Die verheerenden Brände in Russland könnten das Ende der Ära von Premierminister Wladimir Putin und Präsident Dmitri Medwedew einleiten.

Bei wichtigen Anlässen pfuschen die Kremlherren in Russland schon mal Petrus ins Handwerk. So steigen vor Empfängen oder Militärparaden MiG-Flugzeuge auf, um Wolken zu vertreiben, damit ja kein Regen das Ereignis trübt. Umgekehrt funktioniert das nicht. Russland brennt - und Regen ist nicht in Sicht. Es hat Dutzende Tote gegeben, Hunderte Dörfer sind verbrannt, Bewohner stehen vor dem Nichts. Es gibt keine Versicherung. Moskau musste sein Handeln beweisen. So versucht das Tandem im Kreml, Präsident Dmitri Medwedew und Premier Wladimir Putin, derzeit mit operativer Hektik zu vertuschen, dass es der sich abzeichnenden Brandkatastrophe unverantwortlich lange tatenlos zugesehen hat.

Jetzt sendet das Staatsfernsehen Bilder, wie Putin wie eine Lichtgestalt im weißen Hemd in den Ruinen der Dörfer den Bewohnern Hilfe verspricht. Währenddessen staucht Medwedew im Kreml ranghohe Offiziere zusammen und fordert Lageberichte, die der Wahrheit entsprechen, statt inhaltsloser Texte oder Erfolgsmeldungen.

Nun rächt sich die von Putin in Russland durchgesetzte Vertikale der Macht, nach der die Zentralregierung in Moskau heute bis in jedes Dorf hineinregieren kann. Umgekehrt lähmt es die regionalen Amtsträger, die lieber gar nichts tun, als Fehler zu riskieren oder gar einzugestehen. Also muss Putin als politischer Feuerwehrmann ran. Hier sagt er Geld zu, dort neue Häuser. Putin, der Macher. So entspricht es der Arbeitsteilung im Kreml. Putin trifft alle wichtigen Entscheidungen, während Medwedew nach außen als Regent agiert und Russlands Image im Westen verbessern soll. Seine Macht ist kaum größer als die der britischen Königin, deren Thronreden der Premier schreibt. Zudem hat er keinen Rückhalt im einflussreichen Beamtenheer. Alle Schlüsselpositionen sind mit Putins Gefolgsleuten besetzt.

Auch Medwedew, 44, kam nur durch Putin, 57, ins Amt. Als dieser nach zwei Amtszeiten in Folge bei den Präsidentschaftswahlen 2008 nicht mehr antreten durfte, hat er sich aus dem Sträußchen potenzieller Nachfolger den alten Kumpel aus Petersburger Tagen ausgesucht. Medwedew legte sein Jura-Examen an der Petersburger Universität ab, die auch Putin besuchte. Die machtvolle Verbindung der beiden stammt aus dem Jahr 1990. Medwedew blieb zunächst als Dozent an der juristischen Fakultät und war nebenbei Berater für den außenpolitischen Ausschuss des Petersburger Magistrats. Dessen Chef war: Wladimir Putin. In diese Zeit fällt auch ein undurchsichtiger Skandal um Rohstoffverträge der Stadt. Das Stadtparlament beschuldigte Putin, sich dabei bereichert zu haben. Medwedew gelang es, die Sache niederzuschlagen. Putin revanchierte sich und nahm Medwedew auf der Karriereleiter mit. So etwas verbindet. Aber es verlangt von dem einen den unbedingten Willen zur Macht und von dem anderen die Fähigkeit, sich unterzuordnen.

Die Anlagen dazu wurzeln ebenfalls in Petersburg. Der Fabrikarbeitersohn Putin ist im Grunde der Rabauke geblieben, der in den Hinterhöfen der Newametropole aufwuchs, sich oft prügelte und gern Kraftausdrücke gebrauchte. Und dem Professorensohn Medwedew haftet immer noch das Image des schüchternen Musterschülers an. Auch wenn er heute im Auftritt, Stil und sogar in der Sprache seinen Lehrmeister kopiert, das Resultat bleibt immer das gleiche: Das Original kann es besser. Und noch ein Unterschied: Putin verdankt sein Amt seinem chauvinistisch geprägten Charisma, Medwedew wiederum sein Amt dem völligen Fehlen von Charisma. Als beide einträchtig verkündeten, die Schürzen zu tauschen, blieb klar, wer Koch und wer Kellner ist. Putin wird klargestellt haben, dass sein Nachfolger nicht an der Macht, sondern nur an der Regierung ist.

Seitdem rätseln Kreml-Astrologen, ob Medwedew von Putin unabhängiger werden kann, als es scheint. Und ob er das überhaupt möchte. Zumal auch Medwedew an vielen Fronten herausgefordert wird - von der Weltfinanzkrise bis zu den problematischen Beziehungen zu Europa und den USA. Und nun infolge der Brände die gewaltigen Ernteschäden. Vor allem bei Weizen. Die Preise für Brot und Wodka dürften bald steigen. Eine Bevölkerung, die aus Sowjetzeiten den Mangel kennt, nimmt das übel. Auch das erklärt die Nervosität der Herrschenden. Schließlich haben gestiegene Wodkapreise einst das Ende der Ära Gorbatschow eingeleitet.