Duisburgs Oberbürgermeister gibt zu, die Öffentlichkeit bewusst über die Besucherzahlen der Techno-Veranstaltung getäuscht zu haben.

Duisburg/Köln/Hamburg. Duisburgs umstrittener Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) hat zugegeben, die Öffentlichkeit bewusst über die erwarteten Besucherzahlen der Loveparade getäuscht zu haben. Es habe „die medialen Millionenzahlen des Veranstalters Lopavent“ gegeben - und „reale Zahlen für unsere Planung“, sagte Sauerland dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die „mehreren Millionen“ erwarteter Besucher, von denen er selbst vor der Veranstaltung gesprochen habe, seien „nur gepushte Zahlen“ gewesen. Auf Wunsch des Veranstalters habe die Stadt Duisburg bei der Marketinglüge mitgemacht.

Stadt und Veranstalter hatten am Unglückstag (24. Juli) von 1,4 Millionen Besuchern gesprochen. Das Gelände ist nur für 250000 Besucher zugelassen, war aber offenbar nicht ganz voll. Der Oberbürgermeister, der unter Polizeischutz steht, sagte dem Magazin, er fühle sich nach mehreren Morddrohungen als „Getriebener“. Seine Familie habe er wenige Tage nach dem Unglück aus der Stadt gebracht. So habe sich ein Unbekannter gemeldet und erklärt, man habe ihm 5000 Euro gezahlt, damit er ihn töte. Ein anderer habe gedroht, einen Kindergarten zu sprengen, falls er nicht zurücktrete.

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Sauerland schließt persönliche Konsequenzen nicht aus – er will sie aber offenbar erst nach der Aufklärungsarbeit ziehen. „Natürlich stelle ich mir die Frage, ob man das Amt nach so einem tragischen Ereignis weiter ausüben kann. Aber diese Antwort werde ich erst dann geben, wenn ich die Antworten auf die uns alle bedrückenden Fragen habe“, sagte der 55-Jährige am Sonntag in der 20-minütigen Sendung „Kreuzverhör“ im WDR Fernsehen. Die Schuldfrage müsse geklärt werden, sagte der Oberbürgermeister. Die Stadt Duisburg sei Genehmigungsbehörde für die Veranstaltung gewesen. „Und wir überprüfen jetzt unser Verhalten.“ Er betonte auch, es sei der allgemeine Wunsch gewesen, das Techno-Festival in die Revierstadt zu holen: „Alle wollten die Loveparade.“

Sauerland lehnte einen sofortigen Rücktritt nach wie vor ab und räumte auch keine persönliche Schuld ein: „Es muss geklärt werden, wer der Verursacher dieses tragischen Ereignisses war. So weit sind wir noch nicht.“ Er betonte, wie sehr ihn das Unglück mitnehme: „Jeden Morgen, wenn ich wach werde, wünsche ich mir, dass alles das, was wir erlebt haben, nur ein böser Traum ist, aber es ist Realität.“

Bei der Loveparade in Duisburg waren vor drei Wochen 21 Menschen tödlich verletzt worden. Bei der Massenpanik auf dem überfüllen Zugang zu dem Techno-Festival waren Hunderte Besucher verletzt und weit mehr traumatisiert worden. Seitdem gehen die Schuldzuweisungen hin und her. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt.

Sauerland hatte sich am Tag nach der Loveparade zusammen mit dem Veranstalter der Presse gestellt, aber mit Verweis auf die Ermittlungen nur vage Antworten gegeben. Sein „Abtauchen“ löste in Duisburg eine Welle der Empörung und Wut aus, Rücktrittsforderungen wurden laut. Im Duisburger Stadtrat gibt es zurzeit keine Mehrheit für eine Abwahl des 55 Jahre alten CDU-Politikers.

Eine private Initiative hat unterdessen 21000 Euro gesammelt, um den Opfern ein Denkmal zu setzen. Das Vorhaben sei „auch eine Antwort auf die Reaktionslosigkeit der Stadt nach dem Unglück“, sagte Arno Eich, einer der Initiatoren, am Sonntag. Geplant ist, eine Gedenk-Stele in der Nähe des Unglücksortes aufzustellen. In der Jury, die über das Kunstwerk entscheidet, sollen Opfer-Angehörige vertreten sein. Bereits Anfang September wird am Unglücksort eine Gedenktafel aufgehängt.