In ihrem Schlussplädoyer zieht die Verteidigung des Paralympic-Stars Oscar Pistorius noch einmal alle Register: Zeugen sollen falsch ausgesagt, die Polizei Beweise manipuliert haben.

Pretoria. Im Mordprozess gegen den südafrikanischen Sprintstar Oscar Pistorius ist jetzt die Richterin am Zug. Sie werde das Urteil am 11. September verkünden, sagte Thokozile Masipa am Freitag nach dem Schlussplädoyer der Verteidigung. Darin hatte Anwalt Barry Roux argumentiert, der 27 Jahre alte Pistorius habe aus Angst vor einem Einbrecher und im Reflex auf die geschlossene Toilettentür geschossen, hinter der seine Freundin Reeva Steenkamp saß. Außerdem habe die Polizei die Beweismittel am Tatort falsch gehandhabt, sagte Roux.

Die Anklage wirft dem beinamputierten Pistorius vor, Steenkamp am 14. Februar 2013 nach einem Streit vorsätzlich durch die verschlossene Tür in seinem Haus in Pretoria erschossen zu haben. Pistorius hat dagegen stets beteuert, er habe geschossen, weil er hinter der Tür einen Einbrecher vermutet habe.

Roux sagte, Pistorius habe Steenkamp nicht absichtlich getötet. Wegen seiner Behinderung habe sich der Sportler für besonders verletzbar gehalten und sich vor Kriminellen gefürchtet. Roux verglich Pistorius mit einem Missbrauchsopfer, dass nach langer Zeit des Leidens seinen Peiniger tötet. Der Athlet habe wegen seiner Behinderung ohne Prothesen nicht weglaufen können. Deshalb habe er sich entschieden, den Eindringling zu stellen, den er in seinem Haus vermutete.

Die Anklage hat dagegen aus der Tatsache, dass Pistorius nicht geflohen ist, den Schluss gezogen, er habe jemanden töten wollen. Staatsanwalt Gerrie Nel hatte Pistorius in seinem Plädoyer am Donnerstag einen „fürchterlichen Zeugen“ genannt und ihm vorgeworfen, er habe während seiner Aussage vor Gericht ständig gelogen, um den Mord zu vertuschen.

Roux widersprach auch Zeugen, die gesagt hatten, sie hätten in der Tatnacht eine Frau schreien hören, was auf einen Kampf schließen lassen könnte. Für den Verteidiger sind diese Aussagen widersprüchlich. Die Schreie mit hoher Stimme stammten nicht von einer Frau, sondern von Pistorius, der um Hilfe gerufen habe, als er nach den Schüssen bemerkte, wen er getroffen hatte. Die Reihenfolge der Ereignisse der Tatnacht, wie sie Pistorius geschildert habe, stimme ebenso wie die Telefonanrufe mit den Aussagen der wichtigsten Zeugen überein.

Roux sagte, Ermittler könnten mehrere Objekte im Schlafzimmer nahe dem Bad bewegt haben, in dem Steenkamp ums Leben gekommen war. Zu den Gegenständen zählen Ventilatoren, ein Bettbezug und ein Verlängerungskabel. Sie sind nach Darstellung von Roux deshalb von Bedeutung, weil die Staatsanwaltschaft Pistorius vorgeworfen hat, er habe in seinen Aussagen zum Tathergang gelogen.

Nach den Plädoyers vertagte Richterin Masipa den Prozess, um zu einer Entscheidung zu kommen. Ihr Urteil wollte sie am 11. September verkünden. Sollte Masipa Pistorius wegen vorsätzlichen Mordes verurteilen, drohen ihm 25 Jahre bis lebenslängliche Haft. Er könnte aber auch wegen fahrlässiger Tötung jahrelang ins Gefängnis kommen.