Das Unglück hielt die Welt in Atem: Über zwei Monate waren die 33 chilenischen Kumpel verschüttet. Ihre Rettung wurde weltweit gefeiert.

San José. Chile feiert sein Wunder: Die historische Rettungsaktion in Chiles San-José-Bergwerk hat ein Happy-End. Am späten Mittwochabend (Ortszeit) fuhr der letzte der 33 verschütteten Kumpel aus dem Stollen nach oben, in dem die Minenarbeiter 69 Tage lang in mehr als 600 Metern Tiefe gefangen waren. Die perfekt organisierte Rettungsaktion dauerte nur 22 Stunden und 39 Minuten.

Als letzter Kumpel entstieg der Schichtführer und „Boss“ genannte Bergarbeiter Luis Urzúa Iribarren der Phönix-Rettungskapsel. Er hatte in der Tiefe entscheidend zum Zusammenhalt der Gruppe beigetragen. Urzúa wollte erst alle Männer gerettet wissen, bevor er sich selbst auf den Weg nach oben machte. Er wurde mit frenetischem Jubel empfangen und vom sichtlich ergriffenen Präsidenten Sebastián Piñera umarmt. „Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt““, sagte Piñera. Der Staatschef harrte am Ausgang des Rettungsschachtes aus und begrüßte die Kumpel mit den Worten: „Willkommen zurück im Leben.“

+++DIE RETTUNG DER KUMPEL IM LIVETICKER+++

Weltweit verfolgte die Öffentlichkeit das Schicksal der Verschütteten. Nach Schätzungen chilenischer Medien bangten eine Milliarde Menschen mit den Kumpeln und ihren Familien. Ihre Bergung machte international Schlagzeilen, englische Zeitungen titelten „Das Wunder von San José“ und „Wiedergeboren!“. Das belgische Blatt „Le Soir“ schrieb am Donnerstag: „Die Stars des Planeten. Aus dem Erdreich in den siebten Himmel“.

Zweieinhalb Stunden nach dem letzten Kumpel Urzúa kam auch der letzte von sechs Erstrettern wieder nach oben. Die Bergung verlief damit völlig reibungslos und ging viel schneller als erwartet - ursprünglich hatten die Einsatzkräften mit einer Dauer von bis zu zwei Tagen gerechnet.

Die zunächst im Schacht verbliebenen Retter hielten Minuten nach der Bergung von Urzúa ein Schild in die unterirdisch installierten Kameras. Darauf stand: “Mision cumplida. Chile“ (Mission erfüllt. Chile). Auf der Oberfläche knallten Sektkorken und die Menschen sangen die Nationalhymne. Als letzter Retter kam Manuel Gonzalez am Donnerstag um 00.32 Uhr Ortszeit (05.32 Uhr MESZ) aus dem Schacht.

Präsident Piñera dankte den Kumpel für ihre Ausdauer und den Rettern für deren unermüdlichen Einsatz. „Chile ist heute nicht mehr das gleiche Land wie vor 69 Tagen“, sagte er. Das Land sei nun geeinter und stärker und werde in Welt mehr respektiert und geschätzt. Die Bergleute hätten ein leuchtendes Beispiel von Mut, Loyalität und Kameradschaft gezeigt. Piñera fügte hinzu: „Viva Chile!“ (“Es lebe Chile“).

Der als 27. Bergmann befreite Franklin Lobos Ramírez war in sichtlich guter Verfassung, als er oben ankam. Chiles Ex-Fußballstar wurde nach der Ankunft von seiner Tochter bestürmt und umarmt. „Er hat das wichtigste Match seines Lebens gewonnen“, kommentierte das chilenische Fernsehen. Jede Ankunft wurde von den Familien gefeiert. Es spielten sich bewegende Szenen ab. Viele Kumpel dankten Gott für ihre Rettung und trugen T-Shirts mit der Worten „Gracias Senor, thank you Lord“ (Danke Herr). Dann folgte ein Auszug aus Psalm 95 der Bibel: „In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge“ und zum Schluss: „Ihm gehören Ehre und Ruhm.“

Für die Bergleute ging am Mittwoch ein langes Leiden zu Ende: 69 Tage schwankten sie und ihre Familien zwischen Angst und Hoffnung. Nie zuvor mussten Kumpel so lange unter Tage ausharren. Die Männer wurden in einem Feldlazarett kurz medizinisch untersucht und dann per Hubschrauber ins Krankenhaus der Stadt Copiapó geflogen. Dort wurden die Untersuchungen fortgesetzt. Auf den Fernsehbildern wirkten die meisten trotz der Strapazen erstaunlich fit.

Der chilenische Schriftsteller Antonio Skármeta rief dazu auf, nach der glücklichen Rettung mit der gleichen großen Anteilnahme auch anderen Notleidenden auf der Welt zu helfen. „Bildlich gesprochen möchte ich sagen, dass es noch viele Menschen in vielen Teilen der Welt gibt, die verschüttet sind, und die wir nicht sehen“, sagte Skármeta der in Berlin. „Wir könnten ihnen helfen, wenn wir eine Ethik hätten, wie sie die Welt gegenüber den paar chilenischen Bergleuten entfaltet hat.“

Auch der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, würdigte die Rettungsaktion als „Geschichte von Hoffnung und Erfolg“. „Heute feiern wir die Lust am Leben“, schrieb er. Der Pole Buzek verwies auf seine Herkunft aus einer Bergbauregion: „Ich kenne genau die Gefahren und Schwierigkeiten, die Bergarbeiter auf sich nehmen müssen, deshalb berührt mich diese Rettung so sehr.“

Nach Schätzungen des Internationalen Verbands der Bergbaugewerkschaften kommen jedes Jahr mindestens 12 000 Kumpel weltweit bei ihrer Arbeit ums Leben. Die 33 Chilenen hatten seit dem 5. August in der Kupfer- und Goldmine in der Atacama-Wüste rund 800 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago festgesessen. Um mit den knappen Ressourcen auszukommen, aßen sie in den ersten Tagen lediglich alle zwei Tage zwei Löffel Thunfisch. Erst nach 17 Tagen konnte die Gruppe ein Lebenszeichen absetzen und wurde danach durch enge Röhren mit Lebensmitteln, Trinkwasser, Kleidung, elektronischen Geräten, Klappbetten versorgt.

Ihre Geschichte interessiert längst auch Hollywood: Der Wettlauf um die Sicherung der Film-, Fernseh- und Buchrechte für das Minendrama hat bereits begonnen. Das US-Branchenblatt „Broadcasting & Cable“ berichtete, dass die Story Produzenten Hundertausende Dollar wert sein könnte. Der spanische Filmstar Javier Bardem werde bereits als Wunschkandidat gehandelt, verlautete aus Hollywood.