Die 41-jährige Rechtsanwältin Sabine R. hatte auf ihrem Amoklauf am Sonntag auf mehr Menschen geschossen als bisher bekannt.

Lörrach. Die Amokläuferin von Lörrach hat ihren fünfjährigen Sohn niedergeschlagen und dann mit einer Plastiktüte erstickt. Das geht aus dem Obduktionsbericht der Gerichtsmediziner hervor, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. “Der Tod ist höchstwahrscheinlich durch das Ersticken eingetreten.“ Der Untersuchung zufolge wies die Leiche der 41-jährigen Täterin, die am Sonntagabend bei einem Schusswechsel mit der Polizei zu Tode kam, 17 Einschusswunden auf. Sie hatte die Tat mit einer legalen Waffe verübt; als Sportschützin besaß sie sogar vier Waffen. Aus diesem Grund ist eine erneute eine Debatte über eine Verschärfung des Waffenrechts entbrannt.

Der 44-jährige getrennt lebende Ehemann, der am Sonntag den gemeinsamen Sohn von der Frau abholen wollte, kam nach Angaben der Ermittler durch zwei Schüsse in Kopf und Hals ums Leben. Bereits am Montag stand fest, dass die Einschüsse mit dem Kaliber einer Sportwaffe der Frau übereinstimmten.

+++ Fakten zur Amokläuferin aus Lörrach +++

Das Paar hatte sich erst im Juni getrennt. Der Sohn lebte beim Vater, allerdings gab es eine Besuchsvereinbarung mit der Mutter. Die 41-jährige Rechtsanwältin lebte und arbeitete in einer Wohnung in der Markus-Pflüger-Straße in Lörrach. Kollegen hatten die Frau zuletzt als angespannt und psychisch labil beschrieben. Als der Vater den Sohn am Sonntagabend abholte, kam es zu dem Drama.

+++ Das Waffenrecht in Deutschland +++

Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen wird davon ausgegangen, dass die Frau zunächst ihren Mann und ihren Sohn tötete, bevor sie die Wohnung mit Nitroverdünner in Brand setzte. Die Chemikalie explodierte und zerstörte eine Wand der Wohnung, ein Feuer brach aus, wodurch 15 weitere Personen in dem Gebäude Rauchvergiftungen erlitten. Erst als der Brand gelöscht war, wurden die Leichen entdeckt, nach Informationen aus Ermittlerkreisen lagen Vater und Sohn nebeneinander auf dem Bett. Die Feuerwehr prüfte am Dienstagabend die Statik des Gebäudes. Die Stadt kündigte an, den Bewohnern des Hauses Ersatzwohnungen anzubieten.

Die Frau lief nach der ersten Tat ins nahe gelegene Krankenhaus. Auf der Straße schoss sie zwei Passanten an. Wie am Dienstag bekanntwurde, beschoss sie weitere vier Fußgänger und ein vorbeifahrendes Auto, allerdings ohne zu treffen. Ein Fußgänger ging demnach sofort in Deckung. Zudem soll Sabine R. auf eine etwa 70 Jahre alte Frau mit einer Gehhilfe, ein vorbeifahrendes Auto und einen Mann mit einem Kind gezielt haben. Sie wurden nicht getroffen. Danach bahnte sie sich ihren Weg zur gynäkologischen Station in dem Krankenhaus. Dort attackierte sie einen Pfleger mit einem Dolch und ihrer Pistole. Die Leiche des 56-jährigen Mannes wies drei Schussverletzungen im Kopf- und Halsbereich und zahlreiche Stichverletzungen am Oberkörper auf. Als die Polizei eintraf, schoss die Frau auf die Beamten und die Tür eines Krankenzimmers. Als sie nicht aufhörte, eröffneten die Polizisten das Feuer und töteten die Amokläuferin. Ein Polizist wurde bei dem Schusswechsel ins Bein getroffen.

Ob die 41-jährige Rechtsanwältin aktuell als Sportschützin in einem Verein aktiv war, stand auch am Dienstag nicht fest. In der Debatte um eine Verschärfung des Waffenrechts plädierten die Grünen und der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Bernd Carstensen, für eine getrennte Aufbewahrung von Waffen und Munition. Sportschützen hätten an sich gar kein berechtigtes Interesse, Waffen und Munition zu Hause zu haben. Die getrennte Aufbewahrung bedeute, “entweder die gesamte Munition kontrolliert in den Schießständen unterzubringen oder auch die Waffen“. Die SPD-Landtagsfraktion wies darauf hin, dass nach dem neuen Waffenrecht die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen und Munition erlösche, wenn ein Sportschütze nicht regelmäßig an Schießsportveranstaltungen teilnimmt. Deshalb sei die Täterin möglicherweise nicht legal im Besitz zahlreicher Waffen gewesen.

Ministerpräsident Stefan Mappus und CDU-Generalsekretär Thomas Strobl lehnten eine reflexartige Diskussion über eine Verschärfung des Waffenrechts ab. “Es gibt leider Risiken, die in den Menschen selbst angelegt sind. Daher glaube ich nicht, dass die Verschärfung des Waffengesetzes ausreicht, um Taten, wie etwa in Lörrach zu verhindern“, sagte Mappus.

In einem elektronischen und einem konventionellen Kondolenzbuch der Stadt drückten zahlreiche Menschen ihr Mitgefühl aus. Am Abend gedachten etwa zehn Menschen in der Johannespfarrei im Stadtteil Stetten der Opfer des Amoklaufs.