Anschlag auf Zugstrecke nach Hamburg. Brandsätze auch im Berliner Hauptbahnhof

Berlin. Mehrere Brandsätze an Gleisanlagen haben gestern den Zugverkehr in Deutschland erheblich beeinträchtigt. Auf der Strecke Berlin-Hamburg wurden am Morgen bei einem Anschlag auf einen Kabelkasten Signalleitungen zerstört - daraufhin musste die wichtige Fernverbindung komplett gesperrt werden. Wenige Stunden später entdeckte ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG im Berliner Hauptbahnhof an einer Tunneleinfahrt gerade noch rechtzeitig sieben Brandsätze. Sie hätten bei einer Explosion verheerende Schäden anrichten können. Auf vielen Strecken rund um die Hauptstadt, aber auch auf Fernverbindungen in andere Regionen Deutschlands kam es zu stundenlangen Verspätungen.

Im Internet veröffentlichte eine linksextreme Gruppe, die sich nach dem isländischen Vulkan Hekla nennt, ein Bekennerschreiben. Darin protestierte sie gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und forderte Freiheit für den inhaftierten US-Soldaten Bradley Manning, dem das US-Militär vorwirft, Interna an die Enthüllungsplattform WikiLeaks weitergegeben zu haben. Man habe sich zu den "Sabotagehandlungen" mit Brandbeschleunigern und elektronischen Zeitgebern entschlossen, um die Hauptstadt in den "Pausenmodus" zu legen, so die Extremisten. Das Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg hält das Schreiben nach einer vorläufigen Bewertung für authentisch.

Die Tunneleinfahrt, in der die Brandsätze deponiert waren, liegt gut 200 Meter vom neuen Berliner Hauptbahnhof entfernt. Laut Bahn hatte der Mitarbeiter die Behälter mit Flüssigbrennstoff bei zusätzlich veranlassten Streckenkontrollen entdeckt. Ob weitere Brandsätze in Berlin versteckt sind, blieb zunächst unklar.

Die Bahn reagierte empört auf die Anschläge. "Unsere Kunden sollen laut Bekennerschreiben für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr herhalten. Das ist absolut verantwortungslos", sagte der Sicherheitsbeauftragte des Konzerns, Gerd Neubeck. Die Gewerkschaft der Polizei verglich die Attacken auf das Schienennetz der Deutschen Bahn mit dem Terror der RAF. "Auch er hat mit der verharmlosenden sogenannten Gewalt gegen Sachen begonnen. Später wurden Menschen ermordet", sagte Gewerkschaftschef Bernhard Witthaut. Er forderte mehr Personal für Verfassungs- und Staatsschutz, um gegen "linksextremistische Gewalttaten" vorzugehen.

Die Bahn geht davon aus, dass die Reparatur der Strecke Berlin-Hamburg zwischen den Bahnhöfen Brieselang und Finkenkrug bis heute Vormittag dauern wird. Noch bis Mittwoch könne es aber zu Verspätungen von bis zu einer Dreiviertelstunde kommen. Fernzüge wurden über Stendal und Wittenberge umgeleitet, die Fahrzeiten verlängerten sich um bis zu eine Stunde. Auf mehreren Regionalverbindungen musste die Bahn Busse einsetzen. Die Fahrplanauskunft im Internet brach am Nachmittag zeitweise zusammen.

Laut Polizei ist ein Zusammenhang mit früheren Anschlägen auf die Deutsche Bahn nicht auszuschließen. Im Mai hatte es am Berliner Bahnhof Ostkreuz einen Anschlag gegeben, der ebenfalls den S-, Regional- und Fernbahnverkehr stundenlang lahmlegte. Auch damals hatte sich eine Gruppe im Bekennerschreiben nach einem isländischen Vulkan benannt.