Washington. . Hurrikan „Irma“ ist über Florida hinweggezogen. Hunderttausende können noch nicht in ihre Häuser zurück. Wie schlimm es ist, ist noch unklar.

Mehrere Tote. Fast 13.000 Flüge abgesagt. Knapp fünf Millionen Menschen ohne Strom. 200.000 Menschen in Notunterkünften. Evakuierte Geisterstädte, die hüfthoch im Wasser stehen. Tausende Häuser überflutet. Geschätzte Schadenssumme: bis zu 100 Milliarden Dollar.

Während Hurrikan „Irma“ als abgeschwächter Tropensturm am Dienstag in South Carolina, Georgia und Alabama für Probleme sorgen wird, wird in Florida allmählich das Ausmaß der größten Naturkatastrophe der vergangenen Jahrzehnte sichtbar.

Stromausfälle sind das größte Problem

Vorläufige Tendenz-Aussage von Katastrophen- und Heimatschutz: Es hätte noch viel schlimmer kommen können. Oder in den Worten von Bob Buckhorn, Bürgermeister der an der Golfküste liegenden Metropole Tampa: „Wir haben mit einem Schlag ins Gesicht gerechnet, wir wurden gestreift.“

Tagelange Stromausfälle durch abgerissene Oberleitungen, chronischer Schwachpunkt der US-Infrastruktur, seien derzeit wohl das größte Problem.

Florida hat von „Hurrikan“ Andrew gelernt

Ein Lagebild, das jedoch anders aussieht, je tiefer man in den Süden des Sunshine-State schaut. Weite Teile von Miami stehen unter Wasser. Und auf der Inselkette der Keys hat es nicht nur mehrere Wohnwagen-Siedlungen – die Trailer-Parks – erwischt. Sie konnten dem als Hurrikan der Stufe 4 mit über 200 km/h an Land gegangenen „Monster“, wie der „Miami Herald“ den Sturm nannte, nicht standhalten.

Hurrikan „Irma“ – So wütete der Sturm

Über einen großen Teil von Florida ist Hurrikan „Irma“ im September 2017 hinweggezogen. Sturmfluten überschwemmten die Straßen Miamis. Bilder der Verwüstungen.
Über einen großen Teil von Florida ist Hurrikan „Irma“ im September 2017 hinweggezogen. Sturmfluten überschwemmten die Straßen Miamis. Bilder der Verwüstungen. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Der zeitweise als einer der stärksten Atlantikstürme überhaupt eingestufte Hurrikan nahm mit vergleichsweise geringen Windgeschwindigkeiten von bis zu 135 Kilometern pro Stunde Kurs auf die Metropolen Tampa und Orlando. Zuvor hatte er vor allem an der Westküste der Halbinsel gewütet.
Der zeitweise als einer der stärksten Atlantikstürme überhaupt eingestufte Hurrikan nahm mit vergleichsweise geringen Windgeschwindigkeiten von bis zu 135 Kilometern pro Stunde Kurs auf die Metropolen Tampa und Orlando. Zuvor hatte er vor allem an der Westküste der Halbinsel gewütet. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Dort wurden Dächer abgedeckt, Straßen überflutet und Bäume entwurzelt. In Miami brach das Dach einer Tankstelle zusammen.
Dort wurden Dächer abgedeckt, Straßen überflutet und Bäume entwurzelt. In Miami brach das Dach einer Tankstelle zusammen. © dpa | Wilfredo Lee
In der Nähe von St. Pete Beach riss der Sturm ein Kreuzfahrtschiff von seinem Anlegeplatz los; es kollidierte mit einer Brücke.
In der Nähe von St. Pete Beach riss der Sturm ein Kreuzfahrtschiff von seinem Anlegeplatz los; es kollidierte mit einer Brücke. © dpa | Kathryn Varn
Umgeknickte Strommasten führten zu massiven Stromausfällen. US-Präsident Donald Trump rief für den „Sunshine State“ den Katastrophenfall aus.
Umgeknickte Strommasten führten zu massiven Stromausfällen. US-Präsident Donald Trump rief für den „Sunshine State“ den Katastrophenfall aus. © dpa | David Goldman
Das US-Hurrikan-Zentrum stufte den Wirbelsturm auf die Kategorie 1 zurück.
Das US-Hurrikan-Zentrum stufte den Wirbelsturm auf die Kategorie 1 zurück. © dpa | Charles Trainor Jr
Wegen Überschwemmungen und Stromausfällen blieben die geltenden Anordnungen zur Großevakuierung vorerst in Kraft.
Wegen Überschwemmungen und Stromausfällen blieben die geltenden Anordnungen zur Großevakuierung vorerst in Kraft. © dpa | Jim Rassol
Mit rund 6,5 Millionen Menschen war rund ein Drittel der Bevölkerung Floridas zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert worden. Viele Menschen suchten bei Verwandten in anderen Teilen des Landes Schutz, Notunterkünfte waren zum Teil überfüllt.
Mit rund 6,5 Millionen Menschen war rund ein Drittel der Bevölkerung Floridas zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert worden. Viele Menschen suchten bei Verwandten in anderen Teilen des Landes Schutz, Notunterkünfte waren zum Teil überfüllt. © REUTERS | ADREES LATIF
Nach Hamsterkäufen gab es in vielen Supermärkten kein Wasser mehr.
Nach Hamsterkäufen gab es in vielen Supermärkten kein Wasser mehr. © REUTERS | GREGG NEWTON
Zuerst war erwartet worden, dass der Wirbelsturm eher den Südosten Floridas treffen würde. Doch dann zog der Sturm an der Westküste des Bundesstaates entlang.
Zuerst war erwartet worden, dass der Wirbelsturm eher den Südosten Floridas treffen würde. Doch dann zog der Sturm an der Westküste des Bundesstaates entlang. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
Nicht nur in Tampa wurden Fische an Land gespült und verendeten.
Nicht nur in Tampa wurden Fische an Land gespült und verendeten. © dpa | Octavio Jones
Mehr noch als vor der Windgeschwindigkeit des Sturmes warnten die Experten vor den Sturmfluten.
Mehr noch als vor der Windgeschwindigkeit des Sturmes warnten die Experten vor den Sturmfluten. © dpa | Wilfredo Lee
Viele Menschen harrten in Notunterkünften aus. Die Versicherungsbranche machte sich auf hohe Kosten gefasst.
Viele Menschen harrten in Notunterkünften aus. Die Versicherungsbranche machte sich auf hohe Kosten gefasst. © dpa | Gerald Herbert
Nicht alle hatten offenbar Angst vor „Irma“: Skateboarder in Miami, kurz bevor die Ausläufer des Sturms die Stadt erreichten.
Nicht alle hatten offenbar Angst vor „Irma“: Skateboarder in Miami, kurz bevor die Ausläufer des Sturms die Stadt erreichten. © dpa | Mike Stocker
„Geh nach Hause, Irma, du bist betrunken!“, hat dieser Mann auf die Bretter seines zugenagelten Fensters gesprüht.
„Geh nach Hause, Irma, du bist betrunken!“, hat dieser Mann auf die Bretter seines zugenagelten Fensters gesprüht. © dpa | Ken Cedeno
Nur rund 370 Kilometer von Miami entfernt: Eine Frau und ein Kind schützten sich auf Kuba vor Wind und Regen, den „Irma“ brachte. Der Sturm hatte, bevor er in Florida auf Land traf, eine Spur der Verwüstung auf vielen Karibik-Inseln hinterlassen.
Nur rund 370 Kilometer von Miami entfernt: Eine Frau und ein Kind schützten sich auf Kuba vor Wind und Regen, den „Irma“ brachte. Der Sturm hatte, bevor er in Florida auf Land traf, eine Spur der Verwüstung auf vielen Karibik-Inseln hinterlassen. © dpa | Desmond Boylan
Mitarbeiter des Cayo Guillermo Dolphinariums hatten Delfine für den Transport ins Dolphinarium in Cienfuegos an der Südküste Kubas fertiggemacht, um sie vor Hurrikan „Irma“ in Sicherheit zu bringen.
Mitarbeiter des Cayo Guillermo Dolphinariums hatten Delfine für den Transport ins Dolphinarium in Cienfuegos an der Südküste Kubas fertiggemacht, um sie vor Hurrikan „Irma“ in Sicherheit zu bringen. © dpa | Osvaldo Gutierrez Gomez
Hohe Wellen brachen in Havanna an der Festung „El Morro“.
Hohe Wellen brachen in Havanna an der Festung „El Morro“. © dpa | Ramon Espinosa
Auf Kuba überschwemmten die Sturmfluten die Straßen.
Auf Kuba überschwemmten die Sturmfluten die Straßen. © dpa | Ramon Espinosa
Einsatzkräfte retteten diesen Mann mit einem Boot.
Einsatzkräfte retteten diesen Mann mit einem Boot. © REUTERS | STRINGER
Bevor „Irma“ über Kuba hinwegzog, hatte der Sturm auch in der Dominikanischen Republik große Zerstörungen hinterlassen.
Bevor „Irma“ über Kuba hinwegzog, hatte der Sturm auch in der Dominikanischen Republik große Zerstörungen hinterlassen. © dpa | Tatiana Fernandez
Auch weite Teile der Insel St. Martin/Sint Maarten sind nicht mehr bewohnbar.
Auch weite Teile der Insel St. Martin/Sint Maarten sind nicht mehr bewohnbar. © dpa | -
Der Sturm und die Fluten zerstörten viele Häuser.
Der Sturm und die Fluten zerstörten viele Häuser. © REUTERS | HANDOUT
Das niederländische Verteidigungsministerium dokumentierte die Zerstörung. Sint Maarten gehört zum Königreich Niederlande, Saint Martin ist ein Überseegebiet Frankreichs.
Das niederländische Verteidigungsministerium dokumentierte die Zerstörung. Sint Maarten gehört zum Königreich Niederlande, Saint Martin ist ein Überseegebiet Frankreichs. © dpa | -
Auch Puerto Rico war betroffen.
Auch Puerto Rico war betroffen. © REUTERS | ALVIN BAEZ
„Irma“ war zunächst einer der stärksten je im Atlantic gemessenen Stürme. Nachdem der Hurrikan tagelang über Land gezogen ist, haben sich die Windgeschwindigkeiten stark abgeschwächt.
„Irma“ war zunächst einer der stärksten je im Atlantic gemessenen Stürme. Nachdem der Hurrikan tagelang über Land gezogen ist, haben sich die Windgeschwindigkeiten stark abgeschwächt. © REUTERS | NASA
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Dagegen scheint sich in anderen Teilen der Region ausgezahlt zu haben, dass Florida nach Hurrikan „Andrew“ 1992 die Bauvorschriften verschärft hat. Hochhäuser müssen danach Windgeschwindigkeiten von 260 Stundenkilometern widerstehen können. Fenster und Dächer in normalen Wohnhäusern müssen gesondert gesichert sein.

Nur wenige haben eine private Flutversicherung

Weil ein großer Teil des Häuserbestands älter als „Andrew“ ist, die Vorschriften somit nicht gelten, könne aber erst in den nächsten Tagen verlässlich gesagt werden, „wie groß der Schaden an der Bausubstanz wirklich ist“, erklärten Mitarbeiter der Katastrophenschutzbehörde Fema.

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Für Betroffene geht dann der Lauf durch den Behörden-Dschungel los. Wer eine der wenigen teuren Privat-Flutversicherungen hat (eine klare Minderheit, wie schon Hurrikan „Harvey“ vor zwei Wochen in Texas zeigte), ist einigermaßen auf der sicheren Seite. Das Gros der Geschädigten muss auf die vor 50 Jahren eingerichtete, allerdings hoffnungslos unterfinanzierte „National Flood Insurance“ hoffen.

Trump verspricht schnelle Hilfe

Das von der Fema verwaltete Programm zahlt bei Jahresprämien von knapp 500 Dollar pro unbewohnbar gewordenem Haus bis zu 350.000 Dollar. Allerdings nach intensiver Einzelfallprüfung. Und die kann dauern. Nach „Harvey“ liegen in Texas nach Angaben der Stadt Houston fast 100.000 Anträge vor.

Präsident Trump, der „sehr bald“ nach Florida reisen will, um sich ein Bild von der Lage zu machen und wie in Texas Trost zu spenden, hat gestern bekräftigt, dass den Opfern beider Wirbelstürme „schnell“ und „unbürokratisch“ geholfen wird. Knapp 15 Milliarden Dollar Soforthilfe hat der Kongress bewilligt. „Die Frage ist“, so ein Experte im Sender MSNBC, „wie lange die Auszahlung dauert und wie lange das Geld reicht.“

Menschen sind durch Plünderungen alarmiert

Unterdessen machten sich am Montag gegen den Rat von Gouverneur Rick Scott die ersten Bewohner der fast 600 Notunterkünfte auf, um in ihre Häuser und Wohnungen zu gelangen. Berichte über Plünderungen, in einem Fall wurde ein 17-Jähriger in der Kleinstadt Weston bei einem Diebstahl angeschossen, hatten viele Floridianer alarmiert.

Menschen waten in Havanna (Kuba) über eine überflutete Straße.
Menschen waten in Havanna (Kuba) über eine überflutete Straße. © dpa | Ramon Espinosa

Für viele Menschen auf Kuba sind das Luxus-Probleme. Die Karibik-Insel wurde schwer von Irma getroffen. Weil westlichen Medien der Zugang erschwert ist, fällt die Berichterstattung von dort mager aus. Bisher meldet die staatliche Nachrichten-Agentur zehn Tote.

Tesla spendiert mehr Akkuspeicher für seine Autos

Die historische Altstadt Havannas mit ihrer bröckeligen Bausubstanz steht meterhoch unter Wasser. Tausende Kleingewerbetreibende haben ihre Existenz verloren, nachdem bis zu elf Meter hohe Wellen über die Ufer-Promenade Malecon brachen. Auch in den Tourismusgebieten herrscht teilweise Ausnahmezustand. Deutsche Reiseveranstalter wie die TUI haben Ziele wie Varadero vorübergehend aus dem Programm genommen. 600 dort weilende Urlauber sollen so schnell wie möglich ausgeflogen werden.

Schaden – eher von seinem Image – abwenden wollte auch der Elektro-Auto-Hersteller Tesla, der gerade dabei ist, den Massenmarkt in den USA zu erobern. Damit Besitzern der Luxusmodelle S und X nicht auf der Flucht vor dem Wirbelsturm der „Sprit“ ausgeht, hat Firmen-Boss Elon Musk die Speicherkapazität der Akkus mit einem Federstich erweitern lassen. Konkret: Bisher war die Reichweite der Batterien in einem Akku mit 75 kWh auf de facto 60 beschränkt.

Musk hat die Sperre, die sonst durch ein bis zu 9000 Dollar teures Update der Steuerungseinheit zu umgehen ist, aufheben lassen. Wegen Irma. Kostenlos. Macht circa 65 Kilometer Reichweite zusätzlich. Allerdings nur bis kommenden Samstag. Danach muss gezahlt werden. Im Internet braut sich ein kleiner Sturm der Entrüstung zusammen.