Millionen Liter sind schon von der gesunkenen Plattform ins Meer gelangt. Das Bohrloch in 1600 Meter Tiefe hält noch dicht.

Hamburg/Venice. Der Energiekonzern BP wollte eigentlich in den kommenden Tagen die Entdeckung großer Erdölvorkommen vor der Küste des US-Bundesstaates Louisiana verkünden. Auf der Bohrinsel "Deepwater Horizon" hatte man bei Probebohrungen mehr als eine Million Liter Rohöl pro Tag gefördert. Stattdessen aber hat das Unternehmen jetzt alle Hände voll zu tun, um eine Katastrophe zu verhindern. Am Donnerstag versank der gesamte Förderkomplex nach einer Explosion 80 Kilometer von der Küste entfernt im Golf von Mexiko. Mit ihm das gelagerte Öl und 2,5 Millionen Liter Diesel. Ökologen befürchten eine Ölpest an den tier- und pflanzenreichen Küsten von Louisiana, Alabama und Mississippi.

BP-Chef Tony Hayward versprach zwar, "alles in unserer Macht stehende zu tun, um die Ölverschmutzung in Schach zu halten". Er kündigte eine Aufräumaktion zur Beseitigung des Öls an. Tauchroboter sollen Videoaufnahmen von den möglichen Schäden unter Wasser machen, insgesamt 32 Schiffe sollen das Öl aufsaugen oder auf andere Art beseitigen. Wenn nötig, würden weitere Kräfte mobilisiert.

Die US-Küstenwache meldete am Freitag bereits die Sichtung eines acht Kilometer langen Ölteppichs im Meer. Erste Schiffe begannen damit, das Öl abzusaugen, zudem wurden schwimmende Barrieren errichtet, um den Teppich aufzuhalten. Sollte der aber die Küste erreichen, könnte er die Ökosysteme zerstören.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer war die Nachricht, dass anscheinend aus der Bohrquelle am Meeresgrund kein weiteres Öl austritt. Bevor die Plattform versank, hatten Arbeiter noch versucht, das Loch zu schließen, sie scheiterten aber. Daher tauchte ein unbemanntes U-Boot in 1600 Meter Tiefe, um das Bohrloch genau zu untersuchen und die Gefahr abzuschätzen. Es wurde befürchtet, dass pro Tag 1,13 Millionen Liter Rohöl austreten könnten. Konteradmiral Mary Landry von der Küstenwache gab aber vorerst Entwarnung.

Ralf Seemann, Professor für Experimentalphysik an der Universität des Saarlandes, erklärt: "Die Vorstellung, dass man ein Ölreservoir anbohrt und das Öl sprudelt einfach heraus, ist falsch." Zuerst müsse Druck aufgebaut werden, denn fast kein Reservoir stünde von Natur aus unter Druck, ergänzt der Experte. Dieser Druck wird normalerweise technisch erzeugt, doch da die Bohrinsel gesunken ist, entfällt auch der Druck und es besteht eine Chance, dass in Zukunft kein Öl austreten wird. Landry von der Küstenwache sagte aber, man werde die Situation weiterhin genau beobachten.

Doch unabhängig davon, ob das Öl nun aus der Quelle oder aus der Plattform austritt - die Gefährdung für die Natur ist gleichermaßen groß. Bei den gegenwärtigen Windverhältnissen werde das Öl frühestens am Montag die Küste erreichen, erklärte ein Experte der Nationalen Behörde für Ozeane und Atmosphäre (NOAA). So lange bleibt den Einsatzkräften Zeit, den Ölteppich zu bekämpfen.

US-Präsident Barack Obama kündigte an, er werde sicherstellen, "dass die gesamte Regierung alle nötige Hilfe sowohl bei den Rettungsbemühungen als auch bei der Verhinderung eines Umweltschadens zur Verfügung stellt". Allerdings sieht sich der Präsident zurzeit scharfer Kritik ausgesetzt. Erst vor drei Wochen hatte er ein Verbot von Ölbohrungen in geschützten Gebieten vor der amerikanischen Küste wieder aufgehoben.

Umweltschützer und zahlreiche Politiker sehen in dem Unglück auf der "Deepwater Horizon" eine Bestätigung ihrer Befürchtungen. Robert Menendez und Frank Lautenberg, zwei demokratische Senatoren, schrieben in einem offenen Brief, "Unfälle wie dieser" seien eine "nüchterne Erinnerung" daran, wie weit die Beteuerungen der Erdölindustrie, die Bohrungen seien ein sicheres Unterfangen, von der Wahrheit entfernt lägen.