Auch drei Tage nach dem Erdbeben in der Türkei werden immer noch Überlebende geborgen. Die Regierung sucht die Hilfe anderer Staaten.

Ercis/Istanbul. Zwei weitere Überlebende sind am Mittwochmorgen aus den Tümmern des verheerenden Erdbebens von Sonntag in der Türkei geborgen worden. 67 Stunden nach dem Beben wurde eine 27-jährige Lehrerin unter den Augen ihrer Mutter aus den Überresten eines völlig zerstörten Gebäudes in der Stadt Ercis gezogen. Die verletzte Gozde Bahar erlitt im Krankenhaus einen Herzstillstand, konnte aber wiederbelebt werden. Bereits zuvor war der 18-jährige Eyup Erdem mithilfe einer Kamera in den Schuttbergen geortet und schließlich geborgen werden. Der Student war nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu verletzt und wurde in einem provisorischen Lazarett behandelt.

Die Zahl der Todesopfer durch das Beben stieg unterdessen auf 461. Ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums erklärte, allein am Dienstag seien rund 40 Menschen lebend geborgen wurden. Unter ihnen waren ein zwei Wochen altes Baby, das 48 Stunden nach dem Erdbeben gefunden wurde. Auch die Mutter und die Großmutter wurden gerettet, der Vater galt als vermisst.

Zeitfenster für Überlebende wird knapp

Gerald Rockenshaub von der Weltgesundheitsorganisation sagte, dass das kritische Zeitfenster zum Auffinden von Überlebenden bei Erdbeben bei 48 bis 72 Stunden liege. Menschen könnten zwar bis zu einer Woche ohne Nahrung überleben, ohne Wasser jedoch nur zwei bis drei Tage.

Im Katastrophengebiet wurde eine Zunahme von Durchfallerkrankungen festgestellt, wie aus dem Gesundheitsministerium verlautete. Besonders Kinder seien betroffen. Die Behörden forderten die Menschen auf, Mineralwasser zu trinken, bis feststehe, ob das Leitungswasser kontaminiert sei.

Beinahe 500 Nachbeben erschütterten nach Angaben des Erdbebenzentrums in Kandilli die Region seit Sonntag, darunter ein besonders schweres der Stärke 5,7. In der Großstadt Van, 90 Kilometer südlich von Ercis, rannten die Menschen in Panik auf die Straße, um sich in Sicherheit zu bringen. In einem Gefängnis in Van brach Medienberichten zufolge ein Aufstand aus. Die Häftlinge hätten rebelliert und Betten angezündet, nachdem sich die Aufseher geweigert hätten sie nach dem Nachbeben herauszulassen.

Auch Israel bietet Hilfe an

In Ercis begannen unterdessen die Aufräumarbeiten. Schwere Bagger schafften die Trümmer der eingestürzten Häuser beiseite, nachdem die Rettungskräfte sichergestellt hatten, dass es keine weiteren Überlebenden gibt. "Im Augenblick haben wir keine Hinweise auf Überlebende", sagte Helfer Riza Birkan. "Wir konzentrieren uns auf die Bergung von Leichen."

Angesichts des Ausmaßes der Schäden entschied die türkische Regierung, Hilfsangebote aus dem Ausland anzunehmen. Besonders gebraucht wurden nach Angaben der Behörden Fertighäuser, um die Obdachlosen über den Winter zu bringen. Neben den tausenden Menschen, deren Häuser komplett zerstört wurden, müssen auch diejenigen untergebracht werden, die sich nicht trauen, in ihre Häuser zurückzukehren. Trotz gespannter Beziehungen bot auch Israel seine Hilfe an.