Washington. Am Samstag zeigt ProSieben die Doku „Leaving Neverland“ über Michael Jackson. Was Zuschauer vom umstrittenen Film erwarten können.

War Michael Jackson ein pädophiles Monster, das seinen Status als Megastar schamlos ausgenutzt hat, um sich jahrelang kleine Jungs unter den Augen ihrer Mütter erst emotional und dann sexuell gefügig zu machen? Oder war der „King of Pop“ ein auch noch zehn Jahre nach Tod unschuldig verfolgter Jahrhundertkünstler, dem böse Neider posthum übel mitspielen? Die vierstündige Film-Dokumentation „Leaving Neverland“ zwingt Fans wie Feinde von Michael Jackson zu einer Standortbestimmung – gerade weil sie das Gegenteil von laut und reißerisch ist.

Die Doku sucht eine Antwort auf die Frage: Kann man Werk und Künstler jetzt noch trennen? Kann man ohne Arg den „Man in the Mirror“ und andere Lieder anhören, ohne dass hässlichen Konturen des Ausbeuters zu sehen? Dabei werden große Emotionen freigesetzt. Nach der Premiere beim Sundance-Filmfestival in Utah und der Erstausstrahlung im US-Sender HBO Anfang März kam „Leaving Neverland“ am Samstag, 6. April, auf ProSieben erstmals nach Deutschland.

Mit Zeitverzögerung wiederholte sich hierzulande, was den öffentlichen Diskurs über einen der wirkungsmächtigsten Künstler des 20. Jahrhundert bereits seit Jahresbeginn in den USA prägt: ein Krieg um das Erbe von „Jacko“.

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Fans von Michael Jackson wettern nach „Leaving Neverland“ gegen Wade Robson und James Safechuck

Aufmarschgebiete der Auseinandersetzung sind die sozialen Netzwerke. Im Stile menschlicher Lügendetektoren listen dort „Jacksonianer“ auf eigens geschalten Internetseiten wie themichaeljacksonallegations.com oder leavingneverlandfacts.com täglich Gründe auf, warum den von Regisseur Dan Reed einvernommenen mutmaßlichen Opfern Wade Robson (36) und James Safechuck (41) kein Glauben geschenkt werden dürfe. Und dass sie es ohnehin nur auf Geld abgesehen hätten.

Geld, von dem Dan Reed beteuert, dass es keinerlei Rolle spielte bei der Lebensbeichte zweier Männer, die unter Qualen und nach Worten ringend vor der Kamera Episoden wie diese berichten: Robson war sieben Jahre alt, als er sich nackt auf allen vieren auf Jacksons Bett räkelte, vor ihm eine Pappfigur von Peter Pan, hinter ihm, masturbierend, der King of Pop.

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Safechuck war zehn, als Jackson ihm bei einer geheimen Hochzeitszeremonie ewige Liebe schwor und einen Diamantring schenkte. Als Safechuck das Schmuckstück im Film mit zitternden Fingern aus einer Schatulle hervorholt, spürt man als Zuschauer Schweiß in den Innenhandflächen. Der Ring passt nur auf einen Kinderfinger. Kann das alles Lug und Trug sein? Die Gegner des Films sehen das Erbe eines mit der popkulturellen DNA einer ganzen Generation eng verbundenen Ausnahme-Sängers zu Schanden geritten. Sie sind sich sicher, dass Jackson niemals zu sexuellen Handlungen mit Kindern in der Lage gewesen sei.

Die Neverland-Ranch des verstorbenen Musikers Michael Jackson.
Die Neverland-Ranch des verstorbenen Musikers Michael Jackson. © dpa | Armando Aroriyo

Fluchtpunkt bei allen Kritiken: Die Missbrauchsvorwürfe können nur ein Attentat auf das Denkmal Michael Jackson sein.

Dabei geht unter, warum der als hochseriös und penibel geltende britische Regisseur Dan Reed auf einen Dementi-Auftritt des Jackson-Klans verzichtet hat: „Niemand von ihnen war dabei, als ihr Bruder auf der Neverland-Ranch die Türen schloss. Niemand von ihnen kann wissen, was Wade Robson und James Safechuck widerfahren ist“, so Reed.

Dabei hatte die Jackson-Familie schon vor der Premiere auf HBO von „öffentlichem Lynchen“ gesprochen und 100 Millionen Dollar Schadenersatz einklagen wollen.

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Michael Jackson stand mehrfach unter Pädophilie-Verdacht

Auf der Gegenseite melden sich Menschen zu Wort, die nicht vergessen wollen, dass Michael Jackson bereits 1993 und 2005 massiv unter Pädophilie-Verdacht geraten war, ohne strafrechtlich dingfest gemacht worden zu sein. In Fall Jordan Chandler kaufte sich der seiner eigenen Kindheit durch die drakonische Strenge seines Vaters Joseph beraubte Ausnahme-Tänzer mit 23 Millionen Dollar zivilrechtlich frei. Im Fall um Gavin Arvizo wurde Jackson nach heftigem Justiz-Streit freigesprochen, obwohl das Hauspersonal seiner Neverland-Ranch eindeutig belastende Beobachtungen zu Protokoll gegeben hatte.

Und obwohl schon in Martin Bashirs Filmdokumentation „Living with Michael Jackson“ 2003 mehrfach erwähnt wurde, dass Michael Jackson regelmäßig mit Arvizo und anderen Kindern übernachtet hatte. Vom wem? Von Jackson persönlich. Zu den Entlastungszeugen im Arvizo-Prozess, die unter Eid jede Missbrauchs-Anschuldigung gegen Jackson in Abrede stellten, waren Robson und Safechuck. Ein Faktum, das für „Jacksonianer“ die „Smoking Gun“ ist; der Beweis dafür, dass beide heute lügen müssen.

Das war das Leben des „King of Pop“

Weltstar, Ausnahmekünstler, Idol: Michael Jackson wurde von seinen Fans als „King of Pop“ gefeiert. Wir blicken zurück auf sein Leben.
Weltstar, Ausnahmekünstler, Idol: Michael Jackson wurde von seinen Fans als „King of Pop“ gefeiert. Wir blicken zurück auf sein Leben. © imago | zumapress
Michael Jackson wurde am 29. August 1958 als siebter von neun Brüdern und Schwestern Gary im US-Bundesstaat Indiana geboren.
Michael Jackson wurde am 29. August 1958 als siebter von neun Brüdern und Schwestern Gary im US-Bundesstaat Indiana geboren. © picture alliance / ASSOCIATED PR | dpa Picture-Alliance /
Bereits als Knirps wurde er der Leadsänger der Jackson 5. Dieses Foto vom 6. Juni 1971 zeigt Michael (M) mit seinen Brüdern Tito und Jermaine.
Bereits als Knirps wurde er der Leadsänger der Jackson 5. Dieses Foto vom 6. Juni 1971 zeigt Michael (M) mit seinen Brüdern Tito und Jermaine. © imago stock&people | LFI
The Jackson Five 1976.
The Jackson Five 1976. © imago | Cinema Publishers Collection
Dieses Foto zeigt ihn mit seiner Schwester Janet.
Dieses Foto zeigt ihn mit seiner Schwester Janet. © imago | zumapress
Das Kinderidol machte seine gesamte Familie zu Stars.
Das Kinderidol machte seine gesamte Familie zu Stars. © imago/LFI | imago stock&people
Später lamentierte der Musiker in TV-Interviews über seine „verlorene Kindheit“.
Später lamentierte der Musiker in TV-Interviews über seine „verlorene Kindheit“. © ZDF | LFI
Unter Tränen sagte er einmal: „Ich wollte immer nur ein ganz normaler kleiner Junge sein. Aber das Schicksal hat es anders gewollt.“
Unter Tränen sagte er einmal: „Ich wollte immer nur ein ganz normaler kleiner Junge sein. Aber das Schicksal hat es anders gewollt.“ © imago stock&people | imago stock&people
Sein Vater, so Jackson (2.v.l.), „hat mir nie gesagt, dass er mich liebt“.
Sein Vater, so Jackson (2.v.l.), „hat mir nie gesagt, dass er mich liebt“. © imago/ZUMA Press | ZUMA PRESS
Patriarch Joseph Jackson, der seine Kinder einem harten Drill unterzog, war im Juni 2018 im Alter von 89 Jahren gestorben. Diese Aufnahme zeigt ihn gemeinsam mit seinen Eltern bei den Golden Globes 1973.
Patriarch Joseph Jackson, der seine Kinder einem harten Drill unterzog, war im Juni 2018 im Alter von 89 Jahren gestorben. Diese Aufnahme zeigt ihn gemeinsam mit seinen Eltern bei den Golden Globes 1973. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
1993 erzählte er im Interview mit Oprah Winfrey von Gewalt in der Familie.
1993 erzählte er im Interview mit Oprah Winfrey von Gewalt in der Familie. © Reuters | REUTERS / STR New
Michael Jackson flüchtete sich in die Musik. Seine Superhits wie „Thriller“, „Off the Wall“, „Billie Jean“, „Beat It“, „Bad“, „Dangerous“, „History“ stürmten über Jahre hinweg die Charts.
Michael Jackson flüchtete sich in die Musik. Seine Superhits wie „Thriller“, „Off the Wall“, „Billie Jean“, „Beat It“, „Bad“, „Dangerous“, „History“ stürmten über Jahre hinweg die Charts. © imago | teutopress
Mit „Thriller“ brachte er 1982 das erfolgreichste Album aller Zeiten heraus, es wurde weltweit über 100 Millionen Mal verkauft.
Mit „Thriller“ brachte er 1982 das erfolgreichste Album aller Zeiten heraus, es wurde weltweit über 100 Millionen Mal verkauft. © imago | ZUMA PRESS
Den Titel „King of Pop“ hatte sich Jackson selbst verliehen. Seine Moonwalk-Tanzschritte, Songs, Videos und die Bühnenspektakel stellten die Pop-Welt in den frühen 80er Jahren auf den Kopf.
Den Titel „King of Pop“ hatte sich Jackson selbst verliehen. Seine Moonwalk-Tanzschritte, Songs, Videos und die Bühnenspektakel stellten die Pop-Welt in den frühen 80er Jahren auf den Kopf. © imago | i Images
Hier zeigt Jackson eine halsbrecherische Show bei „Wetten, dass..?
Hier zeigt Jackson eine halsbrecherische Show bei „Wetten, dass..?" in der Duisburger Rhein-Ruhr-Halle. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Achim Scheidemann
Später bekam das Image des Mega-Stars Kratzer. Viel wurde über sein Privatleben spekuliert. Diese Aufnahme zeigt Michael während eines Konzerts seiner HIStory World Tour im November 1996 in Auckland (Neuseeland).
Später bekam das Image des Mega-Stars Kratzer. Viel wurde über sein Privatleben spekuliert. Diese Aufnahme zeigt Michael während eines Konzerts seiner HIStory World Tour im November 1996 in Auckland (Neuseeland). © Getty Images | Phil Walter
1994 heiratete der Sänger Lisa Marie Presley, die Tochter von Elvis Presley. Die Ehe hielt zwei Jahre.
1994 heiratete der Sänger Lisa Marie Presley, die Tochter von Elvis Presley. Die Ehe hielt zwei Jahre. © imago | zumapress
Später folgte eine Heirat mit der Krankenschwester Debbie Rowe, der Mutter seiner beiden älteren Kinder Paris und Prince II.
Später folgte eine Heirat mit der Krankenschwester Debbie Rowe, der Mutter seiner beiden älteren Kinder Paris und Prince II. © imago | ZUMA PRESS
In Erinnerung bleibt auch der bizarre Auftritt 2002 in Berlin. Der damals 44-Jährige zeigte sich den wartenden Fans am Fenster seiner Suite im fünften Stock des Adlon-Hotels in Berlin  – und hielt seinen neun Monate alten Sohn Prince Michael II. über die Balkonbrüstung.
In Erinnerung bleibt auch der bizarre Auftritt 2002 in Berlin. Der damals 44-Jährige zeigte sich den wartenden Fans am Fenster seiner Suite im fünften Stock des Adlon-Hotels in Berlin – und hielt seinen neun Monate alten Sohn Prince Michael II. über die Balkonbrüstung. © Getty Images | Olaf Selchow
Statt Musik produzierte „Whacko Jacko“ (verrückter Jacko) auch Schlagzeilen, die mit seinem Aussehen zu tun hatten. Die ihm nachgesagten Schönheits-Operationen ließen ihn wie ein Kunstprodukt aussehen.
Statt Musik produzierte „Whacko Jacko“ (verrückter Jacko) auch Schlagzeilen, die mit seinem Aussehen zu tun hatten. Die ihm nachgesagten Schönheits-Operationen ließen ihn wie ein Kunstprodukt aussehen. © Getty Images | Getty Images
Seine Neverland Ranch war für Michael Jackson immer ein Zufluchtsort. Der Schimpanse Bubbles immer dabei. Auf dem riesigen Anwesen hatte er sich einen Tummelplatz für Kinder geschaffen – und möglicherweise passierte dort auch mehr.
Seine Neverland Ranch war für Michael Jackson immer ein Zufluchtsort. Der Schimpanse Bubbles immer dabei. Auf dem riesigen Anwesen hatte er sich einen Tummelplatz für Kinder geschaffen – und möglicherweise passierte dort auch mehr. © imago | Cinema Publishers Collection/The Hollywood Archive
1993 behauptete ein 13- jähriger Junge, im Jackson-Schlafzimmer Opfer sexueller Annäherungen geworden zu sein. Der Star bestritt das konsequent, einigte sich aber schließlich mit der Familie des Jungen auf eine Abfindung in Millionenhöhe. Ähnliche Beschuldigungen eines Teenagers führten 2005 zu einem „Jahrhundertprozess“, der mit einem Freispruch endete.
1993 behauptete ein 13- jähriger Junge, im Jackson-Schlafzimmer Opfer sexueller Annäherungen geworden zu sein. Der Star bestritt das konsequent, einigte sich aber schließlich mit der Familie des Jungen auf eine Abfindung in Millionenhöhe. Ähnliche Beschuldigungen eines Teenagers führten 2005 zu einem „Jahrhundertprozess“, der mit einem Freispruch endete. © imago | zumapress
Michael und seine mütterliche Freundin: Schauspielerin Liz Taylor.
Michael und seine mütterliche Freundin: Schauspielerin Liz Taylor. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Im Juni 2009 starb Michael Jackson im Alter von 50 Jahren an einem tödlichen Mix von Medikamenten. Mitte Juli hätte eigentlich seine Comeback-Tour in London beginnen sollen. Zehn Wochen nach seinem Tod wurde Jackson in einem Mausoleum auf dem Forest Lawn Friedhof in Glendale nahe Los Angeles bestattet.
Im Juni 2009 starb Michael Jackson im Alter von 50 Jahren an einem tödlichen Mix von Medikamenten. Mitte Juli hätte eigentlich seine Comeback-Tour in London beginnen sollen. Zehn Wochen nach seinem Tod wurde Jackson in einem Mausoleum auf dem Forest Lawn Friedhof in Glendale nahe Los Angeles bestattet. © dpa | Branimir Kvartuc
Seinen Erben bringt der „King of Pop“ weiter Millionen ein. Seit fünf Jahren führt er die Liste der bestverdienenden toten Stars an. Nach Schätzungen des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ im Jahr 2017 waren es mit Plattenverkäufen, Einnahmen aus dem Musikrechte-Katalog und aus Shows über Jackson etwa 75 Millionen Dollar.
Seinen Erben bringt der „King of Pop“ weiter Millionen ein. Seit fünf Jahren führt er die Liste der bestverdienenden toten Stars an. Nach Schätzungen des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ im Jahr 2017 waren es mit Plattenverkäufen, Einnahmen aus dem Musikrechte-Katalog und aus Shows über Jackson etwa 75 Millionen Dollar. © dpa | Gabriel Bouys
2010 wurde Jackson posthum mit einem Grammy für sein Lebenswerk geehrt, zu Lebzeiten erhielt er 13 der begehrten Musik-Trophäen.
2010 wurde Jackson posthum mit einem Grammy für sein Lebenswerk geehrt, zu Lebzeiten erhielt er 13 der begehrten Musik-Trophäen. © imago | teutopress
Am 29. August 2018 wäre Michael Jackson 60 Jahre alt geworden.
Am 29. August 2018 wäre Michael Jackson 60 Jahre alt geworden. © dpa | Jan Nienheysen
Der Kult um ihn geht weiter.
Der Kult um ihn geht weiter. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
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Dass Robson und Safechuck erst viele Jahre später den an ihnen begangenen Missbrauch als solchen identifiziert haben wollen, ist nach Erkenntnissen von Psychologen und Kriminalisten allerdings kein zwingender Beleg für ihre Unglaubwürdigkeit. Sondern fast ein vertrautes Opfer-Muster, das der Betrachter nach „Leaving Neverland“ umso plausibler finden könnte.

Zu diesem Schluss kommt nicht irgendwer, sondern Amerikas Talkshow-Hohepriesterin Oprah Winfrey. In einer hoch emotionalen „Therapie“-Sitzung im Fernsehen direkt im Anschluss an die TV-Premiere arbeitete die ehemalige Jackson-Vertraute mit den erkennbar psychisch geschädigten Haupt-Akteuren des Films den Dreiklang heraus, der den Ausschlag gegeben haben könnte.

Wie Michael Jackson angeblich eine Bindung zu den Kindern und Eltern aufbaute

Das Schlüsselwort heißt „Grooming“. Zu deutsch: pflegen, heranziehen, präparieren. Nach dieser Lesart, die im Film quälend detailreich zum Tragen kommt, baute Jackson über Jahre systematisch eine emotionale Abhängigkeit nicht nur zu den Jungen auf, denen er materiell jeden Wunsch von den Lippen ablas.

Michael Jackson nach einem Gerichtstermin im Jahr 2005.
Michael Jackson nach einem Gerichtstermin im Jahr 2005. © dpa | Aaron Lambert

Auch die Eltern, vor allem die mitreisenden Mütter, wurden mit Zuneigung und Aufmerksamkeit überschüttet. So sehr, dass beide Michael Jackson wie einen zweiten Sohn betrachteten. Und auch so behandelten. In dem so entstandenen Vertrauensverhältnis schöpften sie nach eigenen Worten niemals Verdacht, wenn ihre Sprösslinge wie selbstverständlich auf der Neverland-Ranch oder bei Konzert-Tourneen in Nobel-Hotels im Bett des Kinderfreunds übernachteten. Wie luxuriös das Leben des „King of Pop“ war, zeigen elf besondere Momente im Leben von Michael Jackson. Auch eine Vox-Doku hatte im vergangenen Jahr seltene Archivbilder von Michael Jackson gezeigt, die dessen Leben dokumentieren sollten.

Was laut Robson und Safechuck bei Treffen mit Michael Jackson geschah, blieb über Jahrzehnte unentdeckt. Weil die Knaben lange Zeit keinen Referenz-Rahmen besaßen, als Jackson ihnen erzählte, ihre auch körperliche Liebe sei von Gott gewollt, blieben sie stumm. Den Rest besorgte die Androhung von Unannehmlichkeiten, die Jackson ihnen regelmäßig eingetrichtert habe: Erzählt niemandem davon – sonst enden wir alle im Gefängnis.

Mutmaßliche Opfer fühlen sich weiter Michael Jackson verbunden

Wie akribisch Michael Jackson die Verheimlichung betrieben haben soll, schilderte Wade Robson anhand des letzten sexuellen Kontakts, den er mit dem nur 50 Jahre alt gewordenen Künstler gehabt haben will: Nach gescheitertem Analverkehr sollte Robson auf Anweisung Jacksons seine mit Blutflecken verschmierte Unterhose verschwinden lassen.

Robson wie Safechuck hielten auch dann noch hundertprozentig zu ihrem „Gott“, als sie ins Teenager-Alter kamen und zugunsten jüngerer Bettgenossen aussortiert wurden. Später, als Erwachsene, belogen sie ihre Therapeuten, um „ihren Helden“ zu schützen, mit dem sie sich identifizierten. Oprah Winfrey, die Dutzende Sendungen über sexuellen Missbrauch moderiert hat und selbst als junge Frau Opfer wurde, ließ viel Verständnis dafür durchscheinen. Dass sich die Betroffenen „als kleine Jungen nicht missbraucht fühlten, das kam erst viel später“. Und mit dem Begreifen der Situation sei der Selbsthass gekommen.

Weder im Film noch danach haben Wade Robson und James Safechuck ihr Idol in Bausch und Bogen verdammt. Im Gegenteil. Safechuck empfindet noch heute Liebe für den King of Pop. Und Schuld bei sich. Die Schuld, Michael Jackson hängengelassen zu haben.

• Sendetermin: ProSieben zeigt Michael-Jackson-Doku „Leaving Neverland“