“Eine Kultur des Wegsehens“ in der katholischen Kirche: Ermittler geht von 100 Opfern im Kloster Ettal aus.

Regensburg. Brutale Quälereien, sexuelle Übergriffe und eine Kultur des Wegschauens: Der Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche in Deutschland nimmt immer größere Ausmaße an. Kinder in Schule und Internat des bayerischen Klosters Ettal seien jahrelang teils sadistischer körperlicher Züchtigung und sexuellem Missbrauch ausgesetzt gewesen, schilderte der von der Benediktiner-Abtei eingesetzte Sonderermittler Thomas Pfister am Freitag in Ettal in seinem Zwischenbericht.

Deutlich mehr als zehn" geistliche Lehrkräfte aus dem Internat hätten sich als "systematisch und brutal prügelnde Lehrkräfte" entpuppt. Man müsse von rund 100 Opfern ausgehen. Ermöglicht habe dies ein Klima "hermetischen Schweigens und Wegsehens".

Auch heute gibt es laut Pfister noch Fälle von Misshandlungen in der Internatsschule. So hätten 13 Jahre alte Schüler weinend von Kopfnüssen berichtet, die immer noch üblich seien. Erst jetzt habe ein Pater offenbart, kinderpornografische Filme aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Außerdem habe er Schüler ermuntert, sich mit nacktem Oberkörper fotografieren zu lassen, und diese Bilder anschließend auf Homosexuellen-Seiten ins Netz gestellt. Die zuständige Staatsanwaltschaft habe zur Aufklärung der Vorwürfe mehrere PC in dem Kloster sichergestellt, sagte Pfister.

Nach Ansicht des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx müssen die Missbrauchsfälle Thema auf dem Ökumenischen Kirchentag in München sein. Marx sagte, das Treffen im Mai könne nicht an den aktuellen Debatten vorbeigehen, sondern müsse aufgreifen, "was an Schrecklichem mitten im Volk Gottes" geschehen sei.

In den erst vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Skandal um sexuellen Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen waren Anfang der 60er-Jahre zwei frühere leitende Geistliche des Knabenchors verwickelt. Die Männer seien zu Haftstrafen verurteilt worden und 1984 verstorben, hieß es beim Bistum Regensburg.

Der ehemalige Chef der Domspatzen, Georg Ratzinger (86), sagte im Bayerischen Rundfunk, ihm seien keine Missbrauchsfälle bei dem Knabenchor bekannt. Der Bruder von Papst Benedikt XVI leitete die Domspatzen von 1964 bis 1994.