Berlin . Sie entlockte den Stars Geheimnisse, verdiente Milliarden und gilt als moralische Instanz: US-Talkshow-Königin Oprah Winfrey wird 65.
Ja, schon klar, sie hat es dementiert. Oprah Winfrey will 2020 nicht für das Präsidentenamt kandidieren, obwohl es sich die meisten ihrer 42 Millionen Follower auf Twitter sehnlichst wünschen. Aber vielleicht überlegt es sich die Talkshow-Queen ja noch mal.
Denn wie keine andere steht die Milliardärin für das gute Gewissen der USA. Dafür, dass Herz, Verstand und Erfolg miteinander vereinbar sind. Und für den amerikanischen Traum, es selbst aus kleinsten Verhältnissen ganz nach oben schaffen zu können. Am heutigen Dienstag wird Oprah Winfrey 65 Jahre alt.
Vorbild für Millionen Amerikaner
„Denke wie eine Königin. Eine Königin hat keine Angst, zu scheitern. Scheitern ist ein weiteres Sprungbrett zur Größe.“ Für manch einen klingen solche Zitate wie aus dem Satzbaukasten eines Motivationstrainers. Winfreys Fans aber machen sie sich zum Mantra.
Durch ihren beeindruckenden, eigentlich unmöglich erscheinenden Lebenslauf wurde Winfrey zum Vorbild für Millionen, allen voran für Afroamerikaner. „Oprah ist der Grund, warum ich mich selbst so liebe“, schrieb jemand ins Gästebuch des Museum of African American History in Chicago, das ihr derzeit eine Ausstellung widmet. Gleichzeitig schaffte sie es, eine Art Übermutter und moralische Instanz für alle Amerikaner zu werden.
Schwarze Promis schreiben US-Geschichte
Sie gestattete sich kein Selbstmitleid
Winfreys Voraussetzungen für eine solche Karriere waren denkbar ungünstig. Sie wuchs in Mississippi als Tochter einer minderjährigen Mutter auf, wurde als Kind vergewaltigt, nahm Drogen, erlebte immer wieder Gewalt. Darüber hat sie mehrmals gesprochen.
Selbstmitleid gestattete sie sich nie. „Exzellenz ist die beste Waffe gegen Vorurteile und Sexismus“, sagte sie stattdessen. Und Winfrey bewies ihre exzellenten Fähigkeiten. Von der lokalen Nachrichtensprecherin ackerte sie sich hoch zur Frühstücksfernsehmoderatorin in Chicago. 1986 erhielt sie ihre eigene Talkshow – und wurde zur Legende.
Bei Oprah plauderten die Stars aus dem Nähkästchen
Bei ihr kamen Hollywoodstars nicht damit durch, nur über das großartige Team ihres letzten Films zu plappern. Sie sollten sich öffnen, und sie taten es. Michael Jackson packte bei ihr 1993 über seine schwere Kindheit aus. Ellen DeGeneres, damals Sitcom-Star und heute selbst gefeierte Talkmasterin, erzählte 1997, dass sie lesbisch sei.
Tom Cruise hüpfte 2005 wie von Sinnen auf ihrem Sofa herum, weil er damals so verliebt war in Katie Holmes. Michael Douglas sprach 2011 mit ihr über seine Krebserkrankung und die Depression seiner Frau. Auch Barack und Michelle Obama teilten 2007 ihre Sorgen mit ihr und der Nation. Für alle hatte Winfrey Rat, Mitgefühl, wenn nötig Trost. Tränen bei Gästen, Gastgeberin und Zuschauern gehörten zu einer gelungenen Sendung.
Ein Vermögen von umgerechnet 2,4 Milliarden Euro
Aber Winfrey war niemals das glamouröse Sprachrohr für Hollywoodstars und Politprominenz. Ihr Fokus galt den Schicksalen ganz normaler Menschen. Unvergessen, wie sie 2004 allen 276 Zuschauern im Studio ein Auto schenkte.
Auch nach dem Ende ihrer Show 2011 bleibt Winfrey in den USA allgegenwärtig, allein schon durch ihren eigenen Kabelsender. Auf umgerechnet 2,4 Milliarden Euro wird ihr Vermögen geschätzt; nachweislich Summen im dreistelligen Millionenbereich fließen in ihre eigenen Wohltätigkeitsstiftungen.
Ein Forum für Scharlatane
Verstärkt tritt sie als Schauspielerin in Erscheinung. Schon 1985 war sie in Steven Spielbergs Meisterwerk „Die Farbe Lila“ zu sehen, zuletzt spielte sie überzeugend eine Hexe in dem Kinderfilm „Das Zeiträtsel“.
Manchmal verquickt sie ihre Inhalte mit Werbung, die Grenzen sind nicht immer scharf gezogen. Wenn sie wieder einmal abnimmt, ist das den Magazinen Titelseiten wert – Winfrey ist aber auch Anteilseignerin eines populären Diätprogramms. In ihrer Literatur-Sendung gab sie Scharlatanen und seltsamen spirituellen Lehren ein Forum.
Eigene Kinder? „Sie würden mich hassen“
Mit den meisten Politikern geht sie auf Kuschelkurs – Winfrey unterstützt die Demokratische Partei. Mutig fanden die einen, dass sie Frauenfeindlichkeit in Rap-Texten anprangerte. In der afroamerikanischen Gemeinschaft sprachen dagegen manche von Verrat.
Beruflich liebt sie den Wirbel, privat geht es ruhig zu bei ihr. Seit 1986 ist Winfrey mit dem Geschäftsmann Stedman Graham (67) liiert. Trauschein? Brauchen sie nicht. Sie vereine ein „spirituelles Band“. Auf Kinder hat sie aus Zeitgründen verzichtet. „Sie würden mich hassen“, sagte sie einmal. „Sie würden in einer Talkshow sitzen und über mich herziehen.“