Mit der Eröffnung des kriegszerstörten Neuen Museums ist die weltberühmte Berliner Museumsinsel erstmals seit 70 Jahren komplett.

Berlin. Nur ganze neun Jahre, von der Fertigstellung des Pergamonmuseums im Jahr 1930 bis zur kriegsbedingten Schließung der fünf Museen 1939, war die Berliner Museumsinsel komplett. Danach kamen die Bomben des Kriegs, die sowjetische Armee, die zahlreiche Kunstwerke als Beute nahm und außer Landes brachte, die Teilung Berlins und seiner Museumsbestände, dann in der DDR-Zeit ein zögerlicher, unvollständiger Wiederaufbau einiger Gebäude und die jahrzehntelange Vernachlässigung anderer. Das Neue Museum, das der Schinkel-Schüler Friedrich August Stüler 1841 bis 1859 mit einem damals zukunftsweisenden Konzept als modernes, einer aufklärerischen Weltsicht verpflichtetes Sammlungsgebäude errichtet hatte, war 1989 noch immer eine Kriegsruine, deren Wiederaufbau die DDR zwar zuletzt noch halbherzig ins Auge fasste, aber angesichts ihrer wirtschaftlichen Misere niemals hätte leisten können.

Wenn Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Neue Museum heute im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel feierlich wiedereröffnet, beginnt eine neue Ära. Erstmals seit 70 Jahren sind dann alle fünf Häuser der Berliner Museumsinsel wieder der Öffentlichkeit zugänglich. "Mit der Wiedereinweihung des Neuen Museums hört für die Berliner Museumsinsel die Nachkriegszeit auf", sagte Parzinger, der die Einweihung des letzten noch fehlenden Gliedes in der Perlenkette der Museumsinsel als Quantensprung bezeichnete. Noch konnte zwar der 1999 beschlossene Masterpan, der neben der Sanierung von Alter Nationalgalerie, Bodemuseum, Neuem Museum, Altem Museum und Pergamonmuseum auch die Errichtung eines gemeinsamen Eingangsgebäudes vorsieht, längst nicht vollendet werden, doch zumindest die wichtigste Etappe ist bewältigt. Symbolisch steht dafür die Rückkehr der berühmten Büste der Nofretete in ihr angestammtes Haus. Dieses hatte der britische Architekt David Chipperfield in den letzten sechs Jahren für 200 Millionen Euro wieder aufgebaut.

Über Chipperfields Plan ist in den letzten Jahren heftig gestritten worden, doch spätestens jetzt dürfte die Kritik weitgehend verstummen. Denn sein Konzept, das bewusst auf eine archäologische Rekonstruktion verzichtet und stattdessen die Brüche, Narben und Verletzungen des Bauwerks sichtbar lässt, zugleich aber verlorene Bereiche mit einer ebenso zurückhaltenden wie zeitgemäßen Formensprache ergänzt, ist auf wundervolle Weise aufgegangen. Dass die dabei entstandene Raumarchitektur beträchtliche Wirkung zu entfalten vermag, hat sich schon im Frühjahr gezeigt, als das Gebäude fertiggestellt war und im leeren Zustand der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Doch jetzt erweist sich, dass Chipperfields Architektur auch auf wunderbare Weise mit der Sammlung harmoniert. Die Einschusslöcher des Kriegs bleiben sichtbar, angeschlagene Teile von Bauplastik wurde nicht ergänzt, Fehlstellen nicht ausgeführt, das ist einerseits irritierend, andererseits aber ästhetisch äußerst reizvoll. Chipperfiled interpretiert die Spuren der Vergangenheit als Zeugnisse der Vergänglichkeit und bereitet so den Kunstwerken aus Alt-Ägypten und der europäischen Vor- und Frühgeschichte eine Bühne, die eine Beziehung zur Geschichte des Ortes herstellt.

Und wie ergeht es Nofretete, der heiß begehrten ägyptischen Königin, die von Kairo zurückgefordert wird, aber in Berlin längst heimisch geworden ist? Einsam steht die weltberühmte Büste, das ebenmäßige Gesicht wunderbar beleuchtet, in einer vier Meter hohen Vitrine im Oktogon des Nordkuppelsaals, den sie mit ihrer enormen Präsenz erfüllt. Sie blickt durch den benachbarten, den Papyri gewidmeten Niobidensaal, der weitgehend im Original erhalten ist, bis hin zur gegenüberliegenden Südgalerie, die Chipperfiled in modernen Formen neu erfunden hat und in der die Monumentalstatue eines Helios' steht. Hier wird eine Beziehung zwischen zwei Lichtgestalten hergestellt, von Nofretete, der Protagonistin der Armana-Kultur, in der allein der Sonnengott Aton verehrt wurde, zu Helios, dem griechischen Sonnengott.

Oft finden sich Beziehungen dieser Art, denn das wieder aufgebaute Haus beherbergt zwar mit dem Ägyptischen Museum, dem Museum für Vor- und Frühgeschichte und antiken Objekten verschiedenartige Sammlungen, die sich aber immer wieder und oft auf überraschende Weise aufeinander beziehen. Ganz besonders gilt das für die Archäologische Promenade im Sockelgeschoss, die künftig die einzelnen Häuser der Museumsinsel nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich verbinden soll.

Eine Bildergalerie zur Eröffnung des Neuen Museums finden sie unter abendblatt.de/kultur-live