Nach der Haftentlassung von Jörg Kachelmann tobt die PR-Schlacht weiter. Doch Experten zweifeln, ob die Interviews der Verteidigung nützen.

Karlsruhe. Der Wetterexperte Jörg Kachelmann ist aus dem Gefängnis frei, aber der mediale Vorkampf zum Prozess vor dem Landgericht Mannheim geht weiter. Mit einem Unterschied: Jetzt ist Kachelmann selbst mit dabei. Kurz nach der Entlassung am vergangenen Donnerstag gab der Fernsehmoderator ein Video-Interview, zum Wochenanfang legte er mit einem dreiseitigen Gespräch im „Spiegel“ nach. Zeitgleich veröffentlicht die Zeitschrift „Focus“ eine Titelgeschichte mit Auszügen aus dem Tagebuch des mutmaßlichen Opfers.

Mittlerweile dreht sich das Kachelmann-Karussell so schnell, dass es manchmal scheint, als würden die Fronten verwischen: Das Video- Interview, das Kachelmann einem freien Journalisten gab, ist auf der Internet-Seite von „Bild.de“ zu sehen; die „Bild“-Zeitung druckte am Sonnabend Auszüge daraus, und auf den ersten Blick sah es so aus, als habe Kachelmann direkt mit der Zeitung gesprochen. Am Montag – zwei Tage später – fragt das Blatt: „Ist es wirklich klug von Kachelmann, jetzt schon Interviews zu geben?“

Gleichzeitig fordert Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker vom Springer-Verlag mehr als zwei Millionen Euro Geldentschädigung, weil die Berichterstattung – unter anderem Fotos beim Ausgang im Gefängnishof – die Persönlichkeitsrechte des Moderators verletzt habe. Höcker listet auf seiner Website die einstweiligen Verfügungen auf, die er für Kachelmann gegen „Focus“ und „Bild“ erwirkt habe.

„Kachelmann kämpft an zwei Fronten: Zum einen gegen die Staatsanwaltschaft; zum anderen muss er seinen Ruf verteidigen“, sagt der PR-Experte Uwe Wolff, Geschäftsführer der Agentur NAIMA Strategic Legal Services. Wolff hat sich auf Öffentlichkeitsarbeit in Zusammenhang mit Gerichtsverfahren spezialisiert, die sogenannte „Litigation PR“.

1. HINTERGRUND: DIE CHRONOLOGIE DES FALLS KACHELMANN

Die Weitergabe von Dokumenten aus den Ermittlungsakten an die Medien sei dabei nicht hilfreich, meint Wolff. „Solche Durchstechereien tun keinem gut.“ Vielmehr sei die Staatsanwaltschaft nun in einer Verteidigungsposition. „Es hat sich ein maßloser Schlagabtausch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung entwickelt.“

Und die Richter des Landgerichts Mannheim, auf deren Eindruck es im Verfahren ab dem 6. September letztlich ankommen wird? „Die meisten Richter sagen: Wir sind nicht beeinflussbar“, sagt der Berliner Juraprofessor Volker Boehme-Neßler, Herausgeber des Bandes „Die Öffentlichkeit als Richter?“. Es gebe allerdings empirische Untersuchungen, wonach sich Richter eben doch von Medienberichten beeinflussen lassen.

2. PORTRÄT: JÖRG KACHELMANN

„Kaum jemand kann sich der Macht der Situation vollständig entziehen“, sagt Boehme-Neßler. „Das betrifft nicht so sehr die Frage, ob jemand eine Tat begangen hat, sondern eher das Strafmaß.“ Guten Richtern sei dieser Mechanismus allerdings bewusst. Auch bestehe die Gefahr einer „Trotzreaktion“, wenn der Versuch der Beeinflussung zu plump und offensichtlich sei.

PR-Experte Wolff glaubt nicht, dass Kachelmann sich mit seinen Interviews einen Gefallen getan hat. Er hätte Kachelmann geraten, erst einmal zu schweigen. „Das wäre ein Zeichen: Der Mann ist besinnlich und nachdenklich geworden.“