Berlin. Immer mehr Künstler geben ihren Echo zurück. Was im Vorfeld der Kollegah-Ehrung ein Signal gewesen wäre, wirkt jetzt beinahe peinlich.

Mit der Echo-Preisverleihung feiert die Musikbranche sich selbst. Seit 1992 gibt es alljährlich dieses Schaulaufen der erfolgreichsten Interpreten, von Techno bis Klassik. So weit, so öde.

Nun spricht ja nichts gegen ein solches Branchentreffen und ebenso wenig spricht gegen einen Preis für die Bestseller unter den Künstlern. Das aber befreit die Veranstalter nicht von der Verantwortung, auf moralische Mindeststandards bei den Preisträgern zu achten. In diesem Punkt hat der Bundesverband Musikindustrie kläglich versagt.

Die skandalösen Textpassagen des Rapper-Duos Kollegah und Farid Bang waren ja hinlänglich bekannt. Mag sein, dass man selbst Verse wie jener „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ noch unter künstlerische Freiheit einsortieren kann; unter moralisch-ethischen Aspekten sind sie indiskutabel.

Künstler wie Westernhagen geben Echos zurück

Diese Künstler geben ihren Echo zurück

Die Echo-Verleihung an Kollegah und Farid Bang wurde wegen deren Texten zu einem Eklat. Zahlreiche Künstler geben ihre Preise zurück. Marius Müller-Westenhagen gibt alle seine sieben gewonnenen Echos zurück.
Die Echo-Verleihung an Kollegah und Farid Bang wurde wegen deren Texten zu einem Eklat. Zahlreiche Künstler geben ihre Preise zurück. Marius Müller-Westenhagen gibt alle seine sieben gewonnenen Echos zurück. © dpa | Jens Kalaene
Klaus Voormann wurde mit dem Echo für das Lebenswerk ausgezeichnet. Er betrat die Bühne in Berlin kurz nach dem Auftritt der Skandal-Rapper Kollegah und Farid Bang. Nach der Verleihung habe der „Fünfte Beatle“ sich genauer mit den Texten der Rapper auseinandergesetzt und dann die Rückgabe seines Preises angekündigt.
Klaus Voormann wurde mit dem Echo für das Lebenswerk ausgezeichnet. Er betrat die Bühne in Berlin kurz nach dem Auftritt der Skandal-Rapper Kollegah und Farid Bang. Nach der Verleihung habe der „Fünfte Beatle“ sich genauer mit den Texten der Rapper auseinandergesetzt und dann die Rückgabe seines Preises angekündigt. © Getty Images | Andreas Rentz
Der Dirigent Enoch zu Guttenberg gibt einen Echo Klassik zurück, den er 2008 mit dem Orchester Klangverwaltung gewonnen hatte. Die Rückgabe erfolgt in Absprache mit Andreas Reiner von diesem Orchester.
Der Dirigent Enoch zu Guttenberg gibt einen Echo Klassik zurück, den er 2008 mit dem Orchester Klangverwaltung gewonnen hatte. Die Rückgabe erfolgt in Absprache mit Andreas Reiner von diesem Orchester. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Franz-Josef Fischer
Einen weiteren Echo Klassik gibt das Notos Quartett ab. Die Gruppe war 2017 in der Elbphilharmonie Hamburg ausgezeichnet worden.
Einen weiteren Echo Klassik gibt das Notos Quartett ab. Die Gruppe war 2017 in der Elbphilharmonie Hamburg ausgezeichnet worden. © imago/Sven Simon | Malte Ossowski/SVEN SIMON
Igor Levit gewann den Echo Klassik 2014. Vier Jahre später gab er unter anderem auf Facebook bekannt, dass er nach der Preisverleihung an Kollegah und Farid Bang seine Trophäe an den Veranstalter, den Bundesverband Musikindustrie, zurückgeschickt habe.
Igor Levit gewann den Echo Klassik 2014. Vier Jahre später gab er unter anderem auf Facebook bekannt, dass er nach der Preisverleihung an Kollegah und Farid Bang seine Trophäe an den Veranstalter, den Bundesverband Musikindustrie, zurückgeschickt habe. © imago/Spöttel Picture | imago stock&people
Der Präsident des Deutschen Kulturrates, Christian Höppner, sendet zwar keinen Preis zurück, hat aber für sich auch Konsequenzen aus dem Skandal um die beiden Rapper gezogen. Er kündigte seinen Rücktritt aus dem Ethik-Beirat des Musikpreises an.
Der Präsident des Deutschen Kulturrates, Christian Höppner, sendet zwar keinen Preis zurück, hat aber für sich auch Konsequenzen aus dem Skandal um die beiden Rapper gezogen. Er kündigte seinen Rücktritt aus dem Ethik-Beirat des Musikpreises an. © imago/Gerhard Leber | imago stock&people
Rund eine Woche nach der Echo-Verleihung kündigte auch die Sächsische Staatskapelle Dresden an, ihres Echo-Trophäen zurückgeben zu wollen. „Ein Preis, der Verkaufszahlen über alles stellt und am Holocaust-Gedenktag einem Live-Auftritt stattgibt, der einer Verhöhnung der Opfer des Dritten Reiches gleichkommt, wird zum Symbol eines Zynismus, für den wir nicht stehen“, erklärte das Orchester. Chefdirigent Thielemann (im Bild) schließe sich der Haltung der Musiker an und gebe seinen Echo Klassik von 2004 ebenfalls zurück, hieß es.
Rund eine Woche nach der Echo-Verleihung kündigte auch die Sächsische Staatskapelle Dresden an, ihres Echo-Trophäen zurückgeben zu wollen. „Ein Preis, der Verkaufszahlen über alles stellt und am Holocaust-Gedenktag einem Live-Auftritt stattgibt, der einer Verhöhnung der Opfer des Dritten Reiches gleichkommt, wird zum Symbol eines Zynismus, für den wir nicht stehen“, erklärte das Orchester. Chefdirigent Thielemann (im Bild) schließe sich der Haltung der Musiker an und gebe seinen Echo Klassik von 2004 ebenfalls zurück, hieß es. © dpa | Jan Woitas
Auch Stardirigent Daniel Barenboim und die Staatskapelle gaben ihre Echos zurückgegeben.
Auch Stardirigent Daniel Barenboim und die Staatskapelle gaben ihre Echos zurückgegeben. © dpa | Britta Pedersen
Der französische Geiger Renaud Capuçon gibt seine Echos aus Kritik an der Auszeichnung der umstrittenen Rapper Kollegah und Farid Bang zurück. Er wolle damit gegen die Vergabe dieses Preises an eine Rap-Gruppe protestieren, „deren Texte rassistisch, antisemitisch und der Menschenwürde unwürdig sind“, teilte Capuçon mit.
Der französische Geiger Renaud Capuçon gibt seine Echos aus Kritik an der Auszeichnung der umstrittenen Rapper Kollegah und Farid Bang zurück. Er wolle damit gegen die Vergabe dieses Preises an eine Rap-Gruppe protestieren, „deren Texte rassistisch, antisemitisch und der Menschenwürde unwürdig sind“, teilte Capuçon mit. © dpa | Ian Langsdon
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Es geht dabei schließlich nicht um den üblichen Gangstarapper-Abklatsch deutscher Möchtegern-Böse-Buben. Der „Auschwitz“-Spruch stellt eine Verhöhnung der Holocaust-Opfer dar und damit überschreiten die rappenden Verschwörungstheoretiker eine rote Grenze.

Das hätten auch die Echo-Organisatoren, die sich jetzt verwundert die Augen reiben, im Vorfeld erkennen und entsprechend handeln müssen. Verkaufszahlen hin, Umsatz her – Kollegah und Farid Bang hatten bei der Schau nichts zu suchen. Inzwischen haben die Organisatoren angekündigt, das Konzept der Echo-Show zu überarbeiten. Klar ist: Einen derart naiv konzipierten Preis braucht kein Mensch.

Jetzt, Tage nach dem Skandal, melden sich fast im Stundentakt aktuelle und ehemalige Preisträger, die ihren Echo gar nicht schnell genug wieder zurückgeben können. Mit Verlaub: Das ist Heldentum nach Ladenschluss. Was vor der Preisverleihung an die Rapper ein mutiges Signal gewesen wäre, wirkt jetzt nur noch lau.

Der einzige, der wirklich Haltung zeigte, war Campino von den Toten Hosen, als er während der Show auf offener Bühne mit zitternder Stimme gegen die Ehrung für die beiden Rapper protestierte. Campinos Auftritt war eines Ehren-Echos würdig.