Limburg/Berlin. Die Pädophilen-Szene traf sich auf der Online-Plattform „Elysium“. Nun stehen die mutmaßlichen Betreiber der Tauschbörse vor Gericht.

Die vier Männer schirmen ihre Gesichter mit Aktenordnern ab. Die Fotografen sollen sie nicht abbilden, als sie am Donnerstag zum ersten Mal den Saal des Landgerichts Limburg betreten. Unscheinbar wirken sie, Typen zwischen 40 und 62 Jahren: einer mit Bauch und Halbglatze, einer mit dünnem Haar, der älteste mit weißem Zopf.

Tatsächlich sind sie Schwerverbrecher – so jedenfalls sieht es die Anklage. Es soll sich um die Betreiber der größten Kinderpornografie-Plattform Europas handeln, auf der Bilder und Videos schwersten sexuellen Missbrauchs verbreitet wurden. Zum Auftakt kündigen sie an, während des Verfahrens aussagen zu wollen. Ihre Verteidiger stellen „geständige oder teilgeständige Angaben“ in Aussicht, wie es im Juristenjargon heißt.

Mit Pausen braucht die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt drei Stunden, um die dicke Anklageschrift vorzulesen. Demnach waren die vier Männer aus Hessen, Baden-Württemberg und Bayern zunächst auf einer anderen Plattform aktiv und lernten sich dort kennen. Doch das im Ausland betriebene Forum flog auf. Kurz darauf, im November 2016, soll „Elysium“ quasi als Nachfolger online gegangen sein. Schon bald hatten Spezialfahnder die Plattform im Visier, das Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft schalteten sie im Juni 2017 ab – eine Volksschullehrerin aus Wien hatte im Zuge einer öffentlichen Fahndung ein Missbrauchsopfer erkannt.

Name aus der griechischen Mythologie

Die Ermittler stießen auf mehr als 111.000 Nutzerkonten weltweit. Die „Elysium“-Administratoren waren der Anklage zufolge zwei der Angeklagten, ein 58-Jähriger und ein 40-Jähriger. Der Ältere soll die Software geschrieben und eingerichtet, der Jüngere die Computeranlage in seinem Unternehmen platziert haben. Die anderen beiden sollen Chats betreut haben

Die Angeklagten im Gericht.
Die Angeklagten im Gericht. © dpa | Thomas Frey

Die Männer verfolgen die Verlesung der Anklage äußerlich reglos. Die Betreiber haben ihre Tauschbörse im Darknet – einem Teil des Internets, in dem Nutzer weitgehend anonym unterwegs sind – zynischerweise nach einem Ort der griechischen Mythologie benannt: „Elysium“, Insel der Seligen in der Unterwelt. Auf der Online-Plattform wurden Zehntausende Fotos und Videos getauscht, aufgeteilt nach den Präferenzen der Nutzer, darunter auch der sexuelle Missbrauch von Säuglingen. Die Plattform war international ausgerichtet und verfügte über Chatforen auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Manche Väter boten sogar ihre eigenen Kinder zum Missbrauch an.

Besonders erstaunlich ist für die Ermittler der massive Mitgliederzuwachs in kurzer Zeit. Dass sie in dem guten halben Jahr bis zu ihrer Abschaltung mehr als 100.000 Nutzer anzog, zeige, wie groß die Szene sei, sagt Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk. Der Zugang war vergleichsweise leicht: Bei vielen Kinderporno-Plattformen müssen die potenziellen Mitglieder für eine Anmeldung selbst Bildmaterial bereitstellen oder sogar Kinder für den Missbrauch anbieten. Bei „Elysium“ reichte der Name für die Anmeldung aus.

Betreiber kommen aus Deutschland

Der Fall liefert einen Einblick in die kriminellen Strukturen der Szene. Während in den 70er-Jahren vor allem Zeitschriften kursierten und in den 80ern Videos mit kinderpornografischem Material ausgetauscht wurden, verlagerten Pädophile ihre Machenschaften in den 90er-Jahren ins Internet. Spätestens seit der Jahrtausendwende finden einschlägige Angebote und Nachfragen nahezu vollständig im Darknet statt. Für die Ermittler war die Festnahme der mutmaßlichen „Elysium“-Führungsriege ein Erfolg, denn in vergleichbaren Fällen saßen die Betreiber im Ausland.

Ob jemals alle Opfer und Täter identifiziert werden können, ist ungewiss. Den Angeklagten drohen 15 Jahre Haft. Der Prozess soll bis mindestens November laufen.