Der Protest gegen das umstrittene Bahn-Projekt kocht auch nach Wochen. Am Sonnabend kam es in Stuttgart erneut zu einer großen Demonstration.

Stuttgart. Während es im Stuttgarter Talkessel unaufhörlich brodelt, ist im oberschwäbischen Ehingen die Welt für die CDU noch in Ordnung. Dort hat der Bürgermeister-Kandidat von der CDU keinen Gegenkandidaten, und die örtliche Junge Union hat die Grüne Jugend überredet, dem Auftritt von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bei ihrem Landestag am Sonnabend nicht mit Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 zu stören. In dieser Heimspiel-Atmosphäre gibt sich Mappus kämpferisch: „Den Stuttgart-21-Gegnern geht es nicht um Stuttgart 21, sondern darum, was sie am 27. März politisch gerne hätten“, ruft er und meint einen Machtwechsel.

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Tatsächlich wittern die Gegner des Milliarden-Bauvorhabens Morgenluft. Ein Ende von Schwarz-Gelb wäre wohl auch das Ende des Projekts. In Stuttgart haben sie Mappus vor seiner Abfahrt nach Ehingen am Samstag noch mit Trillerpfeifen und Vuvuzelas beim Tag der offenen Tür der Staatsregierung genervt. Als sein Wagen abrauscht, beginnt eine weitere von inzwischen zahlreichen Demonstrationen gegen den Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs zu einer unterirdischen Durchgangsstation mit Anbindung an die geplante Neubaustrecke nach Ulm.

Die Veranstalter sprechen von mehr als 50000 Menschen, die Polizei immerhin von über 30000. Sie fürchten eine Explosion der Kosten, ein „Milliardengrab“, wie auf vielen Plakaten zu lesen steht. Und fürchten nachhaltige Schäden für die Umwelt: „Schützt unsere Mineralquellen“, steht auf einem Plakat. Sicher ist, dass das Projekt nach Angaben der Bauherrin Deutsche Bahn in jedem Fall etwa 7 Milliarden Euro kosten wird. Davon sollen rund 4,1 Milliarden auf Stuttgart 21 und 2,9 Milliarden auf die Neubautrasse entfallen. Mineralquellen seien aber nicht in Gefahr.

Was den Widerständlern Kraft gibt, ist das Gefühl, endlich auch bundesweit Aufmerksamkeit zu bekommen. So ruft die Linken- Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel der Protest-Menge zu: „Der Protest ist in Berlin angekommen. Kein Politiker kommt mehr an Stuttgart 21 vorbei.“ Bislang fühlten sich die Protestierer von den Politikern übergangen. Etwa weil Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster von einem Dialog in der Entstehungszeit bis zum Beschluss des Milliarden-Vorhabens spricht. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) warb noch am Freitag im Bundestag dafür, das Bahn-Projekt umzusetzen. „Die Politik muss dazu stehen, was der Rechtsstaat hervorgebracht hat.“

Doch die Demonstranten sind auch zuversichtlich. Das Motto der Veranstaltung „Endspurt gegen Stuttgart 21 – Volksversammlung“ ist zum Programm geworden. Die Landtagswahl im März steht vor der Tür. Aktuelle Umfragen bescheinigen den Grünen und somit den politischen Hauptgegnern von Stuttgart 21 auch auf Landesebene einen steigenden Zulauf. Die SPD, die bislang hinter Stuttgart 21 stand und mittlerweile über einen Baustopp spricht, hat erst am Freitag ein wichtiges Gesicht für Stuttgart 21 verloren: den Projektsprecher Wolfgang Drexler. Die schwarz-gelbe Regierung im baden- württembergischen Landtag - und mit ihr die Stuttgart-21-Mehrheit - ist für die versammelten Stuttgart-21-Gegner schon Geschichte.

Doch einzulenken kommt für Mappus nicht in Frage. „Mir ist der Fehdehandschuh hingeworfen worden, ich nehme ihn auf“, ruft der Regierungschef am selben Nachmittag in Eheingen ins Publikum. „Die Proteste kippen das Projekt nicht.“