München. Die drei Anwälte hatten mehrmals versucht, aus dem Verfahren auszusteigen. Nun fordern sie die sofortige Freilassung von Beate Zschäpe.

Die Altverteidiger der NSU-Hauptangeklagten, Beate Zschäpe, haben die sofortige Entlassung ihrer Mandantin aus der Untersuchungshaft gefordert. Zudem sei die 43-Jährige mit einer Ausnahme von den ihr vorgeworfenen Verbrechen frei zusprechen.

Seine Mandantin habe „keine Morde geplant, keine Waffen beschafft“, an den in der Anklage aufgeführten Taten nicht mitgewirkt, erklärt Rechtsanwalt Wolfgang Heer zu Beginn seines Schlussvortrages. Sie sei „nicht einmal in der Nähe eines Tatortes gewesen und habe die Taten nicht vom Küchentisch aus gesteuert“.

Beate Zschäpe steckte Wohnung des NSU-Trios in Brand

Beate Zschäpes Altverteidiger (v.l.): Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl.
Beate Zschäpes Altverteidiger (v.l.): Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl. © Getty Images | Joerg Koch

Das was der Generalbundesanwalt Beate Zschäpe in der Anklage vorwerfe, ist, den „Anschein alltäglicher Normalität erzeugt und eine geregelte Existenz vorgespielt“ zu haben, kritisiert der Verteidiger. Die Ankläger hätten sich mit dem Gedanken befassen sollen, dass seine Mandantin „Freundschaften und Bekanntschaften“ gepflegt habe, „statt krimineller Absichten“. „Allerdings im Untergrund“, räumt Wolfgang Heer ein.

Die sofortige Freilassung Beate Zschäpes begründet der Verteidiger damit, dass die ihr vorgeworfene Brandstiftung im besonders schweren Fall mit dreifach versuchtem Mord nur eine einfache Brandstiftung sei. Die mutmaßliche Rechtsterroristin hatte nach dem Tod ihrer Kumpane, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, am 4. November 2011 in Eisenach, die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand gesteckt.

Verteidiger: Zschäpe mit verbotenen Methoden befragt

Die Anklage geht davon aus, dass sie den Tod einer betagten Nachbarin und zweier Handwerker in Kauf genommen habe. Allerdings konnte die betagte Dame gerettet werden. Die Handwerker befanden sich nicht mehr im Haus, als das Versteck von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Zwickau in die Luft flog. Wolfgang Heer legt sich nicht mit einer Strafrahmenforderung für die einfache Brandstiftung fest, betont aber, dass diese die Untersuchungshaft von sechs Jahren und sieben Monaten, die seine Mandantin inzwischen hinter Gitter sitzt, nicht überschreiten könne.

Pflichtverteidiger fordern im NSU-Prozess Freilassung Zschäpes

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    Der Verteidiger wirft den Sicherheitsbehörden vor, dass seine Mandantin wiederholt „verbotenen Vernehmungsmetoden ausgesetzt“ gewesen sei. Trotz mehrfacher Erklärung Zschäpes unmittelbar nach ihrer Festnahme und auch im Verlaufe der nachfolgenden Ermittlungen hätte vor allem das Bundeskriminalamt immer wieder versucht, von der Verdächtigen Informationen zu erlangen, indem diese in Gespräche verwickelt wurde. Das aber sieht die Strafprozessordnung nicht vor, erklärt der Anwalt.

    Wann der Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht in München über den Antrag auf Freilassung von Beate Zschäpe entscheiden wird, ist derzeit noch unklar.

    Altverteidiger wollen drei Tage lang plädieren

    Wolfgang Heer steht während seiner Ausführungen an einem kleinen Pult, das er vor sich auf den Tisch gestellt hat. Langsam und akzentuiert trägt er die Vorwürfe vor und nimmt auch das Gericht nicht aus, das sich aus seiner Sicht spätestens ab dem 351. Verhandlungstag eine Meinung gebildet habe.

    Die Plädoyers der Anwälte Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer beenden die Schlussvorträge der Verteidiger. Die drei Altverteidiger der Hauptangeklagten haben angekündigt, drei Tage lang plädieren zu wollen. Die Anwälte begleiten Beate Zschäpe bereits seit den Ermittlungen in diesem Verfahren.

    Zschäpe wollte Anwälte seit Sommer 2014 loswerden

    Ihre Vertrauensanwälte, Hermann Borchert und Mathias Grasel, forderten vor Wochen in ihrem Plädoyer maximal zehn Jahre Haft, wegen besonders schwerer Brandstiftung. Mathias Grasel vertritt Zschäpe seit Juli 2015 als weiterer Pflichtverteidiger. Später ist Borchert als Wahlverteidiger noch hinzugekommen.

    Bereits im Sommer 2014 hatte Zschäpe erstmals versucht, ihre drei Altverteidiger los zu werden. Dieses Ansinnen hat der Senat aber immer wieder abgelehnt. Gescheitert sind auch mehrere Versuche der drei Anwälte, aus dem Verfahren auszusteigen.

    Erneute Niederlage für Anwalt von Ralf Wohlleben

    Zu Beginn des 428. Verhandlungstages mussten die Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben eine weitere Niederlage hinnehmen. Der Staatsschutzsenat lehnte einen Antrag ab, welchen die Anwälte in ihrem Plädoyer gestellt hatten. Sie wollten die Vernehmung von Sven R. und dessen Mutter aus dem thüringischen Rudolstadt erreichen. Angeblich hatte dieser und nicht Ralf Wohlleben im Jahr 2000 die NSU-Mordwaffe an den mutmaßlichen Rechtsterroristen übergeben.

    Mit einer ausführlichen Begründung wies das Gericht diesen Antrag zurück. Die Verteidiger würden keine Belege dafür anführen, dass Sven R. wirklich die mutmaßliche Mordwaffe, eine Pistole vom Typ „Ceska 83“ mit Schalldämpfer, überhaupt besessen habe. Aus Sicht der Richter gibt es vielmehr eine Zeugenaussage, die dagegen spricht.

    Die Verteidiger des Angeklagten Wohlleben nahmen die Ablehnung ihre Antrags zur Kenntnis, reagierten aber nicht.