Bahnmitarbeiter entdecken erneut Brandsätze am Hauptbahnhof und im Südosten Berlins. Innenminister kündigt mehr Polizeistreifen an.

Berlin/Hamburg. Terroralarm in Berlin: Innerhalb von zwei Tagen haben vermutlich Linksextremisten an drei Stellen Brandsätze an Bahnstrecken deponiert. Sie konnten rechtzeitig entschärft werden. Die Täter wählten wichtige Verkehrskotenpunkte aus, zwei Mal den Berliner Hauptbahnhof. Die Fundorte an Europas größtem Kreuzungsbahnhof lagen nur wenige Hundert Meter auseinander. Die Polizei geht von einem Zusammenhang der Taten aus. Die versuchten Brandanschläge lösten eine Debatte über den Umgang mit Linksextremismus sowie über Sicherheitszuständigkeiten aus.

Laut einem Bekennerschreiben vom Montag stehen die Taten im Zusammenhang mit Protesten gegen den Krieg in Afghanistan, dessen Beginn sich in diesem Tagen zum zehnten Mal jährt. Ihr Ziel ist es offenbar, den öffentlichen Personennahverkehr in Berlin lahmzulegen. Nach den Funden der Brandsätze kam es zu massiven Einschränkungen im Berliner Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr.

Verkehrseinschränkungen bis Mittwoch

Am Dienstag wurden Brandsätze nördlich des Berliner Hauptbahnhofs und im Südosten der Stadt entdeckt. Am sogenannten Grünauer Kreuz bemerkten Sicherheitsmitarbeiter am Vormittag die verdächtigen Behälter auf einem Kontrollgang. Laut Polizei haben die Brandsätze wie bereits am Montag in einem Tunnel am Berliner Hauptbahnhof „glücklicherweise“ nicht gezündet.

In Brandenburg war am Montag bei einem Brandanschlag Sachschaden an Kabeln an der Strecke Berlin-Hamburg entstanden. Dies führte auch am Dienstag zu starken Einschränkungen im Bahnverkehr. Die Reparaturarbeiten sollen bis Mittwoch andauern. Die Ermittlungen nach den Tätern liefen mit „hoher Intensität“, sagte ein Sprecher des Brandenburger LKA.

Brandsätze haben gleiche Bauart

Laut Polizei handelt es sich bei den am Dienstag gefunden Brandsätzen wie bei denen am Montag am Hauptbahnhof um Flaschen gefüllt mit einer Flüssigkeit. Ob diese brennbar ist, sollen die Ermittlungen klären.

Am Montag waren nahe einer Tunnelausfahrt nördlich des Berliner Hauptbahnhofs mehrere Brandsätze entdeckt worden, die aber entschärft wurden, bevor etwas passieren konnte. Am Dienstag wurden Brandsätze etwa 600 Meter von der Fundstelle entfernt in der Döberitzer Straße entdeckt. Sie waren laut Polizei beidseits der Strecke jeweils an Kabelschächten angebracht. Gegen 16.30 Uhr waren sie entschärft und der Verkehr rollte eine halbe Stunde später wieder.

Der Berliner Verfassungsschutz geht davon aus, dass hinter den Brandanschlägen eine isolierte Einzelgruppe steckt. „Derartige Angriffe auf Infrastruktur, mit dem Ziel maximalen Schaden zu verursachen, sind auch für die gewaltbereite Szene in Berlin eine Besonderheit“, sagte Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“ (Mittwochausgabe).

Bekennerschreiben aus der linken Szene

In dem Bekennerschreiben, das auch in einem linken Internetforum veröffentlicht wurde, übernahm eine Gruppe, die sich „Hekla-Empfangskomitee – Initiative für mehr gesellschaftliche Eruptionen“ nennt, die Verantwortung für „Sabotagehandlungen an mehreren Kabelschächten“. Diese sollten „die Hauptstadt Berlin in den Pausenmodus“ zwingen.

Innensenator Körting hatte am Montag nach dem verhinderten Anschlag am Hauptbahnhof gefordert, dass die Bahn Knotenpunkte besser überwachen sollte. Es sei zu prüfen, ob die Bahn notfalls Videoanlagen nachrüsten müsse.

Der Leiter der DB-Konzernsicherheit, Gerd Neubeck, gab zu bedenken, 34.000 Kilometer Streckennetz seien nicht lückenlos zu überwachen, die Kontrollen der Bahn hätten jedoch gegriffen. „Grundsätzlich ist und bleibt die Bekämpfung gewaltbereiter Gruppen Aufgabe des Staates“, unterstrich der ehemalige Vize-Polizeipräsident Berlins.

Innenminister kündigt zusätzliche Bundespolizisten an

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte nach den Attacken auf Verkehrseinrichtungen eine höhere Polizeipräsenz an. „Ich habe aufgrund der Vorfälle angeordnet, die Streifen der Bundespolizei auf den Bahnanlagen im Großraum Berlin ab sofort zu verstärken“, sagte Friedrich der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwochausgabe). Er zeigte sich auch besorgt um den zunehmenden Linksextremismus.

Der Vorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, Ernst Walter, sprach sich dafür aus, die an Berlin zur Eindämmung der Autobrandstiftungen ausgeliehenen Bundespolizisten abzurufen und sofort wieder für die „eigene Bahnpolizeiaufgabe“ einzusetzen. Auf Veranlassung des Innenministers sind wegen einer Serie von Kfz-Brandstiftungen seit Wochen nachts zahlreiche Bundespolizisten zusätzlich auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte die Bundesregierung angesichts der aktuellen Bahn-Brandanschläge auf, für den Haushalt 2012 geplante Stellenstreichungen und Budgetkürzungen zu stoppen.

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