Göttingen. Haftbefehl wegen Mordes: Ein Mann soll in Göttingen eine Frau angezündet und erstochen haben. Eine Frau, die helfen wollte, starb auch.

Auch am Montag sagte der mutmaßliche Doppelmörder von Göttingen nichts zu den Vorwürfen gegen ihn. Laut Göttinger Oberstaatsanwalt Andreas Buick schweigt Frank N. weiter – der Mann, der eine Frau angezündet, sie und eine weitere dann erstochen haben soll. N. folge damit offenbar einer Empfehlung seines Anwaltes.

Die grausame Tat beschäftigt die Stadt weiterhin. Für Montagabend hatte die evangelische Kirchengemeinde St. Petri in Göttingen-Grone zu einer Trauerandacht in Erinnerung an die beiden getöteten Frauen eingeladen.

„Das ist für uns eine völlig neue Erfahrung. Wir sind auf viele Leute eingerichtet“, sagte Pfarrer Henning Kraus. Im Stadtteil herrsche großes Entsetzen, Sprachlosigkeit und Trauer. „Es liegt wie eine dicke Decke über dem Ort“, sagte der Pfarrer.

Göttingen-Mord wohl aus Liebe – was bisher bekannt ist

  • Frank N. (52) ist dringend tatverdächtig, eine Frau angezündet und sie dann erstochen zu haben
  • Eine Kollegin des Opfers wollte helfen, er stach auch auf sie ein
  • Sie starb im Krankenhaus
  • Der Verdächtige, ein mehrfacher Vergewaltiger, war 34 Stunden auf der Flucht
  • Er schweigt zu den Vorwürfen – die Polizei geht davon aus, dass er verliebt in sein Opfer war

Für die Polizei gilt es als sehr wahrscheinlich, dass N. Liebeskummer hatte, sein erstes Opfer die Gefühle des 52-Jährigen nicht erwidert hatte. Er lauerte ihr dann offenbar vor ihrem Arbeitsplatz auf, spritzte brennbare Flüssigkeit auf sie, zündete sie dann an.

Als sie versuchte, ihm zu entkommen, stach er mehrmals mit einem Messer zu. Dann griff er das zweite Opfer an. Beide Frauen starben. Der gelernte Tischler war in den 80ern drei Mal verurteilt wegen – wegen Vergewaltigungen. Seitdem ist er zumindest nicht wieder auffällig geworden. Bis zu der grausamen Bluttat von Göttingen..

Göttingen: Im Innenstadt-McDonalds wurde Frank N. gesichtet, kurz darauf festgenommen.
Göttingen: Im Innenstadt-McDonalds wurde Frank N. gesichtet, kurz darauf festgenommen. © dpa | Stefan Rampfel

Als seine Bekannte nach dem ersten Angriff am Donnerstag losrannte, verfolgte er sie, stach sie nieder – mitten auf der Straße. Die 44-Jährige hatte keine Chance – Frank N. (52) ist dringend tatverdächtig. Am Samstag wurde bekannt: Auch die Kollegin des Opfers, die helfen wollte, erlag ihren Verletzungen.

Auch sie hatte er niedergestochen. 34 Stunden lang war er nach der Tat auf der Flucht, rief dabei mehrmals die Ermittler an, um sich nach dem Zustand seiner Opfer zu erkundigen, wie die Polizei und Staatsanwaltschaft am Samstag bei einer Pressekonferenz bekannt gaben. Ermittelt wird wegen Mordes.

Göttingen Mord – die Chronologie der 34-Stunden-Flucht

  • Donnerstag, kurz nach 13 Uhr: Der Angriff auf die zwei Frauen
  • Die Polizei sperrt den Bahnhof, Fahndung mit allen Mitteln
  • 18 Uhr: Die Polizei veröffentlicht ein Foto des Verdächtigen Frank N.
  • Im Ortsteil Weende kommt es zum Polizeieinsatz, es fallen Warnschüsse, viel Aufregung – um nichts: Frank N. ist nicht dort
  • Freitag, kurz nach Mitternacht: Die Ermittler veröffentlichen ein zweites Bild
  • Bahnpersonal bemerkt den Verdächtigen in einem Zug – allerdings: Er kann entkommen. Bevor die Ermittler ihn erreichen, schlägt er die Scheibe mit dem Nothammer ein, flüchtet durchs Fenster
  • Suche in einem Hildesheimer Stadtteil – erfolglos. Ebenso in Sarstedt: kein Ergebnis. Hinweise in Hannover erhärten sich nicht. „Bild“ berichtet, er habe dort mit einem Anwalt gesprochen, allerdings ohne sich zu erkennen zu geben. Die Ermittler vermuten: Er lief von Elze nach Hannover, schreibt „Bild“. Es sind 30 Kilometer
  • Am späten Freitagabend dann erkennt jemand den 52-Jährigen im Bereich eines McDonald’s-Restaurants in der Göttinger Innenstadt und alarmiert die Polizei

 Elze: Das Fenster eines Zuges, aus dem der mutmaßliche Mörder von Göttingen geflüchtet sein soll.
Elze: Das Fenster eines Zuges, aus dem der mutmaßliche Mörder von Göttingen geflüchtet sein soll. © dpa | Marie Nehrenberg-Leppin

„Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn ein mutmaßlicher Doppelmörder frei rumläuft“, sagte der Göttinger Polizei-Chef Thomas Rath am Rande einer Pressekonferenz am Samstag zurückblickend. „Umso größer war die Erleichterung, als wir ihn dann am Freitagabend endlich festgenommen haben.“

Mord in Göttingen: Mutmaßlicher Täter versuchte zu verhandeln

Der mutmaßliche Täter habe während seiner Flucht außerdem Verhandlungsgespräche mit den Beamten über den Notruf 110 geführt, hieß es weiter. Der Verdächtige sei „aalglatt“ aufgetreten, schilderten die Ermittler. Er habe nach bisherigen Erkenntnissen von verschiedenen Handys von Passanten angerufen.

Mord in Göttingen: Thomas Rath (r.), Leiter der Polizei Göttingen, und Frank-Michael Laue, Oberstaatsanwalt, berichten von den Ermittlungen.
Mord in Göttingen: Thomas Rath (r.), Leiter der Polizei Göttingen, und Frank-Michael Laue, Oberstaatsanwalt, berichten von den Ermittlungen. © dpa | Swen Pförtner

Wie die Polizei am Samstag mitteilte, kannten sich Opfer und mutmaßlicher Täter seit etwa anderthalb Jahren. Seine Bekannte, die er offenbar gezielt angriff, starb am Donnerstag noch am Tatort. Am Samstag wurde bekannt, dass auch die 57-Jährige, die dem Opfer zur Hilfe geeilt und attackiert worden war, gestorben ist. Die Frauen waren Kolleginnen. Einem Zeugen, der mit einem Feuerlöscher hatte helfen wollen, soll N. den Feuerlöscher entrissen und seine schwer verletzte Bekannte damit geschlagen haben.

Gegen den Mann wurde Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Er selbst soll bisher keine Angaben zur Tat gemacht haben. Der 52-Jährige wurde in der Vergangenheit bereits drei Mal wegen Vergewaltigung verurteilt.

Auf dieser Google-Karte ist der Tatort, die Straße Zollstock in Göttingen zu sehen.

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Während der Fahndung war ein Zug gestoppt worden

Nach der tödlichen Attacke auf eine Frau in Göttingen sicherten Ermittler der Polizei Spuren am Tatort.
Nach der tödlichen Attacke auf eine Frau in Göttingen sicherten Ermittler der Polizei Spuren am Tatort. © dpa | Swen Pförtner

Die Fahndung nach dem Mann hatte die Gegend zwischen Göttingen und Hannover anderthalb Tage lang in Atem gehalten.

Augenzeugen wollten den 52-jährigen Deutschen, nach dem mit zwei Fotos gefahndet worden war, bereits am Freitagmorgen in einem Nahverkehrszug Richtung Hannover entdeckt haben. Als der Zug gestoppt war und die Polizei eintraf, sei eine Person aus dem Zug geflüchtet, sagte eine Polizeisprecherin.

Nach Medienberichten hatte das Zugpersonal den Verdächtigen im Abteil eingeschlossen und die Bundespolizei alarmiert. Dann sei es dem mutmaßlichen Mörder auf dem Bahnhof Elze nahe Hildesheim gelungen, zu entkommen. „Die gesuchte Person schlug mit einem Nothammer von innen die Scheibe ein und entkam anschließend zu Fuß in unbekannte Richtung“, sagte die Sprecherin.

Polizei hatte vor möglicherweise bewaffnetem Verdächtigen gewarnt

Am Tatort im Göttinger Stadtteil Grone erinnerten Menschen mit Kerzen und Blumen an die getötete Frau.
Am Tatort im Göttinger Stadtteil Grone erinnerten Menschen mit Kerzen und Blumen an die getötete Frau. © dpa | Swen Pförtner

Der Bahnhof der Kleinstadt blieb für rund fünf Stunden mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Die Streckensperrung wurde nach Angaben der Deutschen Bahn gegen 11.45 Uhr wieder aufgehoben. Mehrere Streifenwagen und zahlreiche Beamte waren im Einsatz, auch Spürhunde. Ein Polizeihubschrauber kreiste entlang der Bahnstrecke. Die Polizei hatte während der Fahndung davor gewarnt, den Mann anzusprechen, weil er noch bewaffnet sein könnte.

In Hannover soll der 52-Jährige einen Anwalt aufgesucht haben. Der Verdächtige habe sich gemeldet und um rechtlichen Beistand gebeten, teilte die Polizei mit. Der Rechtsanwalt habe dies abgelehnt und die Polizei informiert. Daraufhin sei der mutmaßliche Täter wieder abgetaucht. Vermutlich sei er dann mit einem Zug zurück nach Göttingen gefahren.

Das Verbrechen hatte sich am Donnerstag gegen 13 Uhr ereignet. Laut Polizeiangaben war der Täter nach der Bluttat auf einem Fahrrad mit Packtaschen geflohen. Im Laufe des Abends soll er die Polizei immer wieder kontaktiert haben, um sich über den Gesundheitszustand des Opfers zu informieren.

Ein Berliner wurde Anfang des Jahres zu acht Jahren Haft verurteilt – er hatte einen Obdachlosen angezündet. Eine andere grausige Tat wurde im Juni verhandelt: Ein Vater hatte seine eigenen Kinder verbrannt.

(ses/moi/jb/dpa/jkali)