Für die ungewöhnliche Aggressivität der Tiere gibt es drei Theorien. Die Strände bei Scharm el Scheich bleiben bis auf weiteres geschlossen.

Kairo. Nach dem tödlichen Haiangriff auf eine deutsche Touristin in Ägypten sollen drei amerikanische Experten klären, wann in Scharm el Scheich am Roten Meer wieder ein sicherer Badebetrieb möglich ist. Bei einer Serie von Hai-Unfällen sind neben der älteren deutschen Frau vier weitere Touristen - drei Russen und ein Ukrainer - schwer verletzt worden. Reiseveranstalter in Deutschland und Großbritannien verzeichnen besorgte Anfragen von Urlaubern, die ägyptische Tourismusindustrie bangt um eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen.

Denn nicht Pyramiden und Pharaonen, sondern vor allem Strandurlaube sorgen nach amtlichen Angaben für die meisten Einnahmen aus dem Tourismus: Auf zwei Drittel der 9,3 Milliarden Euro des im Juni abgeschlossenen Haushaltsjahrs bezifferte Tourismusminister Sohair Garanah den Anteil, wie die Zeitung "Al Gomhurija" berichtete.

Eine Sprecherin des deutschen Reiseveranstalters L'Tur, Nina Meyer, sagte, bislang habe ihr Unternehmen keine Rücktritte von Urlaubsreisen nach Ägypten verzeichnet. Es gebe aber viele besorgte Anrufe mit den Fragen "kann ich noch schwimmen, was ist sicher und was nicht." Die britischen Reiseunternehmen Thomson und First Choice empfehlen ihren Kunden, bei Scharm el Scheich nicht ins Rote Meer zu gehen.

Die Strände um Scharm el Scheich sind seit dem tödlichem Angriff am Sonntag von den Behörden für unbestimmte Zeit geschlossen worden. Nur noch Berufstaucher dürfen ins Wasser.

Warum die angreifenden Haie - vermutlich Weißflossenhaie, die normalerweise nicht in Strandnähe kommen - sich so aggressiv verhielten, sollen die US-Experten Geoerge Burgess, Marie Levine und Ralph Collier klären. Burgess ist Direktor einer internationalen Datenbank für Haiangriffe, dem International Shark Attack File, Levine ist Direktorin des Haiforschungsinstituts in Princeton und Collier Autor des Buchs "Shark Attacks of the Twentieth Century" ("Hai-Angriffe im 20. Jahrhundert"). Sie sollen nach Angaben der ägyptischen Kammer für Tauchen und Wassersport entscheiden, wann es für Touristen wieder sicher ist, im Roten Meer zu schwimmen.

Es gibt drei Erklärungsansätze für die Haiangriffe. Umweltschützer vertreten die Theorie, die Überfischung treibe die Haie auf der Suche nach Nahrung in Küstennähe. Es gibt aber auch Vorwürfe gegen die Veranstalter von Bootsausflügen, die bei ihren Exkursionen Fleisch ins Meer werfen sollen. Damit sollen Haie in die Nähe der Boote gelockt werden, so dass die Touristen sie fotografieren können. Drittens soll ein Scharm el Scheich passierender Frachter kürzlich Tierkadaver ins Meer geworfen haben. Zuletzt hatte es 2009 einen tödlichen Haiangriff im Roten Meer gegeben. Damals war ein französischer Taucher tödlich verletzt worden.

Ein Mitarbeiter einer Tauchschule in Scharm el Scheich, Jochen van Lysebettens, sagte, trotz der geschlossenen Strände habe es wenig Absagen gegeben: Sein Unternehmen sei auf andere Badeorte an der Sinai-Halbinsel ausgewichen. Scharm el Scheich mit seinen Riffs ist aber eine wichtige Attraktion Ägyptens; jährlich kommen hunderttausende Touristen hierher.