehen massiv in der Kritik. © Chris Pizzello/Invision/AP/dpa

Golden-Globes-Verleihung: NBC sagt Übertragung ab

Mehr noch: Der TV-Sender NBC, der sich seit 1996 die jährlich zuletzt von 20 Millionen Menschen verfolgte Übertragung der Verleih-Gala zweistellige Millionen-Summen kosten ließ, schaltet im nächsten Jahr ab. Frühestens 2023 will man wieder einsteigen. Wenn bis dahin "echte Reformen" in Kraft getreten sind.

Außerdem haben die Streaming-Dienste Netflix und Amazon die Zusammenarbeit mit der 1943 gegründeten Vereinigung auf Eis gelegt. Stars wie Scarlett Johansson rufen dazu auf, der HFPA fern zu bleiben. Manche Mitglieder hätten ihr bei Pressekonferenzen Fragen gestellt, die an "sexuelle Belästigung grenzten".

Ihr Kollege Mark Ruffalo bereut, jemals einen Preis der Auslandspresse angenommen zu haben. Er und andere Kollegen, erinnerten daran, dass Phil Berk, lange Präsident der Auslandspresse-Vereinigung, neulich die Black-Lives-Matter-Bewegung als "rassistische Hass-Bewegung" bezeichnet hatte. Er wurde dafür rausgeworfen.

Kritik an Film-Organisation: Mauscheleien und Korruption

Die mächtige Bugwelle gegen die HFPA geht auf eine Recherche der "Los Angeles Times" zurück. Darin erscheint die Organisation, die sich privilegierten Zugang zu Stars und Sternchen gesichert hat, als schmarotzerhaft und korrupt. Mit der Film-Branche bestehe ein beinahe inzüchtiges Beziehungsgeflecht.

Was aber keine Neuigkeit ist. Vor zehn Jahren hatte Michael Russell, Ex-PR-Chef der Vereinigung, die zuletzt zwei Millionen Dollar im Jahr an seine Mitglieder ausschüttet, Klage eingereicht. HFPA-Mitglieder seien in "unethische und möglicherweise gesetzeswidrige Vereinbarungen verwickelt". Sie nähmen von den Studios Luxusreisen, Geschenke und andere Vorteile an. Im Gegenzug dafür würden bestimmte Filme hochgelobt.

Erst vor zwei Jahren hatte die Journalistin Kjersti Flaa geklagt, weil die HFPA ihr die Mitgliedschaft verweigert hatte. Die Norwegerin machte geltend, dass der schrullige Verband seine Machtposition ausnutze, obwohl die Traumfabrikanten eigentlich keine "enorme Geldsummen" für "alternde Journalisten" aufwenden wollten, "die regelmäßig während der Filmvorführungen schnarchen".

Rassismus-Vorwürfe: HPFA verordnet sich selbst Reformen

Die HPFA hat sich in der vergangenen Wochen erste Reformen verordnet, die Kritikern "nicht tiefgreifend genug" sind. So soll laut Präsident Ali Sar bis 2023 die Mitgliedschaft nahezu verdoppelt werden, vorzugsweise durch Afro-Amerikaner.

Auch das Geschenke-Unwesen, das Studios, Produzenten und PR-Firmen kultiviert haben, um sich die Gunst der Kritiker zu sichern, werde eingedämmt. Ob Extra-Touren wie zu den Dreharbeiten der seicht-belanglosen Netflix-Serie "Emily in Paris" ebenfalls perdu sind, ist aber offen. 30 HFPA'ler wurden seinerzeit an die Seine geflogen und stiegen in einem Luxus-Hotel zu Preisen von über 1000 Euro die Nacht ab. Danach wurde "Emily" mehrfach für die Golden Globes nominiert.

Die Golden Globes zählen nach den Oscars zu den bedeutendsten Filmpreisen in Hollywood. Die Verleihung der seit 1944 vergebenen Filmpreise wird maßgeblich durch die Vergabe von Übertragungsrechten finanziert.