Berlin. Die Echo-Verleihung an Kollegah und Farid Bang wirft Fragen zur Vergabe auf. Dass nur Verkaufszahlen gelten, ist dabei ein Mythos.

Dürfen Künstler wie Kollegah und Farid Bang mit antisemitischen, frauenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Texten renommierte Musikpreise gewinnen? Die Echo-Preisverleihung am Donnerstag in Berlin hat Fakten geschaffen: Ja, sie dürfen.

Doch dieser Fakt ließ die Kritik von Künstlern wie Campino und Zuschauern nicht verstummen. Dabei sind sowohl viele Künstler wie auch die Veranstalter der Verleihung selbst daran Schuld, dass es zu dem Eklat kam.

Wirbel um Zeile von Kollegah und Farid Bang

Im Vorfeld der Echo-Preisverleihung war viel darüber spekuliert worden, ob Kollegah und Farid Bang mit ihrem Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ beim Echo eine Rolle spielen würden. Im Bonusmaterial des Albums findet sich der Song „0815“ mit einer Zeile, die einen Holocaust-Vergleich zieht: „mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“.

Doch die Regeln des Echo für Nominierungen und Gewinner sind in dem Fall ziemlich eindeutig.

Wer wird für den Echo nominiert?

Nominiert wurde, wer von Anfang März 2017 bis Anfang März 2018 die meisten Alben und Singles verkauft hat – auch Streams und Downloads zählen zu diesen Verkaufszahlen. Die Shortlist der nominierten umfasst in jeder Kategorie jeweils fünf Acts. Im konkreten Fall führte in der Kategorie „Hiphop/Urban national“ kein Weg an den beiden Rappern aus Düsseldorf vorbei. Kollegah und Farid Bang gehören seit Jahren zu den kommerziell erfolgreichsten Rappern in Deutschland. Lediglich Alben, die auf dem Index stehen, werden nicht berücksichtigt.

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    Zu den konkreten Verkaufszahlen schweigen die Echo-Veranstalter, das Unternehmen GfK Entertainment, das die entsprechenden Informationen sammelt, verweist auf die Vertraulichkeit der erhobenen Daten. Doch viel spannender ist die Frage, wie der Gewinner aus dem Kreis der Nomninierten ermittelt wird.

    Wird der Echo nur nach Verkaufszahlen vergeben?

    Nein, denn in die Entscheidung für einen Gewinner fließen auch Stimmen aus einer Jury ein. Wer gewinnt, „entscheiden zu 50 Prozent die jeweiligen Chartspunkte der Künstler ... und zu 50 Prozent die Stimmen der Jury“, heißt es auf der Webseite der Veranstalter. Theoretisch könnte also der Künstler in der Shortlist mit den geringsten Verkaufszahlen von der Jury noch zum Gewinner gemacht werden. Oder aber, der Künstler mit den höchsten Verkaufszahlen geht am Ende doch noch leer aus. Die Jury besteht aus 500 Personen, zu denen ehemalige Echo-Gewinner, Nominierte und Musikexperten gehören.

    So hatten also auch bei der Vergabe des Preises an die beiden umstrittenen Rapper andere Künstler und Vertreter der Musikindustrie einen erheblichen Anteil. Eine einstimmige Ablehnung der Künstler hat es wohl kaum gegeben.

    Denn die Systematik des Echos lässt nur zwei Möglichkeiten zu: Entweder Kollegah und Farid Bang sind nach den Verkaufszahlen nur auf Platz 5 der Jahrescharts gelandet und haben aber großen Zuspruch der Jury erhalten. Oder aber sie haben am meisten Alben verkauft und zumindest einige Fürsprecher in der Jury gefunden. Die Variante, nach der die Künstler keinerlei Jury-Stimmen erhalten haben, ist dabei kaum vorstellbar – schließlich dürften befreundete Kollegen oder sogar die Nominierten selbst Teil der Jury gewesen sein.

    Können sich solche Eklats wiederholen?

    Am Ende bleibt der Eindruck, dass Diskussionen über die Preisvergabe an umstrittene Künstler wie Farid Bang, Kollegah oder in den vergangenen Jahren Frei Wild so lange geführt werden, wie sich die Systematik der Preisverleihung nicht ändert.

    So wie die Echo-Verantwortlichen die Gala allerdings dramatisch auf die Diskussion um die beiden Rapper zugespitzt wurde, scheinen die Macher nicht an Änderungen interessiert. Sie haben den Skandal also wohl in Kauf genommen. Dafür spricht auch, dass der Ethikbeirat des Echo Kollegah und Farid Bang nicht ausgeschlossen hat. In Einzelfällen kann dieses Gremium Künstler auch von der Preisverleihung ausschließen. Doch das ist nicht geschehen – mit Verweis auf die Kunstfreiheit. Am Ende durften die Künstler auch noch live auftreten.