Essen. Die Vox-Doku „Mein Freund Michael“ zeigt Michael Jacksons private Seiten. Am Ende erscheint der „King of Pop“ rätselhafter als zuvor.

Man möchte ihn augenblicklich nach Hause schicken und ihm vielleicht noch eine Tasse Kakao warm machen: Michael Jackson wirkt zerbrechlich, überfordert und verstört, als er 2002 vor der Bambi-Verleihung dem Verleger Hubert Burda vorgestellt wird.

In einer Art Übersprunghandlung fängt er an, Fussel vom Smoking seines Gastgebers zu entfernen. Wie, fragt man sich, steht dieser fahrige und nervöse Mann Auftritte vor Zehntausenden durch, bei denen er minutiös funktionieren muss?

Die Vox-Doku „Mein Freund Michael“ macht es sich zur Aufgabe, den Menschen abseits der umjubelten Bühnenfigur zu beleuchten. Antworten auf die offenen Fragen verspricht sie. Das ist ein vermessener Anspruch, dem Filmemacherin Claudia Mennes auch in ihren ausschweifenden 270 Minuten nicht gerecht werden kann.

Dabei hat sie hastig und ein wenig chaotisch ­zusammengeschnitten, was die Archive hergaben. Doch erschlagen von der Vielzahl an gezeigten Marotten und Skandalen, erscheint Michael Jackson, der am 29. August 60 Jahre alt geworden wäre, dem Zuschauer am Ende rätselhafter als je zuvor. Eine neue These liefert der Film nicht. Stattdessen wird auf eine Weise kommentiert, wie man sie aus Promi-Magazinen kennt: atemlos und mit vielen Superlativen.

Doku richtet sich ganz klar an Fans

Der titelgebende „Freund“ von Michael Jackson ist der hessische Geschäftsmann Dieter Wiesner, der eine Zeit lang als „Berater“ des Stars in Erscheinung trat. Hier darf er seine hinlänglich in der Boulevardpresse und einem Enthüllungsbuch ausgebreiteten Anekdoten wiederholen.

Er inszeniert sich als Jacksons Fels in der Brandung. „Wir konnten stundenlang reden, er wusste, da würde nichts nach außen dringen“, sagt er, um dann wieder einmal eine Anrufbeantworter-Nachricht abzuspulen, in der ein desolater Jackson ihn um Hilfe bittet. Geschwiegen wird dagegen über die juristischen Auseinandersetzungen, die Wiesner und Jackson sich einst lieferten.

Die Doku richtet sich ganz klar an Fans. Die Prozesse gegen Jackson wegen Kindesmissbrauchs werden nur am Rande erwähnt. Dabei ist seine selbstvergessen zur Schau getragene Verehrung von Kindern nur schwer erträglich.

Abgesehen davon bieten teils seltene Archivbilder tatsächlich einen Eindruck vom privaten Jackson. Es ist ergreifend zu hören, wie er Demütigungen seines Vaters schildert: „Er sagte: ,Mein Gott, ist deine Nase dick. Von mir hast du die nicht.‘“ Ein Klassiker: sein theatralischer, öffentlicher Kuss mit Kurzzeit-Ehefrau Lisa Marie Presley. Die beiden wirken dabei so überzeugend wie Vegetarier, die gezwungen werden, in eine Wurst zu beißen.

Fazit: Ein überlanger Kessel Buntes für Fans.

• Vox, Samstag, 25. August, 20.15 Uhr

Update: In einer neuen Doku geht es um Missbrauchsvorwürfe gegen Michael Jackson: „Leaving Neverland“: War Michael Jackson Monster oder Engel?