Der Staub weht nach Westen und könnte radioaktive Partikel mit sich bringen. Deutschland ist jedoch nicht gefährdet - vorerst.

Offenbach. In Russland haben auch radioaktiv verseuchte Wälder gebrannt . Die meisten Feuer in von der Atomkatastrophe in Tschernobyl verschmutzen Regionen seien jedoch wieder gelöscht worden, teilte die Forstschutzbehörde am Mittwoch mit. Offiziellen Angaben zufolge lag die Strahlenbelastung in Moskau auf dem üblichen Niveau. Es sei unklar, ob von dem Rauch aus kontaminierten Wäldern Gefahr ausgehe. Unter den betroffenen Gebieten ist die südwestlich von Moskau gelegene Provinz Brjansk an der Grenze zur Ukraine. Hier ging nach der Reaktorkatastrophe im April 1986 nuklearer Staub nieder.

Auf die Frage, ob die Brände radioaktive Teilchen in die Hauptstadt bringen könnten, sagte die Chefin der Moskauer Behörde für Strahlen-Beobachtung, Jelena Popowa, das Risiko sei „bislang theoretisch“. Die Regierung hatte zuvor eingeräumt, dass radioaktive Teile im Falle eines Brandes in die Luft geschleudert werden könnten.

Zumindest für die nächsten Tage geben Experten für Deutschland jedoch Entwarnung: Die Wetterlage verhindert, dass strahlende Teilchen nach Deutschland getrieben werden.

In den kommenden Tagen sei nicht mit einer Wetterlage wie nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl zu rechnen, als eine radioaktive Wolke bis nach Deutschland getrieben wurde, sagt Professor Eberhard Reimer, Experte für Schadstofftransport und Waldbrände an der Freien Universität in Berlin. Solche Tschernobyl-Wetterlagen seien ohnehin recht selten und träten nur etwa zwei bis drei Wochen pro Jahr auf. Selbst wenn mit der Luft radioaktive Teilchen nach Deutschland strömen sollten, sei es wegen Verdriftungen unterwegs völlig unklar, in welcher Konzentration sie hier ankämen und wie gefährlich sie seien.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) gibt bis einschließlich Samstag Entwarnung. In den nächsten drei Tagen herrsche eine Wetterlage, die die Rauchwolke aus Russland voraussichtlich über Polen nach Schweden abziehen lasse, sagt DWD-Sprecher Uwe Kirsche. Auf dem Weg durch Polen könne die Wolke höchstens den Rand Ostdeutschlands streifen. Bisher habe der Wetterdienst, der die Radioaktivität in der Luft überwacht, jedoch keine erhöhte Belastung verzeichnet. Der Wetterdienst misst für das Bundesamt für Strahlenschutz an 48 Stationen im ganzen Land die Radioaktivität. „Wenn irgendwas kommt, wird's bei uns sofort erfasst“, sagt Kirsche. Sollten sich die Werte erhöhen, werde vollautomatisch Alarm geschlagen. Mediziner beim Bundesamt für Strahlenschutz müssten dann bewerten, welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien.

„Es ist sehr unwahrscheinlich, dass bei der derzeitigen Wetterlage eine radioaktive Rußwolke nach Deutschland kommt“, sagt auch der Atomexperte von Greenpeace, Mathias Edler. Die Brände seien vor allem für die Menschen in der Umgebung der verseuchten Gebiete eine Bedrohung, wo die Flammen strahlende Teilchen aus dem Boden aufwirbelten. Bisher gebe es keine Erkenntnisse, wie sich das Gemisch aus Ruß, Feinstaub, Kohlenmonoxid und radioaktiven Partikeln in der Luft auf die Menschen auswirke. Medizinisch sei jedoch erwiesen, dass bereits ein Millionstel Gramm Plutonium Krebs erzeugen könne. Auch das krebserregende Cäsium 137 komme in den durch Tschernobyl und Majak verseuchten Gebieten stark vor.

Der Greenpeace-Experte zweifelt an der Aussage russischer Behörden, dass Atomanlagen durch die Brände nicht gefährdet seien. Selbst ein weit entferntes Feuer könne einen Stromausfall in einem Atomkraftwerk auslösen, und dann sei dessen Kühlanlage auf Notstrom-Aggregate angewiesen. Bei einem Stromausfall in Majak sei im Jahr 2000 der Dieselgenerator zwar angesprungen, aber nur eine halbe Stunde gelaufen. „Wenn die Kühlmittelpumpen ausfallen, kann es zu einer Kernschmelze kommen“, warnt Edler. Eine Kernschmelze im Reaktor von Tschernobyl führte auch zur Freisetzung von Radioaktivität und der bislang schwersten AKW-Katastrophe.

Im Sommer 1967 kam es in Majak nach den Worten des Greenpeace-Experten zu einem Szenario, das mit der heutigen Lage vergleichbar ist: Damals sei ein See ausgetrocknet, in den radioaktive Abfälle aus Majak eingeleitet wurden. Wirbelstürme hätten die radioaktiven Partikel vom Seegrund danach über Hunderte von Kilometern verbreitet.

Den Einsatzkräften gelang es unterdessen, die verheerenden Waldbrände einzudämmen. Das Katastrophenschutzministerium teilte mit, Feuerwehrleute hätten in den vergangenen 24 Stunden die brennende Fläche auf 927 Quadratkilometer fast halbiert. Etwa 166.000 Leute seien derzeit im Einsatz und damit beschäftigt, mehr als 600 Brandherde zu bekämpfen.

Die Moskauer konnten nach tagelangem Smog am Mittwoch wieder etwas aufatmen. Starker Wind blies die giften Rauchwolken über der Hauptstadt weg. Der russische Wetterdienst warnte jedoch, dass der Smog bald zurückkehren könnte. „Sobald der Wind nachlässt, wird der Rauch wiederkommen“, sagte Roman Wilfand vom staatlichen Wetterdienst. In den kommenden zwei Tagen soll die sengende Hitze im europäischen Teil Russlands weiter anhalten. Vereinzelt könnte jedoch Regen fallen, teilte eine Wetterbehörde mit. Es werden Temperaturen zwischen 37 und 40 Grad erwartet.

Russische Löschtrupps kämpfen gegen radioaktive Gefahr