Für 4,1 Milliarden Euro wird der bisherige Kopfbahnhof in Stuttgart bis 2019 in eine unterirdische Durchgangsstation umgebaut.

Stuttgart. Um 14.10 Uhr hebt ein gelber Bagger den Prellbock 49 am Stuttgarter Hauptbahnhof hoch. Das ist der Moment, in dem für die einen das Bahnprojekt Stuttgart 21 unumkehrbar wird. Die anderen kämpfen weiter und hoffen, dass bis zum Aushub des Tunnelbahnhofs in zwei Jahren die Weichen noch anders gestellt werden können. Wie viele große Bahnprojekte ist auch das 4,1 Milliarden Euro teure Vorhaben umstritten – seit mehr als 15 Jahren.

Bahnchef Rüdiger Grube stellte am Dienstag bei der Feier fest: „Große Projekte provozieren große Gefühle.“ Nicht weit davon skandierten nach Polizeiangaben 1300 Gegner: „Oben bleiben.“ Die Gegner, darunter Umweltschützer und die Grünen, lehnen den Tiefbahnhof ab und wollen den bisherigen Kopfbahnhof modernisieren.

Grube, ehemaliger Daimler-Manager, möchte die Wogen in der Landeshauptstadt glätten; er hat den Dialog mit den Gegnern und die regelmäßige Information der Stuttgarter, von denen etwa jeder zweite gegen das Vorhaben ist, zur Chefsache gemacht. „Die bisherige Kommunikations- und Informationspolitik war verfehlt“, räumte er vor 400 Gästen ein. Als ersten vertrauensbildenden Schritt will er monatlich eine Bauzeitung herausgeben, die den Stand der Arbeiten und die nächsten Schritte dokumentiert.

Grube zeigte sich überzeugt, dass am Ende der Bauarbeiten im Jahr 2019 „große Begeisterung“ stehen werde, zumal die Investitionen wie ein regionales Konjunkturprogramm wirkten: „Die junge Generation wird uns eines Tages noch Danke sagen.“

Die vielen zusätzlichen Arbeitsplätze und die bessere Lebensqualität durch Stuttgart 21 erregten den Neid anderer Bundesländer, hob Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hervor, der sich massiv für das „Jahrhundertprojekt“ eingesetzt hat. Nicht nur für Stuttgart und das Land bringt Stuttgart 21 aus Sicht der Befürworter Vorteile: Denn das Projekt schließt in der Kombination mit der geplanten zwei Milliarden Euro teuren Schnellbahntrasse nach Ulm eine weitere Lücke in der Schienen-Magistrale Paris – Budapest.

Obwohl die Grünen die Speerspitze des Widerstands bilden, gilt vielen Stuttgart 21 als „grünes Projekt“. Grube erwartet eine massive Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene und dadurch 70 000 Tonnen weniger Kohlendioxid. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) träumt von ökologischem Bauen und zusätzlichen Parkanlagen auf der 100 Hektar großen Fläche, die entsteht, weil die oberirdischen Gleise abgebaut werden.

Die Gegner befürchten, dass das Projekt zu einem Milliardengrab wird. Nicht ganz zu Unrecht: Denn ursprünglich war das Vorhaben auf 2,6 Milliarden Euro kalkuliert, peu à peu stiegen die Kosten um insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Grube kann die endgültigen Kosten nicht „auf Heller und Pfennig“ vorhersagen; aber er werde versuchen, Risiken zu erkennen und zu vermeiden. Ihn als Bauherrn werde es besonders schmerzen, wenn der Kostenrahmen überschritten werde