Nantucket. Kevin Spacey war wegen eines sexuellen Übergriffs angeklagt. Doch das Verfahren wurde überraschend eingestellt. Das ist der Grund.

„Und einfach so… ist er weg.“ Der letzte Satz aus dem bald 25 Jahre alten Wunder-Film „Die üblichen Verdächtigen“, der Kevin Spacey alias der körperlich Behinderte Verbal Kint alias Meisterschurke Keyser Söze den ersten Oscar einbrachte, traf im Herbst 2017 auch auf den Starschauspieler persönlich zu.

Der Mann mit dem doppelbödigen Grinsen aus New Jersey, der es als intrigant-charismatischer Frank Underwood in „House of Cards“ vollends zu Weltruhm brachte, geriet nach diversen Vorwürfen der sexuellen Nötigung von jungen Männern in die Mühlen der #MeToo-Bewegung. Und wurde fast zerrieben.

Kevin Spacey: Rausschmiss bei Netflix – punktueller Freispruch vor Gericht

Netflix schmiss den am Theater (Shakespeare) zum Darsteller-Riesen gewachsenen Mimen aus der letzten Staffel von „House of Cards“. Regisseur Ridley Scott ließ Spacey aus einem bereits fertigen Film („Alles Geld dieser Welt“) kurzerhand herauszuschneiden und durch neue Szenen mit Christopher Plummer ersetzen. Dem Berufsverbot auf Zelluloid für einen Künstler, dem Kritiker, Fans und Film-Gewaltige jahrelang zu Füßen lagen, folgte dessen völliges Abtauchen. Bis zu diesem Mittwoch.

Ein Gerichtsurteil aus dem Ostküsten-Bundesstaat Massachusetts spült den Mann, der für seine Rolle des gestörten Familienvaters Lester Burnham in „American Beauty“ 1999 den zweiten Oscar erhielt, wieder ins Rampenlicht. Es ist de facto ein punktueller Freispruch. Und für Spacey vielleicht so etwas wie ein kleines vorgezogenes Geburtstagsgeschenk. Er wird am 26. Juli 60 Jahre alt.

18-Jähriger sei angegangen worden – Spacey beteuerte Unschuld

Rückblick: Es war schwer, sich der Wirkung des Auftritts von Heather Unruh zu entziehen. Die ehemalige TV-Moderatorin aus Boston schilderte im November 2017 öffentlich unter Tränen, wie Kevin Spacey ihren 18-jährigen Sohn ein Jahr zuvor in einer Bar auf der Urlaubs-Insel Nantucket zielgerichtet betrunken gemacht und ihm danach mehrfach in die Hose und an den Penis gegriffen haben soll. Als Spacey auf die Toilette gegangen sei, habe ihr Sohn das Weite gesucht. Alles erfunden, sagt Spacey bis heute und beteuerte seine Unschuld.

US-Schauspieler Kevin Spacey wurde wegen der Missbrauchsvorwürfe von Netflix aus „House of Cards“ geworfen.
US-Schauspieler Kevin Spacey wurde wegen der Missbrauchsvorwürfe von Netflix aus „House of Cards“ geworfen. © dpa | Jordan Strauss

Im Prozess wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung sollte der Geschädigte ein Mobil-Telefon vorlegen. Darauf waren SMS-Nachrichten, die er in dieser Nacht einer Freundin geschickt haben will. Doch dieses Telefon - und damit auch das eventuell zentrale Beweismittel - ist verschwunden. Der Anwalt des mutmaßlichen Opfers gab zuletzt an, man könne das Handy partout nicht finden. Unruhs Sohn wollte sich im Prozess zu den Details nicht äußern, hatte aber bereits eine begleitende Zivilklage gegen Spacey zurückgezogen. Begründung seines Verteidigers: „Emotionale Achterbahnfahrt.“

Nachrichten fehlten: Ohne Handy keine Beweisaufnahme

Spaceys Anwälte wiederum zementierten den Eindruck, besagte Handy-Nachrichten seien gelöscht worden, weil sie für ihren Mandanten entlastende Wirkung gehabt hätten. Ohne Handy keine Beweisaufnahme: Ergebnis: Die Staatsanwaltschaft ließ die Klage gegen Spacey „aufgrund einer Unverfügbarkeit des beschuldigenden Zeugen“ fallen. Richter Thomas Barrett legte das Verfahren zu den Akten.

Ganze Reihe weiterer Anschuldigungen

Aus dem Schneider ist Spacey damit nicht. Es gibt fast 30 Vorwürfe dieser Art gegen den Künstler, der sich erst in der Frühphase des Skandals als homosexuell outete. Allein während seiner Zeit als künstlerischer Direktor des berühmten Londoner Old Vic Theatre von 2004 bis 2015 soll der Shakespeare-Experte, der einen herausragenden „Richard III.“ gibt, 20 Männer belästigt haben. Weiter im Raum steht die Anschuldigung seines Schauspielkollegen Anthony Rapp. Er will 1986 im Alter von 14 von Spacey missbraucht worden sein, der damals 26 war und sich an nichts erinnern kann.

Keiner dieser Fälle, von denen etliche laut Juristen als verjährt gelten, ist bisher gerichtsreif geworden. Bleibt es dabei, stellt sich früher oder später die Frage, ob die Film-Industrie den Bann gegen Spacey aufhebt. In einem Aufsehen erregenden Video hatte Spacey im Dezember 2018 ganz in diabolischer Frank-Underwood-Manier die Missbrauchsvorwürfe weggeschoben („Ohne Beweise würdet ihr das Schlimmste nicht annehmen, oder?“) und seinen Fans zwischen den Zeilen ein Comeback angekündigt. „Ihr vermisst mich.“

Kevin Spacey – die Vorwürfe und das Ende seiner Karriere

In der ersten Anhörung im Januar war noch beschlossen worden, dass sich Kevin Spacey seinem angeblichen Opfer nicht mehr nähern dürfe. Als bekannt wurde, dass der Schauspieler vor Gericht kommt, postete Spacey ein bizarres Video und ließ wissen, dass er bei der Anhörung nicht vor Gericht erscheinen werde – was er später aber dennoch tat.

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Der zweifache Oscar-Preisträger steht seither vor den Scherben seiner Karriere. Der Streaming-Dienst Netflix kündigte im Zuge der Enthüllungen die Zusammenarbeit mit dem Star der Serie „House of Cards“ auf, in der es um Intrigen und das politische Washington geht. Die finale Staffel „House of Cards“ startete im November ohne Kevin Spacey.

Die Anschuldigungen gegen Spacey waren 2017 kurz nach den Missbrauchsvorwürfen gegen Filmmogul Harvey Weinstein bekanntgeworden. Mehrere solcher Fälle in der Unterhaltungsbranche lösten unter dem Stichwort #MeToo eine breite gesellschaftliche Debatte über Belästigung und Missbrauch aus. Ein Jahr „MeToo“: Diese Folgen hatte die Bewegung weltweit.

(dpa/cho)