Anna soll in der Badewanne drei Minuten unter Wasser getaucht worden sein. Nun soll das Verfahren neu aufgerollt werden, mit verschärfter Anklage.

Bonn. Der Prozess gegen die Pflegeeltern der getöteten neunjährigen Anna aus Bad Honnef muss neu aufgerollt werden. Das Bonner Schwurgericht gab am Montag dem Antrag der Verteidigung der Pflegemutter statt, das Verfahren auszusetzen. Der Grund dafür ist, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen die Pflegeeltern noch nachträglich verschärfen wollte. Die Pflegeeltern waren ursprünglich wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Dann jedoch sagte ein Rechtsmediziner in dem Prozess aus, dass Anna mindestens drei Minuten in einer Badewanne unter Wasser gedrückt worden sei. Daraufhin wollte die Staatsanwaltschaft erreichen, dass die Pflegemutter wegen Mordes und Totschlags im besonders schweren Fall verurteilt werden kann. Dies lehnte das Gericht ab. Allerdings ließ es eine Verschärfung der Anklage auf Totschlag zu.

Daraufhin beantragte die Verteidigung, das Verfahren neu aufzurollen. In der ursprünglichen Anklage sei nicht von einem Tötungsvorsatz ausgegangen worden, sagte der Verteidiger. Zudem sei nicht die Rede davon gewesen, dass das Kind drei Minuten unter Wasser gedrückt worden sei. Seine Mandantin bestreite die jetzt dargestellten Umstände.

Anna lebte seit zwei Jahren bei den Pflegeeltern in Bad Honnef. Am Abend des 22. Juli lag sie leblos in der Badewanne, ihr Gesicht war blau angelaufen, sie atmete nicht mehr. Der vom Pflegevater alarmierte Rettungsdienst brachte das Kind in ein Krankenhaus, wo es starb. Der Körper des Mädchens war voller blauer Flecke. Ein Fall von Kindesmisshandlung, sagte die Staatsanwaltschaft. Das Kind sei von den Pflegeeltern in mindestens 55 Fällen gequält und roh misshandelt worden. Die letzte Misshandlung habe den Tod verursacht.

Im Prozess äußerte sich die Pflegemutter nicht. Nur ihr Mann sagte aus. Schon bei den Vernehmungen hatte er angegeben, dass seine Frau Anna an dem Abend gebadet und untergetaucht habe. Vor Gericht erhebt er aber auch indirekt Vorwürfe gegen das für Anna zuständige Jugendamt Königswinter. Mehrfach habe er der Mitarbeiterin dort gesagt, dass sie Anna anderswo unterbringen solle. Anna esse nicht, sie sei renitent. Die Mitarbeiterin habe Abhilfe zugesagt, geschehen sei aber nichts.

Nachbarn erklärten, sie hätten wiederholt die Polizei alarmiert oder das Jugendamt angerufen, wenn sie Kinderschreie aus der Wohnung gehört hätten. Am Abend vor dem tödlichen Bad war Anna vom Balkon der Erdgeschosswohnung gesprungen und hatte sich darunter verkrochen. Sie wollte dem Baderitual entgehen, bei dem sie schon mehrfach untergetaucht worden war. Die Pflegemutter sagte aus, dass sich Anna die blauen Flecke selbst zugefügt habe. Außerdem habe sie eine Wasserphobie gehabt. Für beides hatte sie Atteste, ausgestellt, ohne dass die Ärzte das Kind wirklich untersucht hatten. Sie hatten der Pflegemutter einfach geglaubt. Die Hausärztin gab im Prozess zu, sie habe Fehler gemacht.

Unklar ist noch, welche Rolle das Jugendamt Königswinter in der Sache spielte. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern noch an. Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass Annas dortige Betreuerin nach dem Tod des Kindes Teile der Akten vernichtete, bevor die Unterlagen an die Ermittler ausgeliefert wurden. In der vergangenen Woche durchsuchte die Staatsanwaltschaft das Amt.

Auftakt des neuen Prozesses wird der 2. Mai sein. Insgesamt sind nach Angaben des Gerichts 13 Verhandlungstage geplant. Das Urteil ist für den 20. Juni vorgesehen.