Inzwischen geht auch die Regierung von einer teilweisen Kernschmelze aus. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy plant Japan-Besuch.

Tokio/Fukushima. Auf dem Gelände des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi ist Plutonium im Boden gefunden worden. Das meldete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Betreibergesellschaft Tepco (Tokyo Electric Power Co.). An fünf verschiedenen Punkten des AKW-Geländes sei das hochgiftige Schwermetall festgestellt worden.

Plutonium befindet in hoher Menge in den Brennstäben der Reaktors 3 in Fukushima-Daiichi und in niedrigerer Konzentration in den abgebrannten Brennelementen in den Abklingbecken aller sechs Reaktoren.

Die Betreibergesellschaft geht davon aus, dass das Plutonium aus dem Kernbrennstoff des AKW stammt. Die genaue Quelle sei jedoch unbekannt.

Die Lage am havarierten Atomkraftwerk Fukushima im Nordosten Japans bleibt extrem gefährlich. Die Regierung in Tokio räumte am Montag ein, dass im Reaktor 2 in den vergangenen zwei Wochen vermutlich eine Kernschmelze eingesetzt hatte. Man glaube aber, dass der Prozess gestoppt sei, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Die Regierung appellierte an die Anwohner, nicht in ihre Häuser im 20-Kilometer-Evakuierungsradius um das AKW zurückzukehren. Doch vor allem ältere Menschen ignorieren die Warnungen. Die Zahl der verstrahlten Arbeiter an der Atomruine erhöhte sich um 2 auf 19.

Was genau im Inneren der Problem-Meiler abläuft, ist immer noch unklar. Die Regierung schloss allerdings aus der extrem erhöhten Radioaktivität, dass es im Krisen-Meiler 2 von Fukushima Eins zum Beginn einer Kernschmelze gekommen sein müsse. Nach Angaben des Stromkonzerns Tepco wurde an dem Reaktor am Sonntagnachmittag eine Strahlendosis von 1000 Millisievert pro Stunde in einem Wassergraben gemessen, der zum benachbarten Turbinengebäude führt.

Die natürliche Radioaktivität in Deutschland liegt laut der Gesellschaft für Reaktorsicherheit bei etwa 2,1 Millisievert - und zwar pro Jahr. Der Energiekonzern Tepco hatte nach Beginn der Katastrophe festgelegt, dass die Arbeiter am Atom-Wrack höchstens 150 Millisievert Strahlung pro Noteinsatz abbekommen dürfen.

Auch jetzt gab es von der Regierung keine genauen Informationen zum Zeitpunkt der vermuteten Kernschmelze. Sowohl Fachleute wie auch Tepco hatten in den ersten Tagen nach dem verheerenden Erdbeben und anschließenden Tsunami schon einmal von einer möglichen „partiellen Kernschmelze“ gesprochen. Tepco hatte das aber wieder zurückgenommen. Fukushima Eins hat sechs Reaktoren. Mehrere davon sind nach Explosionen stark zerstört.

Regierungssprecher Edano kritisierte am Montag den Umgang des Betreibers Tepco mit den Strahlungs-Messwerten am AKW scharf. Das Vorgehen sei „inakzeptabel“. Das Unternehmen hatte am Wochenende widersprüchlich Angaben zur Höhe der Strahlung gemacht. Das sorgte international für Aufregung. Die japanische Atomaufsichtsbehörde wies den AKW-Betreiber jetzt an, solche Irrtümer in Zukunft zu vermeiden.

Auch die Lage in der Gefahrenzone um das AKW bietet zunehmend Anlass zur Sorge: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Umkreis von 20 Kilometern um das Kraftwerk kontaminiert ist, und es gibt derzeit ein großes Risiko (für die Gesundheit)“, sagte Regierungssprecher Edano der Agentur Kyodo zufolge. Anwohner sollen die Evakuierungszone auf keinen Fall betreten, bevor die Regierung grünes Licht gebe. Doch viele der Flüchtlinge kehren trotz der Warnungen zurück, berichtete der staatliche Fernsehsender NHK. Die Menschen seien erschöpft vom Leben in den Notlagern. Sie wollten wieder nach Hause, erklärte die Provinzregierung von Fukushima.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte zuvor sogar eine Ausweitung der Evakuierungszone rund um das Atomwrack gefordert. Unterdessen setzten die Arbeiter und Techniker in der Atomruine ihre Bemühungen fort, das hoch radioaktive Wasser aus den Gebäuden zu pumpen, sowie Strom- und Wasserversorgung für die Kühlung der havarierten Reaktoren wiederherzustellen. Nach Angaben der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) wird der kritische Block 2 seit dem Wochenende wieder mit Frischwasser gekühlt, nicht mehr mit Meerwasser.

Bisher wurden 19 Arbeiter bei der Rettungsaktion stärker verstrahlt - sie waren einer Radioaktivität von mehr als 100 Millisievert ausgesetzt. Drei Arbeiter, die am vergangenen Donnerstag einer erhöhten Strahlendosis ausgesetzt waren, wurden nach Angaben von Kyodo am Montag aus dem Krankenhaus entlassen.

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Unterdessen erschütterten weitere Beben die Katastrophenregion. Am Montagmorgen bebte die Erde nach japanischen Angaben mit einer Stärke von 6,5. Die US-Erdbebenwarte stufte die Stärke des Erdstoßes dagegen auf 5,1 zurück. Kurz danach gab es ein weiteres Nachbeben. Von dem havarierten Kernkraftwerk wurden jedoch keine weiteren Schäden gemeldet. Eine von den Behörden ausgegebene Tsunamiwarnung wurde später aufgehoben.

Gefahren-Zone um AKW: Japaner kehren zurück

Die Region war am 11. März von einem verheerenden Erdbeben der Stärke 9 sowie einem Jahrhundert-Tsunami schwer zerstört worden. Mehr als 11.000 Menschen verloren im Nordosten des Landes ihr Leben, über 17.000 Menschen gelten als vermisst. Noch immer hausen 190.000 Menschen in Notunterkünften, wie NHK meldete. Die Aufräumarbeiten nach dem Tsunami wurden am Montag fortgesetzt. Ministerpräsident Naoto Kan sagte mit Blick auf die eingesetzten Soldaten, sie müssten sich auf einen langfristigen Einsatz einstellen.

Der japanische Kraftwerksbetreiber Tepco hat Frankreichs Atomexperten um Hilfe gebeten. „Tepco hat sich erstmals an die französische Atomindustrie gewandt, das ist eine gute Nachricht“, sagte Frankreichs Industrieminister Eric Besson am Montag dem Sender RTL. Dabei gehe es vor allem darum, Experten zu finden, die sich mit radioaktiv verstrahltem Wasser beschäftigten.

Der französische Atomkonzern Areva werde in Kürze zwei Experten nach Japan schicken. Der Stromkonzern EDF habe bereits etwa 130 Tonnen Material nach Japan geschickt, darunter auch Roboter, die in radioaktiv verstrahlten Gelände eingesetzt werden können. „Es ist schwierig, einen Überblick über die Situation zu bekommen“, sagte Besson.

Die französische Atomaufsicht organisiert seit der Katastrophe in Fukushima täglich Pressekonferenzen und informiert über die Entwicklung vor Ort. Frankreich nimmt besonders intensiv Anteil an dem Geschehen in Japan, da es sich wie kein anderes Land der Atomenergie verschrieben hat. Frankreich besitzt derzeit 58 Reaktoren und steht damit an zweiter Stelle hinter den USA.

Als erster ausländischer Staatschef seit der Atomkatastrophe von Fukushima will der französische Präsident Nicolas Sarkozy Japan besuchen. Sarkozy plane am Mittwoch einen Abstecher auf seiner Reise nach China, berichteten mehrere französische Medien am Montag unter Berufung auf Regierungskreise.