München. Beate Zschäpe wird die Mittäterschaft an mehreren Morden des NSU vorgeworfen. Die Verteidigung Zschäpes argumentiert jedoch dagegen.

Die Anwälte der mutmaßlichen Rechtsterroristin

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haben im NSU-Prozess eine maximal zehnjährige Haftstrafe gefordert. Zschäpe sollte demnach nur wegen besonders schwerer Brandstiftung und Beihilfe zu mehreren Raubüberfällen verurteilt werden.

Wegen Mittäterschaft an den Morden und Anschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ solle sie jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wie ihre Anwälte Hermann Borchert und Mathias Grasel am Donnerstag vor dem Münchner Oberlandesgericht sagten.

Die Plädoyers der Verteidigung waren an den vergangenen Prozesstagen mehrmals verschoben worden. Vor allem durch Befangenheitsanträge hatten die Verteidiger so den Prozess in die Länge gezogen. Die Anträge wurden dabei teilweise ohne Begründung eingereicht.

Bundesanwaltschaft fordert lebenslange Haft

Die Bundesanwaltschaft hatte für Zschäpe dagegen

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und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Nach Überzeugung der Anklage war Zschäpe eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern der Terrorzelle NSU und sollte deshalb als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen der Gruppe bestraft werden. Dazu zählen zehn Morde, neun davon aus rassistischen Motiven, einer an einer deutschen Polizistin, sowie zwei Bombenanschläge in Köln mit Dutzenden Verletzten.

Zschäpe soll alle Taten ihrer Freude

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gewollt und unterstützt und einen Willen zur „Tatherrschaft“ gezeigt haben - auch wenn sie bei den Morden und Anschlägen nicht mit dabei war. Diese Argumentation wiesen Zschäpes Verteidiger zurück.

Verteidigung: Zschäpe war an keinem der Tatorte

Die Angeklagte Beate Zschäpe sitzt am im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München (Bayern) neben ihrem Anwalt Mathias Grasel.
Die Angeklagte Beate Zschäpe sitzt am im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München (Bayern) neben ihrem Anwalt Mathias Grasel. © dpa | Peter Kneffel

Die in mehreren höchstrichterlichen Urteilen aufgestellten Kriterien für eine Mittäterschaft seien nicht erfüllt. Zschäpe sei kein gleichberechtigtes Gruppenmitglied gewesen. Die Morde und Anschläge seien allein von Böhnhardt und Mundlos begangen worden. Zschäpe sei nachweislich an keinem der Tatorte anwesend gewesen, habe nie eine Waffe abgefeuert und sei nicht in die Tatplanungen eingebunden gewesen. Und auch dass sie Kassenwart des Trios gewesen sein und das gemeinsame Leben im Untergrund erst ermöglicht haben soll, reiche für eine Verurteilung als Mittäterin oder wegen Beihilfe nicht aus.

„Den nachvollziehbaren Wunsch, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und für ihre abscheulichen Taten zu bestrafen, rechtfertigt es nicht, meine Mandantin als einzige Überlebende des Trios für die Taten der beiden Verstorbenen verantwortlich zu machen“, sagte Grasel. „Der Rechtsstaat wird es aushalten müssen, dass es Verbrechen gibt, für die die eigentlichen Täter nicht mehr belangt werden können.“ Mundlos und Böhnhardt hatten sich nach einem misslungenen Banküberfall im November 2011 in Eisenach das Leben genommen.

Zschäpe hatte in schriftlichen Einlassungen lediglich eingeräumt, die letzte Fluchtwohnung des Trios in Zwickau in Brand gesteckt und von den Raubüberfällen gewusst zu haben, mit denen das Trio das fast 14 Jahre lange Leben im Untergrund finanzierte. Von den Morden und Anschlägen will sie dagegen immer erst im Nachhinein erfahren haben. Auch den Vorwurf des versuchten Mordes an einer Nachbarin und zwei Handwerkern im Zuge der Brandstiftung wiesen ihre Anwälte zurück.

Zschäpe übernehme moralische Schuld

Ganz am Ende des Plädoyers verwies Borchert darauf, dass Zschäpe habe vortragen lassen, dass sie sich „moralisch schuldig“ fühle, auch dass sie die Morde und Bombenanschläge nicht habe verhindern können. „Die moralische Schuld der Mandantin kann jedoch nicht Grundlage für eine Verurteilung im juristischen Sinne sein.“

Die Anklage hatte in ihrem Plädoyer zudem argumentiert, Zschäpe habe mit ihren Komplizen die fanatische nationalsozialistische Gesinnung geteilt und „ein Drittel eines verschworenen Triumvirats“ gebildet. Grasel betonte nun allerdings, die Gesinnung sei „als Indiz für eine Tatbeteiligung und eine Tatherrschaft ungeeignet“.

Er fügte außerdem hinzu, die innere politische Einstellung Zschäpes habe sich weiterentwickelt und verändert. „Aus zahlreichen Gesprächen in den vergangenen Monaten und Jahren bin ich der festen Überzeugung, dass bei Frau Zschäpe heutzutage keinerlei rechtsextremes, staats- oder gesellschaftsfeindliches Gedankengut vorhanden ist“, sagte Grasel.

Mit dem Start der Verteidiger-Plädoyers ist das seit Mai 2013 laufende Mammutverfahren in die letzte Etappe gegangen. Nach Borchert und Grasel sollen von der kommenden Woche an die Anwälte der insgesamt vier mitangeklagten mutmaßlichen Terrorhelfer das Wort für ihre Plädoyers bekommen, gefolgt von den drei Altverteidigern Zschäpes, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Wann das Gericht ein Urteil sprechen könnte, ist aber nach wie vor offen. (dpa/ac)