Die Ermittler konzentrieren sich nach dem Zugunfall auf den Lokführer des Güterzuges. Bahnreisende machen sich Sorgen bezüglich der Sicherheit.

Hordorf/Magdeburg/Berlin. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer (CDU) hat angesichts des schweren Zugunglücks in der Nähe von Oschersleben Verständnis für aufkommende Sorgen von Bahnreisenden geäußert. In den vergangenen drei, vier Jahrzehnten habe es mehrere schwere Bahn-Unfälle gegeben. Er sei sich nicht sicher, dass künftig derartige Vorfälle vermieden werden könnten, sagte Böhmer am Montag in Nachrichtenradio MDR info in Halle. Allerdings sei eine technische Modernisierung der Strecken eine Möglichkeit, solche Risiken deutlich zu vermindern.

Böhmer stimmte den Bestrebungen einzelner Landes-Minister nach einer schnellen Umsetzung der Modernisierung zu. "Natürlich ist das wünschenswert." Allerdings sei die Situation sehr emotional überlagert. Außerdem sei das Land nicht zuständig für Investitionen bei der Bahn. Die Finanzierung müsse abgesprochen werden und sicher sein.

Haltesignal überfahren? Ermittlungen gegen Güterzug-Lokführer

Nach dem schweren Zugunglück in Sachsen-Anhalt konzentrieren sich die Ermittlungen unterdessen auf den Lokführer des Güterzuges. Gegen ihn wird wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Gefährdung des Bahnverkehrs ermittelt, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei an Montag in Magdeburg mit. Der Mann habe vor dem Zusammenstoß möglicherweise ein Haltesignal überfahren. Aufgrund einer Zeugenaussage bestehe ein Anfangsverdacht gegen den Mann. Auch der Aufenthaltsort des Güterzug-Lokführers zum Zeitpunkt des Unfalls muss noch geklärt werden. Zu Berichten, wonach der Lokführer auf der hinteren der beiden Lokomotiven gefunden wurde, sagte der Einsatzleiter der Bundespolizei Ralph Krüger: „Dieses Gerücht haben wir auch gehört, können es aber nicht bestätigen.“ Es sei aber Bestandteil der Ermittlungen, wo sich der Lokführer aufgehalten habe. Krüger verwies darauf, dass eine Lok nicht allein fahre. Es sei aber denkbar, dass der Lokführer sich in Sicherheit gebracht hat, als er den Regionalzug auf sich zufahren sah.

+++ Bisher erst zwei der zehn Leichen identifiziert +++

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg wollte im Laufe des Montags eine Presseerklärung zum Stand der Ermittlungen herausgeben. Nach dem schweren Zugunglück in Hordorf, bei dem am Sonnabendabend zehn Menschen ums Leben kamen und 23 Verletzungen erlitten, waren die Trümmer des völlig zerstörten Personenzuges in der Nacht zu Montag beseitigt und abtransportiert worden. Die Strecke ist weiter gesperrt.

Landesweite Trauerbeflaggung nach Zugunglück in Hordorf

Nach dem schweren Zugunglück von Hordorf hat das Innenministerium von Sachsen-Anhalt eine landesweite Trauerbeflaggung an öffentlichen Gebäuden angeordnet. Die Regelung gilt ab sofort bis einschließlich Freitag (4. Februar), wie das Ministerium am Montag in Magdeburg mitteilte. Innenminister Holger Hövelmann (SPD) sagte: "Dieses Unglück hat das ganze Land erschüttert." Mit der Trauerbeflaggung wolle das Land "ein Zeichen der Anteilnahme setzen". Sachsen-Anhalt sei in Gedanken bei den Angehörigen der Unfallopfer, betonte Hövelmann.

Ministerium erklärt: Bahn trifft an Unglück keine Schuld

Das Bundesverkehrsministerium sieht nach dem schweren Zugunglück in Sachsen-Anhalt keine Versäumnisse der Deutschen Bahn als Netzbetreiber. Erst bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde seien magnetische Abbremssysteme vorgeschrieben, sagte der Sprecher von Minister Peter Ramsauer (CSU) am Montag in Berlin. Auf dem betroffenen Streckenabschnitt Magdeburg - Halberstadt seien diese Notbremssysteme bei überfahrenen Haltesignalen noch nicht flächendeckend nachgerüstet worden, weil hier nur Geschwindigkeiten von 80 Kilometern pro Stunde erlaubt seien. Daher sei das Vorgehen der Bahn im Einklang mit der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung, betonte der Sprecher. Der Fahrgastverband Pro Bahn hatte als Konsequenz aus dem Unglück mit zehn Toten die Nachrüstung von Sicherheitssystemen auf allen Strecken gefordert.

Zu Berichten, das der Fahrer des Güterzugs nicht vorne in der Lok gestanden haben soll, sagte der Sprecher Ramsauers mit Blick auf die Rechtslage: “Der Lokführer hat an der Spitze des Zuges zu stehen.“ Das gelte sowohl für Personen-, als auch für Güterzüge. „Wir beteiligen uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht an Spekulationen“, sagte der Sprecher mit Blick auf die Unfallursache. Hierzu müssten die Ermittlungen abgewartet werden.

Veolia-Gruppe trauert um Opfer des Zugunglücks

Die Veolia-Gruppe hat den Angehörigen der Opfer des schweren Zugunglücks in Hordorf mit zehn Toten ihr "tiefstes Mitgefühl" übermittelt. "Wir sind sehr schockiert und bewegt von dieser Tragödie", sagte der Präsident und Generaldirektor von Veolia Environnement, Antoine Frerot, in Paris. Der Generaldirektor von Veolia Transport, Cyrille du Peloux, sprach vom "schwersten Bahnunfall in der Geschichte der Veolia-Verkehr-Gruppe in Deutschland."

Seit 2005 ist der HEX mit etwa 100 Mitarbeitern in Sachsen-Anhalt unterwegs und bedient ein Streckennetz von rund 269 Zugkilometern. Er fährt auf den Linien Magdeburg - Halberstadt - Thale/Blankenburg, Halle - Halberstadt - Vienenburg und Halle - Könnern - Bernburg. 2010 wurden den Angaben zufolge rund drei Millionen Fahrgäste befördert.

Busse ersetzen Bahn nach schwerem Zugunglück

Nach dem schweren Zugunglück in Sachsen-Anhalt ersetzen jetzt Busse die Züge auf der rund 33 Kilometer langen Strecke zwischen Oschersleben und Halberstadt. Fahrgäste des Harz- Elbe-Expresses (HEX) müssten für diesen Abschnitt mit einer zusätzlichen Fahrzeit von 20 bis 40 Minuten rechnen, sagte eine Sprecherin des zuständigen Transportunternehmens Veolia. Kundenbetreuer begleiteten die Reisenden von den Zügen zu den wartenden Bussen. Mindestens bis Montagabend soll die Unfallstelle bei Hordorf in der Magdeburger Börde voraussichtlich gesperrt bleiben.

Auf dem nun gesperrten Abschnitt zwischen Oschersleben und Halberstadt fahren täglich etwa 30 Züge, die nun durch Busse ersetzt werden. Auf den anknüpfenden Streckenabschnitten zwischen Magdeburg und Oschersleben sowie zwischen Halberstadt und Thale beziehungsweise Halberstadt und Blankenburg (Harz) fahren die Züge des Harz-Elbe-Expresses nach Fahrplan. Auch die Strecke Halle (Saale) - Halberstadt - Wernigerode - Vienenburg ist nicht beeinträchtigt. Aktuelle Auskünfte erhalten Reisende unter der Service-Nummer 03941 678333 . (dapd/dpa)