Berlin. Wieder einmal wird Italien von einem schweren Erdbeben erschüttert. Warum ist das Land dafür so anfällig? Ein Seismologe klärt auf.

Schwere Erdbeben sind in Europa selten. Wenn es allerdings zu heftigen Erdstößen kommt, trifft es in den meisten Fällen Italien. So wie jetzt in der Provinz Rieti oder im Jahr 2009, als ein Erdbeben der Stärke 6,3 auf der Richterskala die ebenfalls in Mittelitalien gelegene Region Abruzzen um die Stadt L’Aquila erschütterte. Damals wurden mehr als 300 Menschen getötet. Doch warum ist das Land für Erdbeben so anfällig?

„Italien ist ein Hochrisikoland für Erdbeben“, erklärt der Geophysiker Dr. Gernot Hartmann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Dass das südeuropäische Land immer wieder von heftigen Beben heimgesucht wird, liege vor allem an seiner besonderen Lage. „Es ist eine komplexe tektonische Region, die vielen Spannungen ausgesetzt ist“, sagt Hartmann.

„Ein Gesteinsblock, der hin und her geschubst wird“

Was der Seismologe meint: Unter Italien bewegt sich zum einen ein etwa 1000 Kilometer langer Keil der afrikanischen Platte mehrere Meter pro Jahrhundert Richtung Norden und drückt gegen die Alpen, also unter die eurasische Platte. Zudem drückt von Osten die adriatische Mikroplatte, und aus westlicher Richtung wirkt die Öffnung des Tyrrhenisches Meeres auf das Land ein. „Italien muss man sich wie ein Gesteinsblock vorstellen, der immer wieder hin und her geschubst wird“, sagt Hartmann.

Wenn sich diese tektonische Gesteinsplatten im tieferen Bereich der Erdkruste verschieben, kommt es wie jetzt in der Region Rieti oder aber auch 2009 in L’Aquila zu starken Spannungen, die sich schlagartig in Erdstößen entladen können. Daher müsse man in Italien mit Erdbeben rechnen – auch wenn man nicht genau vorhersagen kann, wann es dazu kommt.

Mit weiteren Nachbeben ist zu rechnen

„Je tiefer, desto weniger Energie spürt man an der Oberfläche“, erläutert Experte Hartmann. Das jetzige Erdbeben sei in einer Tiefe von nur vier Kilometern gewesen, erklärt der Wissenschaftler. Dementsprechend sei bei einer solchen Stärke mit erheblichen Schäden zu rechnen. Zudem geht Hartmann von weiteren Nachbeben aus: „Die Spannungen, die in der Erdkruste stecken, sind ja nicht mit einem Erdbeben entladen.“

Auch für die Zukunft rechnet der Geophysiker mit weiteren Erdbeben – mit einschneidenden Folgen, die allerdings erst in Millionen von Jahren sichtbar werden. „Irgendwann wird das Mittelmeer verschwinden, weil die afrikanische Platte auf die eurasische stößt“, prophezeit Hartmann.