Die Zahl der Todesopfer ist nach dem schweren Erdbeben im Osten der Türkei auf 85 gestiegen. Experten rechnen mit bis zu 1000 Toten.

Ankara. Bei einem schweren Erdbeben im Osten der Türkei sind am Sonntag mindestens 85 Menschen ums Leben gekommen. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Toten und das Ausmaß der Schäden noch viel größer ist – die Istanbuler Erdbebenwarte rechnet wegen des in relativ geringer Tiefe erfolgten Erdstoßes mit bis zu 1.000 Toten.

Türkische Medien berichteten einige Stunden nach dem Erdstoß gegen 13.41 Uhr Ortszeit (12.41 Uhr MESZ), in der Kreisstadt Ercis in der Provinz Van seien 59 Tote und 150 Verletzte gefunden worden. In Van seien es mindestens 25. In der Nachbarprovinz Bitlis habe es einen Toten gegeben. Überlebende versuchten mit bloßen Händen, Verschüttete aus den Trümmern zu bergen.

Die US-Erdbebenwarte in Golden registrierte das Beben mit einer Stärke von 7,2. Mit einer Tiefe von 20 Kilometern sei es oberflächennah und könnte daher größeren Schaden anrichten. Das türkische Erdbebenzentrum Kandilli sprach von einer vorläufigen Stärke 6,6 und einer Tiefe von sogar nur fünf Kilometern. Mehrere Nachbeben mit Stärken bis zu 5,5 seien unmittelbar gefolgt. Das Epizentrum habe in dem Dorf Tabanli in der Provinz Van gelegen, die an den Iran grenzt.

Der Rote Halbmond teilte mit, in Ercis seien an die 80 Gebäude eingestürzt, darunter ein Schülerheim. In Van seien zehn Häuser eingestürzt. Der Fernsehsender NTV berichtete, auch der Flughafen von Van sei beschädigt worden und Flüge würden deshalb umgeleitet. Und auch Fernstraßen seien beschädigt worden, meldete der Fernsehsender CNN-Türk.

Etliche Gefängnisinsassen nutzten das Erdbeben einem Bericht des türkischen Senders TRT zufolge zur Flucht. Allerdings machte der Sender keine Angaben darüber, wie die Häftlinge entkommen konnten und wie viele Gefangene entkamen.

In der Provinz Van liefen viele Menschen nach dem Erdstoß in Panik auf die Straßen. Der Bürgermeister von Ercis, Zulfikar Arapoglu, bat in einem dramatischen Appell um Hilfe: "Es sind so viele tot. Mehrere Gebäude sind eingestürzt, da ist zu viel Zerstörung“, sagte er im Fernsehsender NTV. "Wir bauchen dringend Hilfe, wir brauchen Ärzte und Sanitäter.“

Ercis ist eine Kreisstadt in der Provinz Van mit 75.000 Einwohnern. Sie liegt auf einer Verwerfungslinie, die ihren Namen trägt. Auch in der Provinzhauptstadt Van stürzten Gebäude ein, sagte Bürgermeister Bekir Kaya. "Das Telefonsystem ist wegen Panik blockiert, wir können nicht sofort den ganzen Schaden ermessen“, sagte er.

Schwere Schäden wurden auch aus der Umgebung von Ercis gemeldet. In Celebibag seien viele Menschen unter Trümmern verschüttet, sagte der Bürgermeister des Ortes, Veysel Keser, NTV. „Menschen sind in Todesangst, wir können ihre Hilferufe hören.“ Es sei eine große Katastrophe: Häuser, Schülerheime, Hotels und Tankstellen seien zerstört. In Bitlis stürzten ebenfalls Häuser ein, ein achtjähriges Mädchen kam ums Leben, teilten Behördensprecher mit.

NTV berichtete, das Beben sei bis in die Nachbarprovinzen deutlich zu spüren gewesen. Erdbeben sind in der Türkei, die von Verwerfungslinien durchkreuzt wird, keine Seltenheit. 1999 kamen bei zwei Erdbeben im Nordwesten 18.000 Menschen ums Leben.

(abendblatt.de/dapd)