Hamburger Autonome werden vermutlich nach Berlin reisen, um dort gegen einen Neonazi-Aufmarsch zu protestieren. Berlin befürchtet Auseinandersetzungen.

Hamburg/Berlin. Die Berliner Polizei bereitet sich auf erneute Krawalle und Ausschreitungen am 1. Mai vor. Angesichts der befürchteten Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Autonomen riet der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, zu einem schnellen Vorgehen der Einsatzkräfte. Er stellte sich damit am Freitag gegen die offizielle Taktik der Berliner Polizei. Übers Wochenende werden tausende Demonstranten sowie mehrere Hundertschaften Polizei in der Hauptstadt erwartet. Die DGB-Gewerkschaften wollen sich ab neun Uhr zu den gemeinsamen Demonstrationszügen treffen.

Freiberg kritisierte die Berliner Linie im Bayerischen Rundfunk: „Wer Steine wirft, wer Gewalt anwendet, der wird nicht vom Demonstrationsrecht geschützt, sondern da muss die Polizei eingreifen, den festnehmen und vor Gericht bringen.“

Verbessert hat sich Freiberg zufolge, dass Täter hinterher belangt werden. Aber man könne nicht 470 verletzte Polizisten, wie im letzten Jahr, akzeptieren, sowie verletzte Unbeteiligte. „Und wenn jemand einen Stein an den Kopf kriegt, dann ist das eine Frage des Glücks, dass er nicht zu Tode kommt“, sagte Freiberg.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hält die Warnung von Freiberg vor Todesopfern bei den befürchteten Ausschreitungen für „völlig unverantwortlich“. Ströbele sagte im Deutschlandradio Kultur, er wünsche sich, dass viele Menschen zu den Demonstrationen am 1. Mai gingen, denen das politische Anliegen wichtig sei.

„Natürlich gibt es auch besoffene Kids, die sich dann da irgendwie einreihen und die Randale toll finden.“ Aber die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer hätte politische Forderungen, denen sie zum Teil ihr Leben widmeten, sagte Ströbele. Steinewerfern zu unterstellen, sie seien unpolitisch, sei falsch.


In Kreuzberg will die Berliner Polizei für einen gewaltfreien 1. Mai mit den Migranten vor Ort zusammenarbeiten. Am Sonnabend treffen sich dazu den Angaben zufolge Verantwortliche der Polizei mit den Vorsitzenden diverser Migrantenverbände und Moscheevereinen.

Neonazi-Aufmarsch blockieren

Das Bündnis „1.-Mai-Nazifrei“ will den Nazi-Aufmarsch am Sonnabend blockieren. „Die Gefahr geht am 1. Mai von militanten Schlägernazis aus“, sagte Bündnissprecher Jan Landers. Die Nazis versammelten sich um 11 Uhr in Oranienburg und Wannsee sowie um 10.15 Uhr in Königs Wusterhausen, um von dort zum S-Bahnhof Bornholmer Straße zu fahren. Daher rief das Bündnis alle Berliner zur gemeinsamen Anreise um neun Uhr auf. Treffpunkt seien der S-Bahnhof Ostkreuz und der U-Bahnhof Alexanderplatz.

Hamburger Szene reist nach Berlin

Laut Lagebild wird auch die autonome Szene Hamburgs nach Berlin und Rostock reisen. Denn dort hat die NPD zu Aufmärschen aufgerufen.

Die Hamburger Polizei geht deshalb von einem eher ruhigen Mai-Wochenende aus. "Das meiste wird sich in Berlin abspielen", sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. Dort sind bislang rund 30 Demonstrationen angemeldet worden - so viele wie noch nie zuvor. Unter anderem deshalb, weil die NPD bundesweit sogenannte Autonome Nationalisten rekrutiert, eine als gewaltbereit und aggressiv eingeschätzte rechte Gruppe.

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Als diese vor zwei Jahren in Hamburg demonstrierte, kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen mit linken Autonomen. Die Hamburger Polizei wird bis zu drei Hundertschaften nach Berlin zur Unterstützung schicken. Gut 6000 Polizisten werden dort im Einsatz sein. Auch in Rostock will die NPD demonstrieren. Die Polizei geht deshalb davon aus, dass Hamburger Autonome in diese beiden Städte reisen werden, um dort die Konfrontation mit den Rechtsradikalen zu suchen. "Hier findet keine rechte Versammlung statt", sagt Meyer.


+++ AUF DIESEN STRAßEN WIRD ES ENG +++

Ein Indiz für die Abwanderung nach Osten ist unter anderem auch die von den Anmeldern nach unten korrigierte Teilnehmerzahl der Demonstranten. Statt der zunächst erwarteten 1500 Teilnehmer sollen nur noch 500 kommen. Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass ein Richtungsstreit zwischen den linken Gruppen entbrannt ist. So distanzieren sich Rote-Flora-Aktivisten von der Israel-feindlichen Gruppierung "Sozialistische Linke". Die Elektro-Punk-Gruppe Deichkind hat ein bereits angekündigtes Konzert im Schanzenviertel abgesagt. Man wolle nicht zwischen den Auseinandersetzungen der Gruppen stehen, heißt es. Dass in der Schanze überhaupt nicht mit Gewalt zu rechnen ist, glaubt die Polizei allerdings auch nicht. Zur Sicherheit sind mehr als 500 Beamte in Alarmbereitschaft.