Ein dänischer Autor stößt auf einen Brief, nach dem König Christian IX. 1864 dem Deutschen Bund beitreten wollte. König Wilhelm I. lehnte ab

Kopenhagen. Ein dänischer Historiker hat einen Fall von "Vaterlandsverrat" entdeckt, der in wissenschaftlichen Kreisen als Sensation gilt. Beim Sichten der privaten Korrespondenz von König Christian IX. (1818-1906) stieß der dänische Autor und Historiker Tom Buk-Swienty auf einen Brief aus dem Jahr 1864, in dem der dänische Monarch dem preußischen König Wilhelm I. (er war damals noch nicht Kaiser ) anbietet, dass Dänemark Teil des Deutschen Bundes wird. Allerdings lehnte Bismarck den Vorschlag ab.

Auch später, als er bei einem Kongress diskret auf den dänischen Vorschlag angesprochen wurde, schüttelte der Kanzler eisern den Kopf. Tom Buk-Swienty über seine Entdeckung: "Ich konnte es kaum glauben und dachte: Steht hier wirklich, der dänische König wollte, dass Dänemark ein Teil von Deutschland wird?" Für König Christian IX. war es sicherlich gut, dass seine Idee erst heute bekannt wurde. Er hatte einen schweren Stand und eine schwere Zeit hinter sich. Sein Verhalten wäre wohl als Verrat angesehen worden.

Christians Vorgänger, König Frederik VII., war kinderlos geblieben. Deshalb hatte man ihn, den Sohn des Herzogs von Schleswig-Holstein-Sonderborg-Glücksburg, mit einer Verfassungsänderung zum Thronfolger gemacht. Christian zog zwar schon als Kind nach Kopenhagen, verlor aber sein ganzes Leben nie seinen deutschen Akzent. In den Augen vieler Dänen war er mehr deutsch als dänisch und deshalb alles andere als beliebt. Nach seiner Thronbesteigung 1863 musste Christian gegen seinen Willen eine Verfassungsänderung unterschreiben, die das Herzogtum Schleswig und Dänemark enger miteinander verband. Damit handelte er gegen frühere Verträge, und Bismarck sorgte in einer Allianz mit Österreich dafür, dass Dänemark ein Ultimatum gestellt wurde. Man ließ es verstreichen. Es kam zum Krieg, und nach der Schlacht bei den Düppeler Schanzen am 18. April 1864 musste sich Dänemark geschlagen geben.

Nun herrschte im Land Angst davor, die Herzogtümer Schleswig und Holstein an Deutschland zu verlieren. Hier lebten zwar viele Deutsche, aber eben auch viele Dänen. In einem ersten Vorschlag sollte Schleswig an Preußen gehen, da man hier die natürliche Sprachgrenze sah. Aber Dänemark lehnte ab, der Krieg flammte erneut auf, und Preußen besetzte Jütland. Würde nun sogar Jütland deutsch werden? König Christian hatte sicherlich Angst davor. Genau in dieser verzweifelten Stimmung machte er heimlich dem Preußenkönig den Eintrittsvorschlag. Sein Hintergedanke war logisch. Wenn Dänemark inklusive aller Herzogtümer im Deutschen Bund wäre, hätte das Land zwar an Souveränität verloren, wäre aber immer noch vereint.

König Wilhelm I. und Bismarck waren nicht interessiert. Die Ablehnung hatte mit Sicherheit mehrere Gründe. Preußen und der Deutsche Bund hatten eine Dauerkrise mit Frankreich, die 1871 - also nur wenige Jahre später - im Deutsch-Französischen Krieg ihren Höhepunkt erreichte, und man wollte den Nachbarn nicht provozieren. Außerdem wären auch nach dem Beitritt die Konflikte zwischen den deutschen und dänischen Minderheiten in Jütland nicht gelöst gewesen. Deutschland hätte im Notfall Dänemark helfen müssen.

Historiker Bjørn Østergaard sieht jedoch auch noch einen anderen möglichen Grund: "Preußen wollte die stärkste Macht im Deutschen Bund werden und hatte schon genug Probleme. Wenn Dänemark beigetreten wäre, hätte es eine große dänische Minderheit gegeben. Und das wollte Bismarck nicht."

Die Verwirrung nach dem Krieg war enorm, so wurde Holstein vorübergehend sogar österreichisch, bis dann 1867 endlich die preußische Provinz Schleswig-Holstein entstand. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Grenze wieder weiter südlich gezogen, aber als man Dänemark nach dem Zweiten Weltkrieg erneut anbot, das Gebiet zu erweitern, lehnten die Dänen dankend ab.

Für die Dänen, die nun zum ersten Mal von den royalen Briefen erfahren haben, wäre der Gedanke, heute Teil der Bundesrepublik zu sein, jedoch nicht so abwegig. Unter dem Motto, was wäre wenn, konnten sie sich auf der Website der Zeitung "Politiken" ihre Gedanken machen. "Autos, die viel weniger kosten als in Dänemark, das wäre doch toll", schreibt einer. Und ein anderer meint: "Dann hätten wir endlich Politiker von Format!"