Die Amokläuferin Sabine R. erstickte ihren Sohn mit einer Plastiktüte und erschoss ihren Mann und einen Krankenpfleger. Was trieb sie?

Lörrach. Am Freitag spielte Roman noch im Kindergarten. Am Sonntag fanden Feuerwehrmänner den Fünfjährigen mit der lustigen, runden Brille tot in einer ausgebrannten Wohnung, auf einer verkohlten Matratze. Das zierliche Kind habe seinen Teddy im Arm gehabt, sagt einer, der es nach der gewaltigen Explosion unter den Trümmern entdeckte. Über seinem Kopf hatte Roman eine Plastiktüte. Der Junge muss mit einem schweren Gegenstand bewusstlos geschlagen worden sein, glaubt die Lörracher Polizei. Danach hat ihn jemand in der Tüte erstickt, höchstwahrscheinlich seine eigene Mutter , Sabine R.

Zwei Tage nach dem Amoklauf von Lörrach nimmt das Bild von der Täterin und ihren Motiven langsam Konturen an . Doch so manches bleibt widersprüchlich, und viele der drängenden Fragen sind nach wie vor ungelöst. Sicher ist nach der Obduktion des 44 Jahre alten Vaters von Roman, dass der Schreiner durch zwei Schüsse in Kopf und Hals starb. Der 56-jährige Pfleger, den sie umbrachte, hatte drei Schusswunden und mehrere Messerstiche im Körper. Sabine R. selbst wurde von 17 Polizeikugeln getroffen. All das haben die Obduktionen ergeben.

In Lörrach treibt angesichts dieser grausamen Fakten die Menschen die Frage um, wie es zu dem Amoklauf kommen konnte. Was bewegt ausgerechnet eine Anwältin, eine hübsche Akademikerin mit eigener Kanzlei und schickem Auto, zu solch einer Tat?

Keine Antwort haben die Ermittler auch auf die Frage, warum die Sportschützin, die bis 1996 Mitglied bei einem Schützenverein im nordbadischen Mosbach war, mit einer vergleichsweise kleinen Waffe loszog, einer Walther Longrifle Kaliber 22. Großkalibrigere Waffen ließ sie in der Wohnung zurück. Andererseits war Sabine R. aber offenbar auf große Zerstörung aus: Sie hatte über 300 Schuss Munition dabei.

Das Schwarzwald-Dörfchen Häg-Ehrsberg steht unter Schock. Hier, 30 Kilometer von Lörrach entfernt, lebte der kleine Roman R. mit seinen Eltern. Vor fünf Jahren hatte die Familie dort ein Haus gekauft. Vor einem halben Jahr zerbrach dann die Familie.

Nachbarn mutmaßen, Wolfgang R. habe eine Geliebte gehabt, andere sagen, die neue Frau sei erst nach dem Auszug von Sabine R. in das Leben des Schreiners getreten. Auf jeden Fall hatte Sabine R. Mann, Haus und Kind verloren. Die Wirkung muss traumatisch gewesen sein.

+++ Waffen im Vereinshaus sind noch gefährlicher +++

Das Bild, das Bekannte vom Wesen der 41-Jährigen liefern, ist widersprüchlich. Manche Anwohner bezeichnen die Frau als verbittert, mürrisch, äußerlich vernachlässigt. Auch mit anderen Anwälten habe sie im Streit gelegen, heißt es. Sie wurde kürzlich aus einem befristeten Arbeitsvertrag entlassen, von einer Firma, bei der sie im Personalwesen arbeitete. Sabine R. wollte das Unternehmen verklagen. Andere jedoch schildern Sabine R. als sehr zugänglich, ausgesprochen sympathisch, freundlich, schick und jugendlich.

Nachdem Sabine R. ihren Mann und den Sohn getötet hatte, muss sie den Tatort mit Nitrolösung aus mehreren Kanistern bespritzt haben. Der Brandbeschleuniger deutet auf eine geplante Tat hin. Sie ging zum Eingang der Wohnung und warf von dort aus ein Streichholz in den Brandbeschleuniger. Als das Feuer ausbrach und eine gewaltige Explosion auslöste, war sie bereits um sich schießend unterwegs Richtung Krankenhaus.

Ein mögliches Motiv, warum sie in der Gynäkologie landete, könnte in ihrer persönlichen Geschichte liegen. Womöglich hat sie dort nämlich vor sechs Jahren ein Trauma erlitten, als sie im fünften Schwangerschaftsmonat eine Fehlgeburt durchmachen musste. Allerdings: Der 56-jährige dreifache Vater, den Sabine R. auf dem Flur der Gynäkologie tötete, war zwar OP-Pfleger. Nach Unterlagen des Krankenhauses assistierte er damals aber nicht bei der tragischen Spontangeburt. Die beiden dürften sich nach allem Ermessen nicht gekannt haben.