Diese Frage soll der Prozess klären. Mehrere Minuten habe die 52-Jährige die neunjährige Anna in der Badewanne unter Wasser gedrückt.

Bonn. Lange musste Anna leiden, dann hatte diese quälende Zeit ein Ende - allerding nur durch ihren Tod. Den Pfelegeltern wird der Prozess gemacht, die Pflegemutter soll den Vorsatz gehabt haben, das Kind zu töten. Ihr droht mit der verschärften Beschuldigung eine lange Freiheitsstrafe. Anna war in ihrer Pflegefamilie in Bad Honnef bei Bonn immer wieder misshandelt und gequält worden. Als sie für mindestens drei Minuten in der Badewanne unter Wasser gedrückt wurde, überlebte sie diese letzte Gewalttat nicht. Der Prozess gegen die Pflegeeltern wurde am Montag vor dem Bonner Landgericht neu aufgerollt.

„Sie hat sich nicht mehr gerührt“, schilderte der 51-jährige Pflegevater vor Gericht die Todesszenerie. Als er ins Badezimmer kam, habe er gesehen, wie seine Frau das Pflegekind unter Wasser hielt. Anna habe mit dem Rücken flach im Wasser gelegen, seine Frau habe ihr noch die Hand auf die Brust gedrückt.

Angeklagt sind beide Pflegeeltern. Ursprünglich lautete die Anklage auf schwere Körperverletzung mit Todesfolge. Bei dem Pflegevater blieb es unverändert bei der vorherigen Anklage. Der Haftbefehl gegen seine Ehefrau wurde nach Erklärungen des Vorsitzenden Richters der Bonner Schwurgerichtskammer, Josef Janssen, aber neu auf Totschlag verschärft: „Sie fasste den Entschluss, Anna zu töten.“ Es gebe daher den dringenden Tatverdacht, dass sie in Tötungsabsicht gehandelt habe.

Das Kind wurde laut Anklage von den Pflegeeltern in mindestens 55 Fällen gequält und misshandelt. Die letzte Misshandlung habe den Tod verursacht. Und das alles geschah nur, weil Anna angeblich renitent war: Sie wollte nicht richtig essen und sich nicht waschen.

Anna lebte seit zwei Jahren bei den Pflegeeltern. Ihre Mutter war alkoholkrank, der Vater war verstorben. Am Abend des 22. Juli 2010 lag sie leblos in der Badewanne, ihr Gesicht war blau angelaufen. Der vom Pflegevater alarmierte Notarzt brachte das Kind in ein Krankenhaus, wo es starb. Der Körper des Mädchens war voller blauer Flecken. Im ersten Prozess hatte ein Rechtsmediziner ausgesagt, dass Anna mindestens drei Minuten unter Wasser gedrückt worden sei - möglicherweise waren es bis zu fünf Minuten.

Der Pflegevater wiederholte vor Gericht seine schweren und detaillierten Anschuldigungen gegen seine Ehefrau. Er äußerte sich ausführlich und gab eine Teilschuld an den verschiedenen Taten zu. „Ich habe auch getunkt, leider ein- oder zweimal.“ Er half auch am Todestag von Anna noch beim Fesseln und Knebeln. Der Mann, der zuletzt in der Registratur beim Bundesumweltministerium arbeitete, machte vor Gericht einen besonnenen Eindruck. Er hat nach eigenen Angaben einen Herzinfarkt hinter sich und war wegen Depressionen in psychiatrischer Behandlung.

Die Pflegemutter schwieg - wie bereits im ersten Prozess - zu allen Vorwürfen. Flankiert von ihren beiden Anwälten folgte die korpulente Frau, die früher als Englisch-Übersetzerin arbeitete und auch als Tagesmutter eine Reihe von Kindern aus der Nachbarschaft betreute, den Vorwürfen und Darstellungen ohne erkennbare Regungen. Einer der beiden Söhne aus der ersten Ehe der Frau war - schwer behindert - vor einigen Jahren gestorben.

Anna wurde nach den Vorwürfen, wie sie Richter Janssen zusammenfasste, bei ihren Pflegeeltern immer wieder gefesselt, ihr Mund wurde mit Pflaster verschlossen, ihr wurden spitze Gegenstände wie Kugelschreiberspitzen oder Nagelpfeile in Körperteile gestoßen. Zu den Gewaltritualen gehörte auch das Untertauchen in der Badewanne. In panischer Angst habe Anna auch in das Badewasser gekotet. Die Gewalt habe zu den „Erziehungsmaßnahmen“ gehört.

Das erste Verfahren war Ende Februar gestoppt worden, als die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen die Pflegeeltern aufgrund neuer Erkenntnisse noch nachträglich verschärfen wollte. Dies beanstandete die Verteidigung und beantragte, das Verfahren neu aufzurollen.

Auch das Jugendamt Königswinter, das Anna an die Pflegefamilie vermittelt hatte, geriet in die Kritik. Gegen das Amt ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft. Es soll auf mehrfache Hinweise zu möglichen Misshandlungen nicht reagiert haben. Nachbarn erklärten, sie hätten wiederholt das Jugendamt angerufen, wenn sie Kinderschreie aus der Wohnung gehört hätten. Der Pflegevater will nach eigenen Angaben darum gebeten haben, das Kind anderswo unterzubringen.

Der Prozess wird am Donnerstag (5. Mai) fortgesetzt. Das Urteil soll am 14. Juli gesprochen werden.