Brand-Attacken auf die Bahn haben neue Dimension erreicht. Erneute Funde von Brandsätzen legen weitere wichtige ICE-Strecke lahm.

Berlin. Die Bahn hat 100 000 Euro Belohnung für Hinweise ausgesetzt, mit denen die Täter der versuchten Brandanschläge ergriffen werden können. Dies teilte die Bahn am Mittwoch mit. Durch die Brandsätze, die an Gleisen und Kabelschächten gefunden wurden, haben sich seit Montag rund 2000 Züge wegen der Streckensperrungen verspätet. Die Verspätungen summierten sich auf etwa 833 Stunden. Mutmaßlich linksextreme Täter wollten mit den Attacken den Bahnverkehr lahmlegen. Nach bisheriger Kenntnis zündeten aber nur zwei Brandsätze.

Über die Verteilung der Belohnung werde nach Bedeutung der einzelnen Hinweise entschieden, hieß es weiter.

Hinweise werden unter folgender Adresse entgegengenommen: Deutsche Bahn AG, Konzernsicherheit, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin

Dritter Tag der Anschlagsserie

Die obersten deutschen Bundesermittler fahnden jetzt nach den Urhebern der Serie von Bahn-Brandanschlägen in Berlin und Brandenburg. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat am Mittwoch Ermittlungen aufgenommen. Es bestehe der Verdacht der „verfassungsfeindlichen Sabotage“, sagte ein Sprecher der Behörde. Das Bundeskriminalamt (BKA) sei mit der weiteren Aufklärung beauftragt.

+++ Berliner Polizei im Dauereinsatz wegen Terroralarm +++

Den dritten Tag in Folge wurden in Berlin Brandsätze an Gleisen der Bahn entdeckt. Der Zugfernverkehr von und nach Berlin war erheblich gestört. Zehntausende Reisende am Hauptbahnhof – einem der zentralen Bahnknotenpunkte Deutschlands – waren von Verspätungen und ausgefallenen Zügen betroffen.

Die Polizei geht bisher von linksextremistischen Tätern aus. Die Politiker sind sich uneins, ob es sich bei den Taten um eine neue Dimension linksextremer Gewalt handelt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) legte dies nahe.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ist unter anderem für die Verfolgung terroristischer Gewalttaten zuständig. Noch am Vortag hatte ein Sprecher gesagt, es gebe keine Anzeichen, dass die Vorfälle in die Zuständigkeit der Behörde fielen. Nun heißt es dort: „Ausmaß und Anzahl der Anschläge“ sprächen für eine besondere Bedeutung des Falles.

Die Bahn prüft derzeit nach Angaben ihres Sicherheitschefs Gerd Neubeck, ob weiteres Sicherheitspersonal eingestellt wird. Seit den ersten Funden am Montag suchen Bahn und Bundespolizei verstärkt alle Gleisanlagen ab.

Nach der Strecke Berlin-Hamburg musste am Mittwoch auch die zweite wichtige Fernbahnstrecke von und nach Berlin zweitweise gesperrt werden. Züge Richtung Hannover wurden umgeleitet, nachdem an den Gleisen der Strecke im Westen Berlins zwei weitere Brandsätze entdeckt wurden. Einer davon war vermutlich schon am Montag oder Dienstag explodiert.

Betroffen waren durch die Streckensperrung auch Reisende nach Frankfurt, ins Ruhrgebiet und ins Rheinland. Einen anderen Brandsatz fanden Bundespolizisten am Mittwoch zwischen den Bahnhöfen Schöneberg und Südkreuz südlich der Berliner Innenstadt.

Trotz der Verspätungen und Zugausfälle hielt sich der Unmut der Bahnkunden am Berliner Hauptbahnhof vergleichsweise in Grenzen. Zehntausenden gestrandeten Fahrgästen blieb aber auch wenig anderes übrig, als geduldig auf den Bahnsteigen zu warten. Verständnislos reagierten viele Menschen allerdings auf die Methoden der Täter.

Die Polizei geht davon aus, dass alle Brandsätze gleichzeitig von mutmaßlich linksextremistischen Tätern deponiert wurden und seitdem nach und nach entdeckt werden. Insgesamt handelt es sich bislang um mindestens 14 Brandsätze in der Hauptstadt und im Umland. Die Polizei schloss nicht aus, dass es noch weitere, nicht entdeckte Sprengsätze gibt. Bislang konnten keine Täter gefasst werden. Verletzt wurde niemand.

Bundesverkehrsminister Ramsauer verurteilte die versuchten Brandstiftungen scharf und sprach von „verbrecherischen terroristischen Anschlägen“, die auch in eine neue Dimension hineingingen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) widersprach: „Ich gehe nicht davon aus, dass uns hier ein neuer Linksterrorismus droht. Selbstverständlich ist das aber ein furchtbarer Zustand, dass Menschen andere Menschen gefährden. Das muss bekämpft werden.“

Auch das Bundesinnenministerium sah noch keinen neuen Linksterrorismus in Deutschland. Es gebe bislang keine Hinweise darauf, dass aus den linksextremistischen Strukturen bereits linksterroristische Vereinigungen im Sinne des Strafgesetzbuches geworden seien, sagte Ministeriumssprecher Jens Teschke.

Die Linke distanzierte sich von den Urhebern der Aktionen: „Wer Brandbomben an Bahngleise legt, ist nicht links sondern kriminell. Gewalt ist keine Politik sondern eine Straftat und muss verfolgt werden“, schrieb Parteichef Klaus Ernst am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter.

Nach den ersten Anschlägen war am Montag ein Bekennerschreiben im Internet aufgetaucht. Eine linksextreme Gruppe protestierte darin gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan.

Für die Brandsätze verwendeten die Täter meist Plastikflaschen, die mit Benzin gefüllt und mit Zündern versehen waren. Sie wurden in Kabelschächten deponiert und sollten Kabelstränge und Leitungen zerstören, mit denen Weichen und Signale gesteuert werden.

Eine Gefahr für Menschen sahen Experten nicht, weil bei einem Ausfall der Technik alle Züge gestoppt werden. Die allermeisten der mindestens 14 Brandsätze zündeten nicht. Entweder verhinderte das Regenwetter Schlimmeres oder sie versagten aus technischen Gründen.

(abendblatt.de/dpa/dapd)