Rheinische Landeskirche überprüft möglichen Amtsverstoß des Ex-TV-Pfarrers. Fliege soll im Seelsorgegespräch mit einem Brautpaar über dessen Trauung gesagt haben, Gott und Kirche seien „erst mal scheißegal“, es komme auf die Seele an.

Düsseldorf. Neue Runde in der Esoterik-Debatte über Jürgen Fliege: Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) hat ein Disziplinarverfahren gegen den als Fernsehpfarrer bekanntgewordenen 64-Jährigen eingeleitet. Dem Disziplinarverfahren liege der Verdacht zugrunde, der Ruhestandspfarrer der rheinischen Kirche habe gegen seine Amtspflichten verstoßen, erklärte das Landeskirchenamt in Düsseldorf am Freitag. Die EKiR verweist auf Paragraf 32 ihres Pfarrdienstgesetzes, wonach Pfarrer in ihrer Lebensführung sowie in ihrem dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten ihrem Auftrag verpflichtet seien und als Vertreter der Kirche angesehen werden. Dies gelte auch für Ruhestandsgeistliche.

Zu den konkreten Beweggründen für die Einleitung des Disziplinarverfahrens machte die Landeskirche allerdings keine Angaben. In dem laufenden Verfahren würden schutzwürdige Interessen berührt, sagte ein Sprecher der rheinischen Kirche.

Das evangelische Kirchenrecht sieht ein Disziplinarverfahren vor, wenn ein Pfarrer seine "Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt“, unabhängig davon, ob sie im aktiven Dienst oder bereits im Ruhestand sind. Es geht dabei nicht um Abweichungen vom kirchlichen Bekenntnis. Wie der rheinische Pressesprecher erläuterte, kann am Ende des Disziplinarverfahrens, dessen Dauer derzeit nicht abzuschätzen sei, ein Verweis stehen, eine Kürzung der Bezüge oder gar die Entfernung aus dem Amt.

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In einer schriftlichen Stellungnahme bedauerte Fliege das Disziplinarverfahren. Die Landeskirche habe im Vorfeld nicht das Gespräch mit ihm gesucht. Fliege verwies zudem darauf, dass seine umstrittenen Äußerungen, die bei einem Brautgespräch fielen, von einem Zeitungsjournalisten trotz gebotener Verschwiegenheit an die Öffentlichkeit gelangt seien. „Ich erstaune, wie skrupellos meine Kirche auf das Wort eines bezahlten Spötter setzt, der mein Vertrauen missbraucht.“ Nach einem Bericht der "Welt“ soll Fliege in dem Seelsorgegespräch mit einem Brautpaar über dessen Trauung gesagt haben, Gott und Kirche seien „erst mal scheißegal“, es komme auf die Seele an.

Fliege war bereits früher in Konflikt mit der evangelischen Kirche geraten. 1999 hatte Fliege in einem Interview Gott als "Gauner da oben“ bezeichnet. Zuletzt hatte er Unmut ausgelöst, indem er eine angeblich von ihm spirituell aufgeladene "Fliege-Essenz“ bewarb und über seine Homepage vertrieb. In die Flüssigkeit hatte er nach eigenen Angaben durch Gebete "Trost und Kraft“ gesendet. Eine 95-Milliliter-Flasche der Flüssigkeit kostet 39,95 Euro plus Versand. Zudem warb er für einen Raumtrockner, der nach Medienangaben 4.000 Euro kostet und von einem Scientology-Mitglied produziert wird.

In seiner Stellungnahme vergleicht Fliege den Vertrieb mit "segensreichen“ Buch- und CD-Publikationen anderer evangelischer Theologen wie Margot Käßmann und bezeichnet seine Essenz als "gutes Lebensmittel“. Zu dessen Konsum habe er lediglich tägliches Beten empfohlen.

Fliege wirft der Kirche vor, ihre Augen "vor einer verdrängten Wirklichkeit“ zu verschließen. Der Segen Gottes sei kostenlos, das Weitergeben des Segens durch die Kirche sei es aber nicht, erklärte er. Ohne steuerpflichtiges Mitglied in einer Kirche zu sein, gebe es keinen kirchlichen Segen bei einer Trauung und auch keine Beerdigung. Er segne auch Menschen im Namen Jesu, die nicht in der Kirche sind, "und das ist auch gut so“.

Zuletzt musste sich Fliege Kritik der Hamburger Sektenexpertin Ursual Caberta erwehren. Die ehemalige Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft hatte im August am Rande der Vorstellung ihres "Schwarzbuchs Esoterik" gesagt, Fliege stehe symptomatisch für eine gefährliche Entwicklung: Der 64-Jährige sei vom evangelischen Pastor zum Esoteriker mutiert. Er habe "wohl alles vergessen, was er in christlicher Geschichte vielleicht mal gelernt hat“. Caberta hatte auch andere Prominente wie Sängerin Nena und Entertainer Hape Kerkeling kritisiert , die wissentlich oder unwissentlich die nach ihrer Meinung gefährliche Esoterik-Szene stützen.

Der in Radevormwald bei Wuppertal geborene Jürgen Fliege war Pfarrer in Düsseldorf, Essen und Aldenhoven bei Aachen, bevor er 1994 in der ARD mit einer nach ihm benannten Talkshow auf Sendung ging. 2005 wurde das Format eingestellt. (epd/kna/abendblatt.de)