Berlin. Angesprochen darauf, ob Andrea Nahles noch die Richtige für den SPD-Fraktionsvorsitz sei, gab sich Kühnert bei Maischberger ignorant.

Da sind sie, die zwei großen Verlierer: Die CDU, die mit den Folgen eines Youtube-Videos und einer Vorsitzenden kämpft, die sich um Kopf und Kragen redet. Und die SPD, die sich entgegen der viel beschworenen Ankündigungen entschlossen hat, doch wieder Personaldebatten zu führen. Die Ergebnisse der Europawahl haben in den vergangenen Tagen für mehr Aufregung gesorgt, als den beiden Parteien lieb gewesen sein dürfte.

Für Sandra Maischberger war das schlechte Abschneiden der CDU und der SPD am Mittwochabend der Grund, in ihrer Sendung zu fragen: Haben sich die Volksparteien überlebt? Mit dabei: Zwei Journalisten (ARD- Hauptstadtkorrespondentin Marion von Haaren und „Welt“-Journalist Robin Alexander), zwei Vertreter der sogenannten Volksparteien (Juso-Chef Kevin Kühnert und Sachsens-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff) sowie ein Neuling auf der politischen Bühne: Nico Semsrott. Ein schlaksiger Mann mit schwarzer Kapuze, der als Kabarettist in der „Heute“-Show im ZDF auftritt und nun für die Die Partei im europäischen Parlament sitzt.

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Auf Semsrott hatte es Maischberger abgesehen

Ein Satiriker, der Politik machen soll oder will – soll man ihn erst nehmen? Will er überhaupt ernst genommen werden? Sowohl Moderatorin Sandra Maischberger als auch den anderen Talk-Gästen fiel es sichtlich schwer, den richtigen Umgang mit Nico Semsrott zu finden: Was will so einer eigentlich in der Politik? „Ich als progressiver Mensch will Aufmerksamkeit schaffen, mit Witzen für Politik interessieren, für Debatten sorgen“, gab Semsrott zu verstehen.

Auf Semsrott hatte Moderatorin Maischberger es besonders abgesehen. Tatsächlich wirkte es, als sei es ihr Ziel, Semsrott enttarnen zu wollen. Ob er einen Regierungsanspruch habe? Nein. Auch keine Lösungen? Nein. „Wir sind eine Protestpartei.“ Ein bisschen zu ernst ging Maischberger dieses Gespräch an. Dass Nico Semsrott und seine Partei – eine Satirepartei wohlgemerkt – nicht eines Tages eine Regierung stellen wollen, dürfte allen klar sein. Nichtsdestotrotz sollte es aber legitim sein, darüber nachzudenken, ob ein offensichtlicher Spaßmacher von der EU für seine „Arbeit“ bezahlt werden sollte.

Auch an Rezo kamen Gäste nicht vorbei

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff begrüßte – was eher überraschte -, dass es Leute wie Semsrott nun in der Politik gebe. Es sei richtig, dass die politische Arbeit hinterfragt werde. Und dann müsse man überlegen, was man besser machen könne. „Beraten Sie Kramp-Karrenbauer“, hieß es dazu prompt von Semsrott.

Natürlich war da noch das Video des Youtubers Rezo, an dem die Talkgäste nicht vorbeikamen. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte jüngst erklärt, über Regeln zur „Meinungsmache“ im Internet diskutieren zu wollen, wofür es viel Kritik gab. CDU-Politiker Reiner Haseloff betonte, via WhatsApp von seinem Enkel über das Video informiert worden zu sein. Kramp-Karrenbauer verteidigte er immer wieder. Sie stehe für die uneingeschränkte Meinungsfreiheit. Es sei falsch, jetzt ein Feindbild zu kreieren. „Das muss abgehakt sein.“

Juso-Chef Kevin Kühnert kritisierte hingegen: „Sie hat nicht die Größe einzugestehen, dass sie Blödsinn erzählt.“ Kramp-Karrenbauer habe davon gesprochen, dass Regeln im Analogen auch fürs Digitale gelten müssten. „Welche Regeln denn?“, fragte Kühnert. Kramp-Karrenbauer könne dazu keine Antwort geben, weil es schlicht keine gebe.

An Kühnert richtete Sandra Maischberger zudem die Frage, ob Andrea Nahles noch die Richtige für den SPD-Fraktionsvorsitz sei. Am Montag hatte sie angekündigt, in der nächsten Woche Neuwahlen abhalten zu wollen. Um SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles gab es in den vergangenen Tagen verschiedenste Putschgeflüster.

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Kevin Kühnert über Nahles-Debatte: „Interessiert mich einen Scheiß“

„Interessiert mich einen Scheiß“, sagte Kevin Kühnert dazu tatsächlich und meinte die ewigen Personaldebatten. Entscheidend, so Kühnert, sei die Strategie und der Kurs der SPD. Erst kürzlich, hatte Kühnert die Kommunikation der SPD kritisiert.

Dass Kühnert, der einst entschieden gegen eine große Koalition war, nun nicht schreit „Weg mit Nahles!“, hatte für „Welt“-Journalist Robin Alexander einen einfachen Grund: Kühnert wolle sie und die gesamte Koalition im Dezember stürzen (also nach der angekündigten Halbzeitbilanz der SPD zur Groko). Ein Sturz von Andrea Nahles heute käme – so der Journalist – zu früh für Kühnert.

Ganz am Ende kam Maischberger noch einmal auf ihre Ausgangsfrage zurück: Haben sich die Volksparteien überlebt? Reiner Haseloff (CDU) zeigte sich überzeugt: „Die Volksparteien werden überleben.“ Satiriker Semsrott nutzte die Aussage als Vorlage: „Bei der Klimapolitik wird niemand überleben.“

Doch Sachsen-Anhalts Haseloff war mit seiner Kampfansage noch nicht fertig: „Wir sind lernfähig. Wir werden junge Leute wieder zu uns bringen.“ Ein besonderer Moment der Talkshow. Nicht nur, dass Kevin Kühnert ungläubig schmunzelte. Selbst Nico Semsrott, der nicht dafür bekannt ist, besonders fröhlich zu schauen, konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.